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Extragebühr für Online-HändlerBarcelona plant „Amazon-Abgabe“

In der Hauptstadt Kataloniens sollen Online-Händler künftig eine Gebühr zahlen. Das soll auch ihren Vorteil gegenüber lokalen Geschäften ausgleichen.

Extragebühren auch in Deutschland? Amazon-Lieferfahrzeuge in Freiburg Foto: Winfried Rothermel/picture alliance

Madrid taz | In Barcelona muss der Online-Handel künftig eine Abgabe leisten. „Dass ein Päckchen, das 300 Gramm wiegt, von einem tonnenschweren Fahrzeug ausgeliefert wird, kann sich die Stadt nicht leisten“, erklärte der städtische Haushaltsbeauftragte Jordi Marti bei der Vorstellung des Vorhabens, das auch als „Amazon-Steuer“ bezeichnet wird.

Bürgermeisterin Ada Colau will die Stadt lebenswerter machen. Dazu gehört, Verursacher von Luftverschmutzung und Nutzer von öffentlichen Flächen in die Verantwortung zu nehmen. Im Vorfeld durchgeführte Studien haben ergeben, dass die 8.300 Stellplätze für das Be- und Entladen von Lieferwagen einen Wert von 2,6 Millionen Euro pro Jahr darstellen. Zugleich ist bekannt, dass im Großraum Barcelona jährlich rund 3.000 Menschen frühzeitig an den Folgen von dreckiger Luft sterben. Seit Jahren kämpft die Stadt damit, unter den Grenzwerten für Schadstoffe zu bleiben, ab denen die Europäische Union Bußgelder verhängt.

Der Stadtrat wird zwar erst im Februar 2023 über die Verordnung abstimmen. Eine Mehrheit gilt aber als sicher. Barcelona wäre damit die erste Stadt in Spanien, die eine solche Abgabe erhebt. Die Regierung in Madrid hat allen Großstädten empfohlen, die Lieferfirmen der großen Online-Händler zur Kasse zu bitten.

In Barcelona sollen alle Online-Geschäfte zahlen müssen, die Waren im Wert von mehr als 1 Million Euro direkt an die Endkunden zustellen. Die Lieferung der Ware an ein Abholzentrum wird nicht mit der Abgabe belegt. Die Kriterien treffen nach Angaben der Stadtverwaltung auf 26 Unternehmen zu. Zusammen nahmen diese zuletzt rund 200 Millionen Euro ein. Sobald die Verordnung gilt, werden sie 1,25 Prozent ihrer Gewinne abführen müssen. Amazon ist mit Abstand das größte Unternehmen, deshalb der Name „Amazon-Abgabe“.

Gewohnheiten ändern

Das Modell wird auch in anderen Ländern mit Interesse beobachtet. Denn Barcelona ist auch Pionier in Europa. Außerhalb der Union plant New York eine ähnliche Steuer.

„Die Abgabe zielt darauf ab, die Gewohnheiten zu ändern (…), zu erreichen, dass wir immer mehr zu Sammelstellen gehen und so vermeiden, dass die Stadt voller Lieferfahrzeuge ist, die den öffentlichen Raum besetzen und Staus und Umweltverschmutzung verursachen“, begründete der stellvertretende Bürgermeister Jaume Collboni, der für Wirtschaft ist, die Idee bei der Präsentation.

Dass der Online-Handel die Abgaben auf die Kunden abwälzen könnte, stört die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung nicht. Denn damit würde die Abgabe auch die lokalen Geschäfte unterstützen. „Wir wollen die steuerliche Gleichheit von lokalen Händlern und dem Online-Handel, der einen großen Marktanteil hält“, erklärt Collboni. Schließlich zahlten die traditionellen Geschäfte unter anderem Immobiliensteuer sowie Abgaben für Müll und Straßenreinigung, während die Zusteller bisher abgabenfrei ausgingen.

Die Stadtverwaltung hat die Abgabe drei Jahre lang vorbereitet. Eine von mehreren Universitäten durchgeführte Studie sollte für eine solide rechtliche Grundlage sorgen, um Klagen zu verhindern. Ob dies gelungen ist, muss sich zeigen. Die Verwaltung hatte im Vorfeld das Gespräch mit den Großen der Branche gesucht. Amazon und Co äußern sich derzeit nicht zu den Plänen.

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16 Kommentare

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  • Alle die jetzt Packerl zählen, und sich den Kaufrausch schön reden woillen:



    Amazon ist ein VERTEILzentrum. Das ganze Zeug muss ja, on demand!!! also einzeln- erst mal HINkommen. entweder liefern es die Händler, oder die Hersteller (90% aus China) dahin! Paket für Paket. Irgendwie scheoint man zu denken, das Zeug wächst in Amazonien, und muss nur weggeschickt werden. Von den Retouren will ich gar nicht mal reden.....

  • Null Umwelt-Effekt, eher das Gegenteil



    Ein DHL Fahrer liefert pro Tag ca. 130-200 Pakete aus (Quelle DHL) und fährt in der Stadt dabei 10-30km.

