piwik no script img

FDP-Vorschlag zu KlimaschutzMenschenhandel

Christian Dürr (FDP) schlägt vor, Klimaschutz-Gelder für Rücknahmen von Geflüchteten zu zahlen. Besser wäre, die FDP gegen Klimaschutz einzutauschen.

Was Christian Dürr hier vorschwebt, ist ein Tausch von Menschen gegen Geld Foto: Michael Kappeler/dpa

D ie FDP gilt ja als wesentliche Blockiererin im Kampf gegen die größte Krise unserer Zeit. Das Verkehrsministerium unter Volker Wissing verstößt seit Monaten trotzig gegen das Klimaschutzgesetz. Dem Verbrenner-Aus ab 2035 verweigert man sich, Autobahnausbau liebt man, und eine Friedrichstraße, die Fußgehende und Rad­fah­re­r*in­nen priorisiert, findet man unfrei. Auch ein Tempolimit, das laut einer neuen Studie des Umweltbundesamts deutlich mehr CO2 einsparen würde als bisher angenommen, lehnen die Liberalen weiterhin ab und fordern lieber Gefängnisstrafen für Klimaaktivist*innen.

Paradoxerweise will die FDP aber auch eine innovative Partei sein. Also nicht Blockade, sondern Fortschritt, Wachstum, Wohlstandserhalt für (fast) alle. Bei der FDP hat man durchaus Ideen, auch fürs Klima. Natürlich sind die nicht immer zu Ende gedacht und schaffen es manchmal nur knapp über eine Fünfprozenthürde. Aber auch ein erster Denkimpuls kann hilfreich sein, etwa einer wie der vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr.

Christian Dürr ist ein Mann der Gegenwart, sonst wäre er nicht FDP-Fraktionsvorsitzender. Und als solcher kennt er die drängendsten Herausforderungen der Zeit. Etwa: Wie halten wir die Klimakatastrophe auf? Und: Wie gehen wir mit großen Migrations- und Fluchtbewegungen um? Ein liberales Superhirn wie Christian Dürr denkt diese Fragen zusammen.

In der Bild-Zeitung schlug er am vergangenen Freitag vor: „Um Druck auf die Herkunftsländer auszuüben, könnten wir Rücknahmen zum Beispiel an Geld für den Klimaschutz koppeln. Wer seine Landsleute zurücknimmt, erhält im Gegenzug Unterstützung etwa bei der Produktion von klimaneutralen Kraftstoffen für Autos in Deutschland.“ Was Christian Dürr hier vorschwebt, ist ein Tausch von Menschen gegen Geld. Kurz: Menschenhandel.

Totalausfall

Nun darf man bei allem Entsetzen über so einen ethischen und übrigens auch klimapolitischen Totalausfall nicht vergessen, dass Dürr lange nicht der erste und einzige „Visionär“ in diesem Bereich ist. Sein Vorschlag ist zutiefst kolonial und baut auf eine Tradition ausbeutender Ökonomien auf, die Menschen als Ware sehen und als solche verscherbeln.

Das hat mit Sklavenhandel begonnen und zeigt sich heute noch in Form von Dumpinglöhnen und grausamen Arbeitsbedingungen in südasiatischen Fabriken oder auf europäischen Obstfeldern – oder eben in der durchaus verbreiteten Vorstellung, Asyl solle nur bekommen, wer eine gute Ausbildung genossen hat und auf dem inländischen Arbeitsmarkt verwertet werden kann. Menschenrechte sind aber auch im Vielzuspätkapitalismus nicht verhandelbar.

Trotzdem kann es nicht schaden, im Sinne der Innovation konstruktiv zu bleiben. Auch, weil es so drängt mit der Klimakrise. Denkt man also Dürrs Idee mit dem Tauschgeschäft konsequent weiter, stellt sich zwingend eine Frage: Könnten wir nicht die FDP gegen Klimaschutz eintauschen?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Die FDP ist eine Partei, die versucht, Umwelt- und Klimaschutz in der EU zu hintertreiben.

    Beispiel: Der Regenwald in Kamerun wird für Kautschukpflanzungen und Kautschuklieferungen (50%) in die EU zerstört. Dafür gibt es laut Medien-Recherchen (siehe Quelle unten) etliche Hinweise.



    EU-Konzerne, die das Kautschuk aus Kamerun kaufen, können das abstreiten, weil die Gesetzgebung für EU-Import-Lieferketten löchrig ist. Die EU will das mit einem Gesetz ändern.



    Doch die Industrie-Lobby versucht, das neue EU-Lieferkettengesetz zu hintertreiben.



    Vor allem FDP- Abgeordnete im Bundestag und der EU sind die Ansprechpartner der Lobby.

    FDP-Politiker, und vermutlich auch viele CDU-Politiker, vertreten die Interessen der europäischen Konzerne, damit es so wenig wie möglich gesetzlichen Umwelt- und Klimaschutz bei Importen in die EU gibt.

    Schadenersatzklagen von Indigenen für Umweltzerstörungen in Afrika, Brasilen, Asien wären bei einer korrumpierten EU-Gesetzgenbung massiv betroffen.

    Zitat

    Von Beobachtern in Brüssel und Berlin ist zu hören, dass vor allem die FDP sich in Deutschland für eine Aufweichung der EU-Richtlinie eingesetzt hat. CORRECTIV und Frontal liegen Weisungen der Bundesregierung und geheime Papiere vor, die Einblicke in die interne Abstimmung des Kabinetts ermöglichen und diesen Eindruck erhärten.

    Zita Ende

    Vollkommen unter ging in der Öffentlichkeit auch, dass die Bundesregierung aufgrund der Industrielobby versucht, in der EU Einfluss zu nehmen, damit die EU die Nichterreichung von Klimazielen in der neuen Gesetzgebung nicht sanktioniert. Wieder hat die FDP ihre Finger im Spiel.

    Gäbe es in Deutschland eine schlagkräftige Umwelt- und Klimabewegung müsste die Parteizentrale der FDP in Berlin jeden Tag mit zivilen Widerstand blockiert werden.



    Die Frage ist, was SPD und Grüne tun, um die Korrumpierung der neuen EU-Gesetze zu verhindern.

    Quelle:



    correctiv.org/aktu...ende-lieferketten/

  • Bei soviel Humanismus wird es einem warm ums Herz. Da braucht es keine Heizung mehr.

  • Gegenfrage: Sollen Flüchtlinge, welche keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, trotzdem einfach bleiben dürfen?



    Wenn das so ist, dann kommen bald 10 Millionen oder 100 Millionen. Können wir das dann überhaupt noch stemmen? Nein! Also so blöde ist der Vorschlag gar nicht und mit Menschenhandel hat es nichts zu tun, sonder mit Rücküberführung.

    • @Rudi Hamm:

      Die erste Welt, inklusive Deutschland, ist schuld am Klimawandel. Also ist es mehr als gerecht, wenn Deutschland von den Bewohnern einer Nation überrannt wird, welche am schlimmsten von Klimawandel betroffen sind.

    • @Rudi Hamm:

      Rücküberführung gegen Bares ist Menschenhandel. Mal davon abgesehen das diese Staaten am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben und am meisten darunter leiden. Deshalb hat der Weltklimarat ja auch die Entschädigungen für Dritte Welt-Länder beschlossen. Nun kommt die FDP und möchte Bedingungen machen. Das ist Erpressung und moralisch ein Griff ins Klo.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Meine Güte ...



    Immer wenn man denkt, schlimmer kann es mit dieser Koalition ja nicht mehr mehr kommen, packt eine der drei Parteien noch einen oben drauf.

    Zum Weltbild von Hr. Dürr: Wir haben ja gerade viel "Spaß" und viele negative Rückmeldungen von Ländern aus Afrika und Südamerika, die alle nicht das tun, was sich unsere (Regierungs)Politiker so wünschen.



    Gerade jetzt, wo zB Südafrika oder Brasilien Panzermunition für die Ukraine liefern sollen, zeigt sich, das die Ausbeutung durch den Westen, Ignoranz und fehlende Unterstützung (Corona-Impfstoff!!) der vergangenen Jahrzehnte tiefe Spuren hinterlassen haben. Und diese Länder sich offenbar ganz gut mit Russland und China verstehen. Wie empörend ... lol



    Und anstatt mal zu überlegen, wie wir die Beziehungen zum Afrikanischen Union oder Mega-Ländern wie Brasilien wieder verbessern können, kommt so ein menschenverachtender Vorschlag.



    Ich befürchte, der Vorschlag von Fr Hirse wird in Afrika, Südamerika und im Nahen Osten leider kaum auf Gegenliebe stoßen. Wer will schon solche Zyniker haben?

  • Ekelhaft! - Also natürlich der Vorschlag von Herrn Dürr, nicht der der Redakteurin. Diesen kann ich nur unterstützen. Und es gäbe noch mehr, wogegen man die FDP (und hier in Bayern auch die CSU) eintauschen könnte, zB gegen faire höhere Besteuerung auch der sehr Wohlhabenden, das Stopfen von Steuerschlupflöcher.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Ohne Klimaschutz wird alles Dürr.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Also ... Dürr(-ftig) ... eben.