Erdgas-Pipelines in der Ostsee: EU droht mit Sanktionen wegen Lecks

Der Verdacht, dass Sabotage für die Lecks an den Nord Stream-Pipelines verantwortlich ist, wird immer größer. Steckt Russland dahinter?

Ein großer weißer Fleck in der Ostsee

So sieht das Leck aus: Ausströmendes Gas verursacht einen großen Fleck in der Ostsee Foto: ap

KOPENHAGEN/BRÜSSEL (afp/dpa) | Die Europäische Union hält Sabotage als Ursache für die Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 für wahrscheinlich und hat mit Gegenmaßnahmen gedroht. „Alle verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass diese Lecks das Ergebnis einer vorsätzlichen Handlung sind“, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch im Namen der 27 Mitgliedstaaten. Jede vorsätzliche Störung der europäischen Energieinfrastruktur werde „mit einer robusten und gemeinsamen Reaktion beantwortet werden“.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte am Dienstagabend, sie habe mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen über „den Sabotageakt“ gesprochen. Frederiksen sagte, die Lecks seien durch „vorsätzliche Handlungen“ und nicht durch einen Unfall entstanden. Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson berichtete von „Detonationen“.

Aus den Pipelines Nord Stream 1 und 2 von Russland nach Deutschland tritt seit Montag an drei Stellen in dänischen und schwedischen Hoheitsgewässern in der Nähe der dänischen Insel Bornholm Gas aus. Die dänische Marine veröffentlichte Aufnahmen, auf denen eine großflächige Blasenbildung an der Meeresoberfläche zu sehen ist.

Zu einer möglichen Ursache der Lecks lagen von offizieller Seite zunächst keine Angaben vor. Vermutet wird aber ein Sabotageakt. Frederiksen sagte, die klare Meinung der dänischen Behörden sei, dass es sich nicht um einen Unfall handele. Zu möglichen Verursachern äußerte sie sich nicht. Energie- und Klimaminister Dan Jörgensen sagte, die Löcher, durch die das Gas austritt, seien „zu groß“, um eine zufällige Ursache zu haben.

CIA hatte gewarnt

Die Leitungen von Nord Stream 1 und 2 sind derzeit zwar nicht in Betrieb, aber mit Gas gefüllt. Kopenhagen gehe davon aus, dass es noch „mindestens eine Woche“ dauern werde, bis das aus den Leitungen austretende Methan aufgebraucht sei, sagte Jörgensen.

Schwedens Ministerpräsidentin Andersson sagte, es habe in der Ostsee „Detonationen“ gegeben. Ihre Außenministerin Ann Linde sagte aber, sie wolle nicht „über Motive oder Täter spekulieren“.

Von der Leyen erklärte auf Twitter, es sei nun von größter Bedeutung, die Vorfälle zu untersuchen, um „vollständige Klarheit“ über die Geschehnisse und den Hintergrund zu erhalten. Jede absichtliche Unterbrechung der europäischen Energieinfrastruktur sei „inakzeptabel und wird zu der stärksten möglichen Reaktion führen“, warnte sie.

Auch die US-Regierung geht Berichten nach, denen zufolge die Lecks „das Ergebnis eines Angriffs oder einer Art Sabotage“ sind, wie Außenminister Antony Blinken sagte. Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte, Washington unterstütze Forderungen nach einer Untersuchung und werde sich weiter dafür einsetzen, „Europas Energiesicherheit zu gewährleisten“.

Der US-Geheimdienst CIA hatte die Bundesregierung einem Medienbericht zufolge schon vor Wochen vor möglichen Anschlägen auf Gas-Pipelines in der Ostsee gewarnt. Ein solcher Hinweis des US-Auslandsgeheimdienstes sei im Sommer in Berlin eingegangen, berichtete der Spiegel unter Berufung auf „mit dem Sachverhalt vertrauten Personen“. Die CIA reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur AFP.

Die Betreiberfirma Nord Stream kündigte eine Untersuchung an, um in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden die Schäden festzustellen und die Ursachen des Vorfalls zu klären. Derzeit sei nicht abzuschätzen, wie lange es dauern werde, die Pipelines zu reparieren.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sprach von einem „Sabotageakt“, bei dem es sich „wahrscheinlich um die nächste Eskalationsstufe“ im Ukraine-Konflikt handele.

Russland unter Verdacht

Der norwegische Militärwissenschaftler und Marineoffizier Tor Ivar Strömmen sagte afp, für ihn komme nur Russland als Verantwortlicher in Frage. „Lecks an Gaspipelines sind extrem selten“, sagte Strömmen. Die Nord-Stream-Leitungen seien zudem recht neu, im Fall von Nord Stream 2 sogar sehr neu. Da bleibe eigentlich nur Sabotage als Erklärung. „Ich sehe nur einen möglichen Akteur und das ist Russland“, führte der Offizier aus.

Die Ukraine wurde erwartungsgemäß noch deutlicher: „Das großflächige ‚Gasleck‘ an Nord Stream 1 ist nichts anderes als ein von Russland geplanter Terroranschlag und ein Akt der Aggression gegenüber der EU“, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak auf Twitter.

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter geht davon aus, dass die Lecks auf einen Sabotageakt Russlands zurückzuführen sind. Er gehe von einem „gezielten staatlich veranlassten Sabotageakt“ aus, sagte Kiesewetter den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Mittwoch. Es sei „wahrscheinlich“, dass Russland auf diese Weise versuche „Verunsicherung in der europäischen Bevölkerung zu schüren“ und auf seine Bedrohungsmöglichkeiten „durch den Angriff auf kritische Infrastruktur“ hinweisen wolle.

Dass die Nord-Stream Pipelines als Werkzeug und Energie als Waffe gegen uns eingesetzt werden, habe Russland bereits in der Vergangenheit gezeigt, sagte Kiesewetter, der Fachsprecher für Krisenprävention der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist. „Deshalb würde ein solcher Sabotageakt auch zu der von Staatsterrorismus geprägten und hybriden Vorgehensweise Russlands passen.“

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