Erinnerung an die Sklaverei: Wiedergutmachung im Fokus
Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es offensive Forderungen nach Reparationen für die historische Sklaverei. Die Debatte wird global lauter.
Weltweit wird die Debatte über Aufarbeitung des transatlantischen Sklavenhandels und Reparationszahlungen lauter. Erst Mitte April forderten Menschen afrikanischer Abstammung während eines Forums der Vereinten Nationen zusätzliche Mittel für die Wiedergutmachung der Folgen des transatlantischen Sklavenhandels
Mehr Aufmerksamkeit hat vergangenes Jahr Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo erhalten. Vor den Vereinten Nationen betonte der 80-Jährige, kein Geldbetrag würde jemals die Schrecken des transatlantischen Sklavenhandels und der jahrhundertelangen kolonialen Ausbeutung wettmachen. Aber Entschädigungszahlungen würden deutlich machen, dass „Böses begangen wurde, dass Millionen produktiver Afrikaner der Arme unseres Kontinents entrissen und in Amerika und der Karibik ohne Entschädigung zur Arbeit gezwungen wurden“.
Akufo-Addo hat deshalb Europa und die USA aufgefordert, endlich anzuerkennen, dass sich der enorme Reichtum, den sie genießen, auf Schweiß und Tränen des afrikanischen Kontinents stützt. Bevor allerdings die Debatte um Reparationszahlungen beginne, verdiene der ganze Kontinent eine formelle Entschuldigung von Europa und allen anderen beteiligten Nationen.
In einer gemeinsamen Erklärung hatten die Europäische Union und der Karibikstaatenbund Celac vergangenes Jahr erstmals anerkannt, dass der Sklavenhandel ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ darstelle. Was daraus folgt, blieb allerdings hoffen. Ein Ausschuss des EU-Parlaments empfahl Ende 2023 die Einrichtung eines ständigen EU-Forums, um über „Maßnahmen restaurativer Gerechtigkeit“ zu beraten. Der niederländische König Willem-Alexander bat vergangenes Jahr um Verzeihung für das Unrecht, das Hunderttausende Menschen durch die Sklaverei erlitten haben. In Großbritannien haben Nachfahren von Sklavenhändlern teilweise eigene Initiativen ergriffen, um Wiedergutmachung zu leisten.
Weiter ist die Debatte in den USA, wo bis heute Millionen von Nachfahren ehemaliger Sklaven leben. Bereits im Jahr 2020 hatte der US-Bundesstaat Kalifornien als Erster eine „Reparation Task Force“ eingesetzt, um Fragen zur Wiedergutmachung zu beraten. In dem nun veröffentlichten Bericht heißt es, dass die Sklaverei bis heute Spuren in den USA hinterlassen habe – wie etwa das große Wohlstandsgefälle. Empfohlen werden in dem Bericht laut New York Times Zahlungen in Höhe von insgesamt bis zu 800 Milliarden US-Dollar an Kalifornier:innen, die Nachkommen versklavter Afroamerikaner oder freier Schwarzer sind, die vor dem Ende des 19. Jahrhunderts in den USA lebten. Mittlerweile berät das Landesparlament zwar über verschiedene Vorschläge, nicht jedoch über direkte Zahlungen.
Dieser Artikel wurde möglich durch die finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V. Sie können den Recherchefonds durch eine Spende oder Mitgliedschaft fördern.
Bisher aber weltweit kaum debattiert wird die Rolle afrikanischer Herrscher während der Zeit des Sklavenhandels. Die Ashanti – das frühere Reich liegt im heutigen Ghana – tauschten ab dem 18. Jahrhundert versklavte Menschen gegen Schusswaffen ein, die für Kriege in der Region genutzt wurden. Auch Sklaven im einstigen Königreich Dahomey, das rund 20 Prozent der Staatsfläche des heutigen Benin ausmacht, wurden gegen Waffen eingetauscht oder mussten Zwangsarbeit in der Landwirtschaft leisten. Die Sklav:innen gehörten häufig anderen ethnischen Gruppen an und waren bei Auseinandersetzungen gefangen genommen worden. Vor 20 Jahren schrieb die ghanaische Historikerin Akosua Perbi, dass der transatlantische Sklavenhandel damals den indigenen Sklavenhandel nicht verdrängt habe. Beide Systeme hätten nebeneinander existiert und sich gegenseitig gestützt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen