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FDP nach der Berlin-WahlEcht jetzt weiter so?

Die FDP verpasst den Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus. Trotz der Niederlage schließt Parteichef Lindner einen Kurswechsel aus.

Wählen wir neu: Das haben die FDP Wähler zu wörtlich genommen Foto: Chris Emil Janßen/imago

Berlin taz | Auf Christian Lindner wartet am Montag keine einfache Aufgabe. Im Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin stellt sich der FDP-Chef ans Rednerpult, daneben Sebastian Czaja, Spitzenkandidat der Berliner FDP. Aufrecht, aber übernächtigt stehen beide da. Lindner lobt den „engagierten Wahlkampf“ und stellt dann nüchtern fest: „Am Ende ist der Erfolg versagt geblieben.“ Czaja sagt: „Wir hatten andere Vorstellungen.“

Mit 4,6 Prozent verpassen die Berliner Liberalen den Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus, bei der letzten Wahl holten sie noch 7,1 Prozent. Schon wieder muss die Partei am Tag nach einer Landtagswahl vor die Kameras, um ihr Scheitern zu erklären. „Es war eine Frage der Konstellation, nicht jedoch des Spitzenkandidaten“, findet Lindner. Womit er wohl recht hat: Das Problem der FDP ist weitaus größer als der Berliner Spitzenkandidat. Es berührt das Innerste der Partei: Wofür steht die FDP in der Ampel?

Zur Erinnerung: Vergangenes Jahr verpasste die FDP zunächst im Saarland den Einzug in den Landtag, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen büßte sie ein und verlor ihre Regierungsbeteiligung, auch in Niedersachsen flog sie aus dem Landesparlament. „Die Zahlen sind sehr eindeutig“, räumt Lindner nach der Berlin-Wahl ein. Die meisten Stimmen verlor die FDP an die Union und an Nichtwähler*innen, also vor allem im konservativen Spek­trum.

Die Liberalen hätten „von der Wechselstimmung“ nicht profitieren können. Die Ampel ist ein regelrechtes „Abwrackprogramm für die FDP“, befand CSU-Generalsekretär Martin Huber noch am Wahlabend in der „Berliner Runde“. Auch der Unmut innerhalb der FDP wächst. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fordert, dass in der Ampelkoalition auf Bundesebene die „Handschrift der FDP“ deutlicher sichtbar sein müsse. FDP-Vize Wolfgang Kubicki wünscht sich mehr „FDP pur“.

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Mehr Krawall vorprogrammiert

Doch Lindner kündigt das Festhalten an der bisherigen Strategie an: Die Erfolge in der Krisenbewältigung will er besser kommunizieren, liberale Modernisierungsprojekte wie Digitalisierung, stabile Renten und Planungsbeschleunigung vorantreiben und dafür sorgen, dass das Land „Garant einer Politik der Mitte“ bleibt. Das solle sich „mittelfristig“ auszahlen.

„Eine Politik gegen das Auto“ sei zum Beispiel nicht im Interesse der Menschen. Zudem brauche es „eine ganzheitliche Migrationspolitik“, womit er meint: Fachkräfteeinwanderung ist erwünscht, Abschiebung aber auch.

Die Ampel kann sich also auf mehr Krawall einstellen. Das kann sich im gerade schwelenden Streit in der Koalition zeigen, ob Planungsbeschleunigung auch für den Bau neuer Straßen gelten sollte, oder auch in einer Neuauflage des Atomstreits. Grünen-Chefin Ricarda Lang betont am Montag, sie habe gehofft, dass „die FDP drinbleibt“. Und warnt die FDP nun sanft, wegen der verlorenen Berlin-Wahl in der Ampel „irgendwelche Schlachten“ anzuzetteln.

Man solle lieber die Erfolge der Ampel betonen. Auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken findet es „bedauerlich“, dass die Liberalen den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus verpasst haben. Gleichwohl hält sie, ähnlich wie Lang, nichts davon, sich gegenseitig vorzurechnen, „das haben wir, das habt ihr erreicht“. Wichtig sei es, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.

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17 Kommentare

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  • Die FDP spricht nuneinmal einen kleinen Teil der Bevölkerung an.



    Wie wir bei der Bundestagswahlanalyse gesehen haben sind das überwiegend jüngere Menschen die eine Leistungsorientierung haben.



    Grundsätzlich kann ich daran nichts schlechtes erkennen.

  • Lustig, die sind offensichtlich nicht in der Lage zu erkennen, dass sie nicht abgestraft werden weil sie zu wenig FDP Positionen durchsetzen, sondern weil sie in der Ampel so erfolgreich FDP Politik durchsetzen und das auch sehr deutlich so verkaufen. Die Leute wissen wem sie die Blockaden der Hilfen für Bürger und technischer Innovationen zum Klimaschutz in Kombination mit bedingungslos gegebenen gigantischen Summen für die Waffenindustrie zu "verdanken" haben, ehrlich sind sie, das muss man ihnen wirklich lassen...

  • Ich wunder mich, dass sich allenthalben darüber gewundert wird, wieso die FDP nur Niederlagen einfährt.



    Eine Partei, die so konsequent ihr Eintreten für die Besserverdiener hervorstellt, hat nun mal notgedrungen ein kleines Klientel. Wer den eigenen Dienstwagen-Dünkel dermaßen vor sich herträgt hat es nun mal schwer mit der Bevölkerungsmehrheit, die keine Dienstwagenprobleme hat... Bei der FDP ist dermaßen deutlich zu erkennen, dass deren Wahl bei vielen gegen die eigenen Interessen geht, das verwundert überhaupt nicht.



    Andere Parteien verstecken solche Widersprüche zwischen Wählerinteresse und Parteiinteresse geschickter.... die FDP kehrts nach außen. Ich möchte sagen zum Glück, dann wählt sie wenigstens keiner...

    • @nutzer:

      Sie begeben sich in trübes Gewässer. Die Frage des Bevölkerungsanteils einer Gruppe kann ja kaum für richtig oder falsch entscheidend sein oder?

      Es gibt weitaus kleinere Interessengruppen als Selbständige oder Besserverdiener, die sehr exponiert von Klientelpolitik profitieren - Transmenschen z.B.

      • @Chris McZott:

        Wieso? Wenn es nicht genügend Personen gibt, die meinen von der FDP vertreten zu werden, dann wird sie entsprechend wenig gewählt.



        Bei der FDP kommt hinzu, dass Sie ihren Standesdünkel besonders hervorkehrt, was es schwerer macht andere Wählerkreise zu erreichen als das eigene Klientel.



        Hinzukommt, dass auch unter den Dienstwagenfahrern, viele Menschen mit anderen politischen Ansichten sind... da gibt es ja auch kluge Menschen.

  • Die FDP ist immer abhängig von konservativen Wechselwählern. Sie ist dann stark, wenn die Union an der Macht ist und ihre Kernklientel enttäuscht. Wenn die Union in der Opposition ist, wollen diese Wähler ihre Stimme nicht an die FDP verschwenden und es bleibt nur der Sockel von Stammwählern, der schnell zu klein für eine sichere Überwindung der 5%-Hürde wird.

    Wenn Merz zur nächsten BTW als Kandidat der Union antritt, ist die FDP raus aus dem Bundestag, egal wie markig sie sich bis dahin positioniert. Der wird einfach das komplette Milieu für sich okkupieren das glaubt, der Kapitalismus werde ihnen irgendwann doch noch ihren Porsche vor die Tür stellen.

    Lindner weiß das auch alles, darum hat er sich ja nach der vorletzten Wahl vor der Verantwortung gedrückt. Aber zwei mal in Folge ging das eben nicht.

  • Aber klar...die Ampel ist Schuld..

    Vlt sollte die FDP sich mal klar machen: gegen die Realität kann man nicht regieren. Es gibt mittlerweile genügend Hinweise, daß die Bevölkerung in Sachen Klimaschutz weiter ist, als die meisten Politiker.



    Und da die FDP vor allem durch Blockade gegenüber dem wichtigsten Thema von allen - dem Klimathema..sowie einer üblen Ignoranz gegenüber allen die sich einen anderen Verkehr wünschen, auffällt, kann man wohl davon ausgehen, daß die FDP auch sämtliche kommenden Wahlen vergeigt.

    Die (heutige) FDP werden dann auch nicht allzu viele Menschen vermissen..

    Ich persönlich sehe darin sogar ein Symptom was auf das absehbare Ende des Neoliberalen Raubtierkapitalismus hindeutet..und das kann man wirklich nur begrüßen...

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Hoffentlich landet die Partei bald auf dem Müllhaufen der Geschichte.

  • Eigentlich schade, Lindner und der Berliner Spitzenkandidat Czaja sind fähige Politker, die aber nicht erkennen, dass konsequenter



    grüner und dgitaler Politik die Zukunft gehört und nicht Steuer-Klientelpolitik für einige wenige Reiche, die möglichst keine Steuern zahlen wollen.



    Eine grüne, sozialere und digital kompetente FDP könnte Wählerstimmen bei den Grünen, SPD und der CDU einfahren, hat aber mit Kubicki einen Politiker, der zurzeit komplett auf Blockade setzt.



    Sein Spruch "Robert kann sich gehackt legen!" zeigt, dass Kubicki mit blinden Bauchgefühl und nicht wie Lindner mit Verstand kämpft.

    Ist Lindner schlau genug, die FDP zu einer konsequenten grünen Partei zu wenden, die anderen Parteien Stimmen abjagt, weil sie auf Bahn, ÖPNV und erst dann aufs Auto setzt und dabei Unternehmen und Bürger in gleichen Teilen miteinbezieht?

    • @Lindenberg:

      Nun ja, da die FDP in den vielen grn regierten Bundesländern und Kommunen seit Jahrzehnten nicht das Sagen hat müsste es bei den dortigen Zuständigkeiten ja mächtig grün aussehen und der ÖPNV geradezu traumhaft ausgebaut sein .... 🤫

    • @Lindenberg:

      Absolut richtig. Teil des Problems ist aber auch, dass "Zukunftsfähigkeit" bei einem großen Teil der größten Wahlgruppe keine Rolle spielt: den Älteren.

      Die guten Wahlergebnisse bei den Jüngeren bringen der FDP insgesamt zu wenig, wenn die "Auto! Fleisch! Fliegen!"-Fraktion der Ü60-Jährigen kollektiv Union & SPD wählt.

      Die Grünen fangen dieses Problem durch die vielgescholtene breite Verankerung durch (zu viele) Kompromisse auf, wohingegen der FDP ein grüner "Markenkern" à la Klima/Umwelt fehlt: Man wüsste gar nicht, hinter was sich die FDP-ler versammeln könnten.

      Die in der Tat brennenden Themen "Digitalisierung, Bürokratieabbau & zukunftsfähige Rente" reichen jedenfalls nicht, und dadurch legt die Gesamtpartei auch keinen großen Fokus darauf und kämpft lieber erbittert für eine Verkehrspolitik aus den 1970er Jahren.

  • "Fachkräfteeinwanderung ist erwünscht, Abschiebung aber auch". Wenn alles nix hilft dann Rechtsruck. Macht das der Chef selbst oder ist das wieder ein Job für Kubicki?

  • „Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen“, sagte Lindner der „Bild am Sonntag“ und fügte hinzu: „Das ist eine Sache für Profis.“

    2019, zu Fridays for Future. Da stagniert die Lernkurve auch erheblich. Abwärtslinie, wenn wan sieht, wie sich die FDP gerade gegen Tempolimit und für Autobahnausbau verkämpft.

    Das ist eine Metapartei: wenig eigene Inhalte zum Was, in der Hauptsache eine Methode.

    Wenn es gut läuft kann sie Katalysator sein, wichtige Projekte ihrer Koalitionspartner so unzerstützen, dass Veränderungsprozesse leichter werden, ohne Zwang laufen.

    Wie in ihrer erfolgreichsten Zeit, Brandt/Scheel.

    So eine kleine Partei müsste glaubhaft machen, zeigen, dass mit ihr gesellschaftlich relevante Politik besser gelingt, egal ob konservative oder rot-grüne.

    Und Leute wie Lindner oder Kubicki mal aufhören, ihre Selbstdarstellung als Bremsschuh, Opposition gegen Rot-Grün zu inszenieren, statt dessen gemeinsame Erfolge bei der drängendsten Frage Klimaschutz auf den Weg bringen.

    Bei einem Tempolimit von 120 km/h können z.B. 6,7 Millionen Tonnen Co2 jährlich eingespart werden - wenn die Liberalen gegen Verbote sind, sollen sie einen Weg aufzeigen, wie z.B. über Anreize noch mehr im Verkehr eingespart werden kann (das Deutschlandticket für 29 € z.B.Statt es so auszugestalten, dass es nichts bringt is.gd/82Qs4P)

    Dann klappt's vielleicht auch wieder mit den Wähler*innen...

    • @ke1ner:

      "... sollen sie einen Weg aufzeigen, wie z.B. über Anreize noch mehr im Verkehr eingespart werden kann"

      Das zeigt die FDP doch auf: Ausbau des ÖPNV. Das ist auch die Hauptforderung all der anderen Parteien.

      Die verantwortlichen Kommunen kommen nur nicht in die Pötte. Selbst grün-rot-rot regierte Kommunen planen in einer Langsamkeit neuen ÖPNV, als wenn sich nichts geändert hätte.

  • "Die da oben" sind wohl doch nicht an Allem schuld.



    Es spricht für Lindner, dass er Kurs halten will.



    Die Erfolgreiche Arbeit der Ampel wird vielleicht auch mal bei den weniger Schnellen ankommen.



    Versorgungssicherheit Wärme und Strom wurde hergestellt.



    Die Unterstützung der Wirtschaft funkioniert, der Arbeitsmarkt ist stabil.



    Eine Rezession wird nur milde ausfallen, bleibt vielleicht völlig aus.



    Gesetzgeberische Vorraussetzungen für den regenerativen Ausbau wurden geschaffen.



    Die Zusammenarbeit mit demokratischen Partnern weltweit wurde intensiviert.



    Ich warte nur noch auf den Tag, an dem diese Bewertungen auch in den Medien verdeutlicht werden, dann kann auch die FDP, die Teil unserer Demokratie und Gesellschaft ist, wieder glänzen.



    Es ist vielleicht an der Zeit nach einem Jahr Ampel bashing die Lage, trotz aller Krisen, etwas objektiver zu bewerten.

    • @Philippo1000:

      Gesichert wurde vor allem eines, der Status quo.



      Für das Wohlgefühl jedes Einzelnen ist dies temporär sicher angenehm, jedoch wird die dringend notwendige Transformation verschleppt.

      Und für Lindner spricht nichts. Er und die FDP stehen für unaufhaltsames Wachstum besonders für die Wohlhabenden und für ein "Weiter so" mit PS, Energie- und Rohstoffverschwendung.

    • @Philippo1000:

      "Versorgungssicherheit Wärme und Strom wurde hergestellt.

      Die Unterstützung der Wirtschaft funkioniert, der Arbeitsmarkt ist stabil.

      Eine Rezession wird nur milde ausfallen, bleibt vielleicht völlig aus.

      Gesetzgeberische Vorraussetzungen für den regenerativen Ausbau wurden geschaffen.

      Die Zusammenarbeit mit demokratischen Partnern weltweit wurde intensiviert."

      Das sind ja alles nette Punkte, die Frage hier ist ja inwieweit ist das der FDP zu verdanken, oder hätte das auch ohne die FDP funktioniert....die erfolgreiche Arbeit der Ampel ist ja nicht unbedingt gleich die erfolgreiche Arbeit der FDP....bis jetzt habe ich eigentlich den Eindruck bekommen, dass die FDP gegen die Ampel arbeitet, ja diese sogar ausbremst und ein Großteil der Wähler scheint das genauso zu sehen...