Evangelische Akademie Bad Boll: Nahostkonferenz in der Kritik
Auf einer Tagung zum Nahostkonflikt sprechen mehrere BDS-Unterstützer. Der Antisemitismusbeauftragte der Regierung fordert die Absage.
„Aber wenn dabei antisemitische Narrative verwendet werden, sollte das unseren Widerstand hervorrufen.“ Die Akademie-Leitung hält trotz der scharfen Kritik an der Tagung fest. Die Akademie „identifiziere sich mitnichten mit der BDS-Kampagne“, betonte der Direktor der Akademie Bad Boll, Jörg Hübner im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Allerdings räumte er ein, dass einige der eingeladenen Referenten der BDS „sicherlich nahe stehen.“ Dass der Eindruck der Einseitigkeit entstanden sei, bedauere er sehr.
An der Tagung nimmt niemand mit einer dezidiert proisraelischen Position teil. Lediglich der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung wird dort seine Ablehnung der Boykottkampagne begründen.
Die BDS-Bewegung fordert einen vollständigen wirtschaftlichen, kulturellen und akademischen Boykott Israels. Zudem vergleicht sie den demokratischen Staat Israel mit dem ehemaligen rassistischen Apartheidsregime Südafrikas.
Auf der Konferenz in Bad Boll spricht unter anderem die ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete Annette Groth. Groth unterstützt offen die BDS-Kampagne, nahm an einem Fraktionsbeschluss gegen Antisemitismus im Jahr 2011 nicht teil und lud 2014 antizionistische Journalisten in den Bundestag ein, die den damaligen Linken-Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi auf die Toilette verfolgten. Auch die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz referiert auf der Konferenz.
Landeskirche fordert Verschiebung
Buchholz blieb am Holocaust-Gedenktag 2010 nach einer Bundestagsrede des damaligen israelischen Präsidenten Schimon Peres gemeinsam mit drei weiteren Linken-Abgeordneten sitzen, als sich alle anderen erhoben. 2006 erklärte sie ihre Solidarität mit der libanesischen Terrororganisation Hisbollah.
Weitere Referenten sind beispielsweise der Verleger Abraham Melzer, den Knobloch 2016 als „für seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt“ bezeichnete sowie die Nahostkommission der katholischen Friedensorganisation Pax Christi. Diese hatte im Jahr 2012 die antiisraelische Boykottaktion „Besatzung schmeckt bitter“ organisiert.
Die Evangelische Landeskirche in Württemberg, die hinter der veranstaltenden Akademie steht, hat mittlerweile auf die Kritik reagiert. Landesbischof Frank Otfried July sagte der taz während einer Libanon-Reise, dass er das Ansinnen und Vorgehen der BDS-Bewegung ablehnt. In einem Statement auf der Homepage der Landeskirche fordert er gegenüber der Akademie „eine breitere Aufstellung der Diskussionsteilnehmer“ und rät „unter den aktuellen Bedingungen zu einer Verschiebung.“ Weiter heißt es dort: „Die Kirchenleitung respektiert die Autonomie der Evangelischen Akademie, wird aber mit Kuratorium und Akademievorstand ins Gespräch gehen.“
Auch das American Jewish Committee (AJC) hatte sich zuvor mit einem Brief an den Landesbischof gewandt, der der taz vorliegt. „Die BDS-Kampagne agiert mit dem selbsterklärten Ziel, Israel als jüdischen Staat und Israelis weltweit zu delegitimieren“, heißt es darin. Im Gespräch mit der taz begrüßt die Direktorin des AJC Berlin, Deidre Berger, die Erklärung des Bischofs July, fordert aber weitere Schritte. „Nun erwarten wir glaubhafte Schritte der gesamten evangelischen Kirche. Solch eine anti-israelische Veranstaltung darf sich nicht wiederholen.“ Die Tagung sei eine „reine Propaganda-Plattform für Israelgegner und radikale Stimmungsmacher“ und mache so keine konstruktive Diskussion möglich.
NRW-Landtag bezeichnet BDS als antisemitisch
Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen, Jamila Schäfer, kritisierte die Veranstaltung am Freitagnachmittag scharf. „Beschämend, dass die Evangelische Akademie Bad Boll eine Konferenz mit der israelfeindlichen und antisemitischen BDS-Bewegung veranstalten will. Die Kirchen müssen unmissverständlich Stellung gegen Antisemitismus beziehen!“, forderte sie auf Twitter.
Die Städte Frankfurt am Main, München und Berlin bezeichnen die BDS-Kampagne ebenfalls als antisemitisch und haben entsprechende Resolutionen beschlossen. BDS-unterstützenden Gruppen dürfen dort keine städtischen Räumlichkeiten mehr zur Verfügung gestellt werden, finanzielle Unterstützung .
Am Donnerstag verurteilte der nordrhein-westfälische Landtag in einem fraktionsübergreifenden Antrag von CDU, FDP, SPD und Grünen die Boykottkampagne. „Die BDS-Bewegung ist in ihren Methoden und Zielen nicht nur antiisraelisch, sondern klar antisemitisch“, heißt es darin. Der Aufruf zum Boykott von israelischen Waren, Unternehmen, Wissenschaftlern oder Künstlern sei klar und deutlich zu verurteilen.
In einer früheren Version des Textes wurde der Nakba-Ausstellung des Vereins „Flüchtlingskinder im Libanon“ vorgeworfen, sie würde keine Informationen zur Vertreibung arabischer Juden und keine Informationen zum arabischen Krieg gegen Israel nach der Staatsgründung enthalten. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen