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Faeser will keine VerlängerungWieder Debatte um Grenzkontrollen

Mit Ende der EM laufen die verschärften Grenzkontrollen wieder aus. Union und FDP aber wollen eine Verlängerung. Faeser ist dagegen.

Großer Personalaufwand, umstrittener Effekt: Grenzkontrollen der Polizei, hier in Frankfurt/Oder Foto: Patrick Pleul, dpa

Berlin dpa/afp/rtr/taz | FDP und Union fordern eine Fortführung der Kontrollen an den deutschen Grenzen auch nach dem Ende der Fußball-Europameisterschaft. „Die Vielzahl der Fahndungstreffer und Zurückweisungen innerhalb weniger Wochen im Rahmen der EM machen deutlich, dass Grenzkontrollen für die innere Sicherheit und die Eindämmung illegaler Migration unverzichtbar sind“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber der Deutschen Presse-Agentur in München. Solange die EU-Außengrenzen nicht ausreichend geschützt seien, brauche es die Binnengrenzkontrollen.

Auch die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner forderte, die Grenzkontrollen fortzusetzen. „Der Migrationsdruck auf die europäischen Außengrenzen ist noch immer viel zu hoch, die Kommunen sind finanziell und organisatorisch nach wie vor extrem überlastet“, erklärte sie am Sonntag.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach sich ebenso für eine Verlängerung der Kontrollen aus. Diese führten dazu, „dass wir sehr effektiv diejenigen aufgreifen, die illegal ins Land kommen wollen“, sagte Dürr den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Die Entscheidung darüber liegt allerdings beim Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) – und dieses wies den Vorschlag zurück. Faeser hatte bei der Europäischen Union wegen der EM an allen Grenzen Kontrollen bis zum 19. Juli angemeldet – danach laufen diese wieder aus. Das Turnier endet am Sonntagabend mit dem Finale zwischen England und Spanien. Wie vorher schon wird es danach aber weiter temporäre Kontrollen an den Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Tschechien und Polen geben.

„Nur eine ultima ratio“

Die Kontrollen an den deutschen Grenzen während der EM seien „nur zeitlich begrenzt und als ultima ratio“ gedacht gewesen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der „Bild am Sonntag“. Weitere bundesweite Kontrollen müsste Deutschland bei der EU anmelden. Dies sei aber nicht geplant. Bis zu 22.000 Bundespolizistinnen und Bundespolizisten sind laut Faeser während der EM täglich im Einsatz – an den Grenzen und auch in den Spielorten des Turniers.

Ein Sprecher des Innenministeriums hatte vor wenigen Tagen Zahlen der temporären Grenzkontrollen für den Zeitraum vom 7. bis 27. Juni publik gemacht. Demnach wurden rund 600 offene Haftbefehle vollstreckt und rund 150 Schleuser vorläufig festgenommen. In rund 3.200 Fällen habe es „Einreise verhindernde Maßnahmen“ gegeben. Eine vorläufige Bilanz für den gesamten EM-Zeitraum will das Ministerium am Montag ziehen.

Laut Bundespolizei waren rund ein Drittel der unerlaubten Einreisen an den Grenzen zu Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlanden, Dänemark sowie im See- und Luftverkehr festgestellt worden. Dort werde die Bundespolizei in Zukunft „das Instrument der Schleierfahndung einsetzen, um mit gezielten Kontrollen gegen grenzüberschreitende Kriminalität vorzugehen“, hieß es dem „BamS“-Bericht zufolge aus dem Bundesinnenministerium. Die Bundespolizei kann dort dann keine Zurückweisungen an der Grenze mehr vornehmen.

FDP-Fraktionschef Dürr hingegen empfahl die Beibehaltung der Grenzkontrollen als Überbrückungsmaßnahme bis zur Umsetzung des geplanten EU-Asylsystems. „Wenn wir ein System haben, das die europäischen Außengrenzen komplett schützt, kann man die Kontrollen der Binnengrenzen wieder abschaffen“, sagte er den Funke-Zeitungen. „Aber vorläufig ist das ein sehr effektives Instrument.“

Die Union lobte Dürr. Der FDP-Politiker habe „verstanden, dass die Sicherheitslage es erforderlich macht, die deutschen Grenzen über die Fußball-EM hinaus stärker zu kontrollieren“, erklärte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU). Die Zahlen der festgenommenen Schleuser und verhinderten, unerlaubten Einreisen belegten „auf eindrucksvolle Weise den Wert der Grenzkontrollen“. Auch kontrollierte Grenzen „bleiben ja trotzdem offene Grenzen“, fügte Throm hinzu.

CSU-Mann Huber betonte, dass für eine Verlängerung der Grenzkontrollen die Zahl der Polizeibeamten massiv erhöht werden müsse, wie es in Bayern seit Jahren geschehe. „Die bayerische Grenzpolizei ist Vorbild für ganz Deutschland. Dass Bundesinnenministerin Faeser die Faktenlage ignoriert und Deutschlands Sicherheitslage so verschlechtert, zeigt, dass sie eine Fehlbesetzung ist.“

Auch Polizei ist gegen eine Verlängerung der Kontrollen

Widerspruch zur Verlängerung der Grenzkontrollen kommt dagegen von der Bundespolizei. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sieht dafür keine personellen Voraussetzungen. „Die Grenzkontrollen haben während der EM zu 100 Prozent funktioniert“, sagte Roßkopf dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es sei aber „nicht auf Dauer durchhaltbar, die Grenzen in dieser Intensität zu schützen“.

Auch der Koalitionspartner Grüne lehnte den Vorstoß ab. Bisherige Erfahrungen mit Grenzkontrollen hätten gezeigt, „wie gigantisch der Aufwand und wie gering der Effekt ist“, sagte der Grünen-Innenexperte Marcel Emmerich dem „Tagesspiegel“. Der besondere Umstand der Fußball-EM habe die Kontrollen gerechtfertigt – mehr sei aber nicht drin, sagte der Grünen-Politiker. „Es ist eine Sache, mit temporären Grenzkontrollen den Kontrolldruck auf Hooligans, potenzielle Terroristen und andere Kriminelle zu erhöhen, und eine andere, mit stationären Kontrollen an 2000 Kilometern Binnengrenze jahrelang zu versuchen, die Migration zu reduzieren.“

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18 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen sind eine Konsequenz der fehlenden Kontrollen an den EU-Grenzen.



    Das war bis zu Schengen möglich, also fehlt nur der Wille es zu tun.

    Die Wähler akzeptieren "Kopf in den Sand stecken" und "weiter so" nicht mehr. Sie wollen eine andere Politik, die entweder von der Ampel kommt, oder von anderen Parteien.



    Die andere Politik wird kommen.

  • Irgendwann haben Schleuser und Kriminelle das verstanden und reagieren darauf, dann sind die Grenzen irgendwie ein Stück weiter beacht oder kontrolliert, aber der Effekt geht nach unten, dafür kostet es sehr viel Geld.



    Die Frage wäre aber, wie wichtig ist es denn, irreguläre Grenzübertritte zu stoppen. Wenn es um jeden Preis sein soll, dann ginge das auch. Nur dann müsste die Politik jenseits der Debatten sachlich argumentieren können, warum die Grenzen wieder zu sein müssen.

  • Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

    • @Haudraufwienix:

      Sie meinten Herrn Würth und Frau Weidel aus der Schweiz?



      Bzw. wollten Sie sich gerade als ganz fiesen Finger outen, der Menschen übelst-neoliberal nach Steuerklasse sortiert? So etwas kommt ja immer gut an.



      Was meinten Sie?

  • faz.net 14.05.24



    "Auf die Bundespolizisten kommt während des Fußballturniers eine enorme Belastung zu. Rund um die EM wurde eine Urlaubssperre verhängt, Zwölf-Stunden-Schichten sind stattdessen angesagt. Die EM wird der größte Einsatz der Bundespolizei seit ihrem Bestehen. Zwei Millionen Überstunden werden wohl anfallen."



    Wer will das vermitteln und wer soll das bezahlen, was als Forderung im Raum steht?



    Fachkräftemangel und 'Urlaubsstau' sollte man nicht beschleunigen durch derartige Ideen von der Dauerverfügbarkeit von BeamtInnen.

  • "... Zahlen der temporären Grenzkontrollen für den Zeitraum vom 7. bis 27. Juni publik gemacht. ... 600 offene Haftbefehle vollstreckt ... 150 Schleuser ... 3.200 Fällen habe es „Einreise verhindernde Maßnahmen“ gegeben."

    Für nur zwanzig Tage ist diese Bilanz meiner Meinung nach (ich bin keine Fachfrau) nicht so schlecht. Auf Dauer würden sich Kriminelle, Schleuser und Andere aber vermutlich neue Wege suchen, so dass der Effekt verpufft.

  • Kontrollen am Main und in Berliner Villenstadtteilen wären doch eine Idee, dass nicht jede undurchdachte Idee durchsuppt.



    Man muss seine Populismusversuche auch mal wieder runterschlucken können.



    Und dann die Schwester der organisierten, die Wirtschafts-Kriminalität anpacken.

  • Ganz allein aus populistischen Gründen fordert die Pseudopartei FDP die verlängerte Grenzkontrolle. Der legendäre Finanzmiister dieses Vereins verhindert qua Schuldenbremse die ausreichende Finanzierung des dafür notwendigen Personals. Von EU Bestimmungen braucht man gar nicht erst zu sprechen. Die Freiheit, für die diese Leute angeblich bei jeder Gelgenheit stehen, die muss freilich weichen wenn es um ausgeprägten Populismus geht. Man hofft auf ein paar Stimmen von rechts - das ist alles. Es ist erschütternd, was aus diesem (inzwischen) Haufen geworden ist. Für die zählt nichts, gar nichts ausser Macht und Profite.

  • Wenn selbst die Polizei gegen eine Verlängerung der Kontrollen ist, dann wird schon klar, dass es hier nur um Anbiederung an das rechte Milleu geht.

    • @CorinnaH24:

      Die Polizei ist nur eegen Personalmangel dagegen.



      Es wurfen in der Zeit 150 Schleuder verhaftet.

  • Einmal muss auch Nancy Fancy Recht haben.



    SCHENGEN IST EIN HOHES GUT

  • Einen größeren Effekt hätte es, wenn es eine Sozialleistungen für Nicht-EU-Ausländer geben würde.

    • @eicke81:

      Das mögen Sie bitte erläutern.

    • @eicke81:

      Lesen Sie doch zumindest ein, bitte, bevor Sie so etwas schreiben. Stichworte: Menschenrechte, Grundrechte, Karlsruhe-Urteile.

    • @eicke81:

      Das hat null Effekt und ist nur populistischer Rassismus. Die kommen um hier zu arbeiten, sich ein Leben aufzubauen und nicht um Sozialleistungen abzugreifen.

      • @Andreas J:

        Das wird ja immer einfach immer so behauptet während wir ja Vergleichswerte aus anderen europäischen Nachbarländern haben. Was denken Sie passierte nachdem unsere Nachbarländer Dänemark, Schweden und Co deutliche Einschnitte bei den Sozialleistungen vornahmen?



        Möglichkeit A es gab genauso viele Geflüchtete oder Möglichkeit B die Anzahl an Geflüchteten fiel um 80%?

        • @Šarru-kīnu:

          Ich habe eine Menge migrantischer Freunde und kenne auch viele Flüchtlinge. Die arbeiten oder Studieren alle, sofern sie denn dürfen. Dänemark und Schweden haben generell ihre Asylpolitik verschärft. Zu behaupten das es dort weniger Flüchtlinge gibt weil die Sozialleistungen gekürzt wurden, ist nur eine unbewiesene Behauptung ihrerseits. Fahren sie mal in die Länder aus denen die Menschen stammen. Die sind ein härteres Leben gewohnt, weniger Sozialleistungen schreckt nicht ab. Die wollen arbeiten und sich einbringen.

  • Gigantischer Aufwand und geringer Effekt, wohl wahr. Menschen in der Ukraine oder in Georgien etc. beneiden uns um die Reisefreiheit (für Waren und Menschen). Wir dürfen dieses Europa nicht den Nationalisten und Populisten überlassen.

    Grenzkontrollen darf es innerhalb der EU nicht mehr geben, sie sind Ausdruck einer rückschrittlichen und extremen Politik. Der Schengen-Raum ist einer der Grundpfeiler des europäischen Projekts. Reaktionäre Politiker dürfen diese Freiheit nicht in Frage stellen.