Erster Parteitag beim BSW: Wohlfühl-Oase für Altlinke
Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ setzt programmatisch auf Nostalgie und ignoriert Probleme wie die Klimakrise. Trotzdem ist es gut, dass es die neue Partei gibt.
W eder „links“ noch „rechts“ will Wagenknechts neue Partei sein, und erst recht keine „Linke 2.0.“, sagt deren Namensgeberin und Spitzenfrau. Doch wie ihr erster Parteitag in Berlin jetzt gezeigt hat, ist das neue „Bündnis Sahra Wagenknecht“ genau das: „eine Linke 2.0.“. Oder besser: Eine Nostalgie-Linke, die sich nicht mit neumodischem Gender-, Migrations- oder Klima-Kram beschäftigen will. Das zeigt sich an ihrem Kernpersonal, das bisher ganz überwiegend aus ehemaligen Mitgliedern der Linkspartei besteht. Das zeigte sich auch an den Themen, die auf dem straff organisierten Parteitag im Zentrum standen. Und es zeigte sich auch daran, wie diszipliniert strittige Fragen, Widersprüche und Differenzen ausgeklammert wurden. Es war eine Wohlfühl-Oase für ergraute Altlinke.
So sympathisch die Sehnsucht nach der sozialdemokratischen Friedens- und Sozialpolitik der 70er-Jahre ist, auf die sich Oskar Lafontaine ausdrücklich beruft – es ist fraglich, ob das reicht, um den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen. Und so verständlich der Wunsch nach einer Rückkehr zur Übersichtlichkeit des Nationalstaats ist – er hilft nicht, sich in einer globalen Welt zurechtzufinden. Wie soll Deutschland zwischen Russland und den USA eine eigenständige Rolle finden, wenn die EU zu Gunsten starker Einzelstaaten mit je eigenen nationalen Interessen geschwächt wird? Kann es Deutschland auch alleine? Unklar ist auch, wie man dem Arbeitskräftemangel begegnen und den Sozialstaat finanzieren will, wenn die Migration begrenzt werden soll. Die Erderwärmung mit ihren dramatischen Folgen wird schlicht verdrängt: Der Verbrennermotor läuft einfach weiter und die Gasheizung bleibt drin.
Im Kampf gegen Rechts folgt das Wagenknecht-Bündnis einer falschen Analyse. Es glaubt, die Wählerinnen und Wähler würden von den Rechtsextremisten lediglich verführt. Ihre Wut habe berechtigte ökonomische Gründe, weshalb man ihr mit „Brot-und-Butter-Themen“ begegnen will. Dahinter steht die marxistische Idee vom „falschen Bewusstsein“. Sie verkennt, dass Menschen auch bewusst gegen ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen votieren, wenn sie sich von einer Idee angesprochen fühlen. Die rechte Idee, Alteingesessene gegenüber Einwanderern zu bevorzugen, ist für viele autochthone Deutsche attraktiv. Viele von ihnen wollen Migranten und anderen Minderheiten schlicht nicht auf Augenhöhe begegnen und gleiche Rechte einräumen. Für diese Ideologie der Ungleichheit steht die AfD. Aber für Rassismus-Theorien interessiert sich Wagenknecht nicht.
Es ist unwahrscheinlich, dass ihr Bündnis die AfD mit diesem Ansatz schwächen wird. Vielmehr wird es vor allem enttäuschte Linke- und SPD-Wähler anziehen. Dennoch ist es gut, dass es die neue Partei gibt. Sie stellt einige berechtigte Fragen – auch wenn sie wenig zeitgemäße Antworten hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag