Ermittlungen gegen Peng! Kollektiv: Mal 'ne coole Deutschlandkarte
Einschüchtern von Linken wird zum Event gemacht. Das zeigen Repressionen gegen die Künstler_innenkollektive Peng! und Zoff – wegen einer Online-Karte.
E rinnert sich noch wer an den Sommer 2020, als nach dem Mord am US-Amerikaner George Floyd global die Black-Lives-Matter-Proteste erneut aufflammten? Ich hoffe es sehr, denn damals zeigten sich auf sozialen Medien immerhin sehr viele nicht-Schwarze Personen betroffen und sogar engagiert.
Auch außerhalb der USA gingen Zehntausende auf die Straßen. Neben Demonstrationen kam es auch zu radikaleren Formen des Protests, in Minneapolis zündete jemand ein Polizeirevier an, und andernorts stolperten Kolonialdenkmäler ins Wasser. Wahrscheinlich ist es eben diesen Protestformen geschuldet, dass für rassistische Polizeigewalt plötzlich endlich eine breite Aufmerksamkeit da war.
Doch auch in Deutschland blieb die Protestwelle nicht nur beim Posten schwarzer Kacheln auf Instagram. Besonders nennenswert ist die interaktive Karte auf tearthisdown.com, eine künstlerische Intervention der Initiative Schwarze Menschen, dem Peng! Kollektiv, dem Zoff Kollektiv und Swoosh Lieu. Zu sehen gibt es auf der Website eine Deutschlandkarte, auf der koloniale Namen im öffentlichen Raum gekennzeichnet sind. Straßennamen zum Beispiel. Ein Blick auf diese Karte verdeutlicht: Deutschland hat eine Kolonialgeschichte, und sie ist vor lauter Glorifizierung schwer zu übersehen.
Gefährlichere Deutschlandkarten gäbe es
Für die Staatsanwaltschaft ist die Thematisierung dieser Verbrechen offensichtlich schlimmer als die Verbrechen selbst. So fanden am 15. Juli Razzien in Privatwohnungen und Büroräumen des Peng! Kollektivs und Zoff Kollektiv statt, als hätten sie einen Terroranschlag geplant. Was für eine Gefahr soll schon von einer Deutschlandkarte ausgehen? Schließlich handelt es sich nicht etwa um eine Auflistung von Geflüchtetenunterkünften, wie sie vor einigen Jahren von einer rechten Partei veröffentlicht wurde, oder um eine Liste mit personenbezogenen Daten linker Personen, in denen sie zum Schuss freigegeben werden.
Manche Deutschlandkarten sind antidemokratische Brandsätze, diese aber nicht. Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Begleittext zur Aktion trotzdem eine Aufforderung zu Straftaten. Die unverhältnismäßige Repression ist zwar absurd, jedoch nicht überraschend in dem Land der Nazi-Positivität.
Das zeigte auch die Verhaftung der Antifaschistin Lina oder die Räumung der Liebig34 in den vergangenen Monaten: Die Einschüchterung von Linken wird zum Event gemacht. Dass es diesmal Aktionskünstler_innen trifft, stellt eine Zäsur da: Denn dass das Projekt von der Kunstfreiheit gedeckt ist, dürfte klar sein. Doch als Anlass, einen Einblick in linke Netzwerke zu erlangen und ein Exempel zu statuieren, reicht es allemal. Und es zeigt, dass antirassistischer Protest hier so bedrohlich zu sein scheint, dass er kriminalisiert wird. Ob der Fall weitere, explizit deutsche BLM-Proteste anschiebt und vielleicht antirassistische und weiße linke Aktivist_innen enger zusammenschweißt? Inschallah.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“