    Er fährt dies auch, wenn die Stadt extra Geld dafür verlangt, also ist der Umwelteffekt Null und es hilft nur der Stadtkasse.



    Noch schlimmer aber wird es, wenn er nicht mehr fährt und die 130-200 Pakete vom Kunden an den Paketstationen abgeholt werden, dann sind es plötzlich hunderte bis tausend PKW-km pro Tag.

    Die bessere Lösung wäre, dass in Ballungsräumen nur noch mit E-Fahrzeugen zugestellt werden darf (weniger Smog) und Lastenräder bevorzugt werden.

  • Gute Idee, aber wie sich bei Corona zur Überraschung von Niemanden mit Hirn gezeigt hat, sind das Problem in Barcelona die Massen an Flugzeugen und die riesigen Kreuzfahrtschiffe. Kaum dass die weg waren wurde die Luft schlagartig sauber, kaum dass sie wieder da waren wurde es schlagartig wieder dreckig. Aber da geht es ums große Geld, also nicht für die Bewohner natürlich, die haben davon gar nichts, aber für die Clique der Hafen- und Hotelbetreiber, die die Stadt in ihrem Sinne regieren lassen. In deutschen Städten hat sich trotz deutlich weniger Autoverkehr einfach mal gar nichts erwähnenswert an der Luftqualität geändert.

    • @Eva Kern:

      Die Luft wurde während Corona schlagartig sauber, eben weil der Autoverkehr komplett eingestellt wurde über die 2 Monate Totallockdown und auch danach extrem reduziert wurde, weil der Großteil fer Bevölkerung von zuhause arbeitete und es über viele Monate verboten war, die Stadt zu verlassen. Hinzu kommt die Bevölkerungsdichte, die grade in Barcelona die Luftverschmutzung durch Verkehr so extrem macht (im Vergleich Deutschlands bevölkerungsdichteste Stadt München kommt auf 4000 Einwohner/km², Barcelona 16000, also das 4-fache). Auch sind die meisten Kommentare hier natürlich aus dem deutschen "Autowahn" Kontext geschrieben ohne den lokalen Kontext zu kennen. Immer wieder lese ich von höherem Schaden, der entsteht, wenn statt Lieferdienst jeder selbst sein Paket abholt oder in den Einzelhandel fährt. (Fast) niemand benutzt sein Auto in Barcelona, um einkaufen zu fahren, geschweige denn ein Paket abzuholen, sondern öffentliche, Fahrrad oder geht zu Fuß. Hinzu kommt natürlich die soziale Komponente, die stark dafür spricht, den lokalen Einzelhandel gegenüber Multinationalen Firmen, die ihre Mitarbeiter ausbeuten, durch solche Maßnahmen zu unterstützen.

  • Merkwürdige Argumentation. In einem Lieferfahrzeug befindet sich ja nicht nur ein einziges 300-Gramm-Päckchen, sondern hunderte teils sehr schwere Pakete. Die Alternative wäre also, dass sich hunderte Kunden auf den Weg machen, um einzukaufen, im besten Fall mit dem ÖPNV, insbesondere bei schwereren Einkäufen und bei Waren, die es nur in weiter entfernten Läden gibt, auch mit dem Auto. Fraglich, ob das weniger CO2 verursacht.



    Leiden werden unter der Zusatzsteuer ältere, kranke oder behinderte Menschen mit wenig Geld, für die der Lieferservice eine Erleichterung darstellt, der auch mit weniger Risiken, was Infektionskrankheiten angeht, wie COVID oder Grippe verbunden ist.



    Wie wäre es mit Elektrolieferfahrzeuge und ausreichend viele, tagsüber für Lieferfahrzeuge reservierte Parkplätze, damit es nicht zu Staus kommt und die Paketboten nicht notgedrungen gezwungen sind zu halten, wo dies verboten ist.

    • @vulkansturm:

      "Wie wäre es mit Elektrolieferfahrzeuge und ausreichend viele, tagsüber für Lieferfahrzeuge reservierte Parkplätze, damit es nicht zu Staus kommt ..."

      Was wollen Sie für die Lieferwagenplätze beseitigen?



      Wohngebäude? Rad-und Fußwege? Grünflächen?



      Das Problem ist einerseits der Energieverbrauch durch die vielen Lieferdienste (jeder fährt jede Straße) und andererseits der Flächenverbrauch (viele Fahrzeuge beanspruchen viel Platz) Hinzu kommt, dass die Geschäfte in den Innenstädten aufgeben müssen, wenn Hinz und Kunz im Internet bestellt.

    • @vulkansturm:

      Und wie kommen die 300 Gramm Pakete ZU Amazon hin?

    • @vulkansturm:

      Schließe mich an.

      Wie kann es sein, dass Abholen (also jeder fährt mit den eigenen vier Rädern) gegenüber Zustellen (einer fährt nach und nach alle an) bevorzugt wird ?

      Ich halte das Umweltargument also für vorgeschoben.

      Allerdings finde ich die Abgabe in der Sache gut.

  • Der Kurs von Amazon ist kräftig gefallen!



    Allerdings ist es ein Unternehmen, dass tatsächlich mit seinen Leistungen funktioniert.



    Wieso ist Otto - der zweitgrößte Online-Händler in Europa? nicht ebens dran?

    • @Herry Kane:

      Vielleicht muss Otto anständige Löhne zahlen , in Deutschland Steuern zahlen und sich an die Arbeitsschutzgesetze halten?

    • @Herry Kane:

      "Die Kriterien treffen nach Angaben der Stadtverwaltung auf 26 Unternehmen zu."

      Eventuell da drin versteckt?

      Abgesehen davon redet der Artikel über Versandhändler, welche "direkt an die Endkunden zustellen." Tut das Otto? Oder nutzen die GLS/DHL/Hermes/UPS & Co.?

      Abgesehen davon, fände ich es generell angebracht Onlinehandel stärker zu besteuern. Aber das wird mit den Lobbies & Parteien hier in DE wohl ohnehin nicht passieren

  • „Dass ein Päckchen, das 300 Gramm wiegt, von einem tonnenschweren Fahrzeug ausgeliefert wird" ist schlicht Blödsinn, weil mit dem Fahrzeug auch etliche weitere Bestellungen ausgeliefert werden. Dagegen werden Waren, sie in Läden verkauft werden, erst mit Lieferfahrzeugen in diese Läden gebracht und dann oft mit den Privstfahrzeugen der Kundrn nach Hause. Stationärer Einzelhsndel produziert mehr Veekehr, nicht weniger.

    • @Ruediger:

      Die An- und Abreise der Kunden wird für sowas nicht gezählt, weil nicht gesagt ist ob mit Auto, zu Fuß, mit ÖPVN. Wie viele Läden insgesamt besucht wurden? Mit wie vielen Leuten.

      De facto, die stumpfe Annahme, dass Kunden oft einen Laden mit Auto besuchen in einer Millionenstadt wie Barcelona sagt schon viel über das eigene Verhalten aus.

      Abgesehen davon hat ein Zustellwagen irgendwas zw. 50-200 Stopps pro Arbeitstag. Das ist deutlich mehr Abgas als wenn man 1 Stopp pro Laden bedenkt.

      "Verursacher von Luftverschmutzung und Nutzer von öffentlichen Flächen in die Verantwortung zu nehmen"

      Steht im Artikel.

      • @Shasu:

        "De facto, die stumpfe Annahme, dass Kunden oft einen Laden mit Auto besuchen in einer Millionenstadt wie Barcelona sagt schon viel über das eigene Verhalten aus."



        Ich habe gar kein Auto, was unter anderem deswegen gut geht, weil ich mir Sachen liefern lassen kann. Insgesamt ist die Ökobilanz des Versandhandels sicher nicht schlechter als die des stationären Einzelhandels, es ist nun mal so, dass viele Menschen sonst mit dem Auto einkaufen würden, dadurch auch der ÖPNV entlastet wird und viele gar kein Auto und die Flächen dafür brauchen. Dazu kommt noch der Ebergie- und Flächenbedarf von Einzelhandelsgeschäften, der durch den Onlinehandel reduziert wird.

        In Wirklichkeit geht es bei solchen Maßnahmen darum, die vorhandenen Strukturen und die Einzelhändler zu schützen.

        • @Ruediger:

          "Ich habe gar kein Auto"

          Gut, dann sind wir schon zwei.

          Was der Artikel nicht wirklich erwähnt, was aber wichtig ist zu wissen, ist die konzeptionelle Verkehrswende in Barcelona. In der Stadt ist man dazu übergangen schrittweise "grüne, verkehrsfreie Zonen" innerhalb des Stadtgebietes zu schaffen.

          Da passt diese Maßnahme hier ins Gesamtkonzept und zielt nicht vorwiegend darauf die vorhandenen Strukturen zu schützen, was man allgemein anmerken könnte, wenn es eine alleinstehende Maßnahme wäre.

          Mein Problem mit dem Versandhandel, abgesehen vom Umweltaspekt, ist die Steuerflucht, wie sie gerne betrieben wird, und die miserablen Arbeitsbedingungen bei vielen Onlinehändlern. Wenn man sich die Sachen liefern lassen will, dann soll man für diese Dienstleistung auch entsprechend bezahlen. Ansonsten werden Menschen wie Arbeitssklaven behandelt um die günstigen Preise zu erzielen, siehe Amazon. Und dass der Staat vom Onlinehandel den gleichen Obulus verlangt wie vom stationären Handel ist nur gerecht und fair. Und im Interesse der Gemeinschaft.

          • @Shasu:

            Wenn man allgemein autofreie Zonen schafft und diese auch für Lieferanten von Geschäften und Onlinehandel gilt, wozu braucht man dann eine Extragebühr?

            Ich weiß ja nicht wie das in Spanien ist, aber in Deutschland zahlt der stationäre Einzelhandel auch nicht gerade üppige Gehälter (Aushilfen auf Mindestlohn, unbezahlte Überstunden nach Geschäftsschluss), wird aber zum Teil massiv subventioniert (Karstadt), was auch nicht besser ist, als keine Steuern zu bezahlen. Abgesehen davon ist das nichts, dass man über Verkehrsgebühren regeln kann