Erderwärmung und Donald Trump: Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Das Milliardenprojekt Klimarettung ist mit der Wiederwahl Donald Trumps gescheitert. Ist unser Geld in Armutsbekämpfung besser investiert?
D ie Wiederwahl von Donald Trump birgt unbedachte Folgen. Europa verfolgt bislang eine Klimapolitik, die auf zwei Säulen ruht. Erstens Klimagerechtigkeit, also nicht mehr Emissionen zu verursachen, als im globalen Vergleich gerechtfertigt. Das bemisst sich zum Beispiel an den Emissionen pro Kopf. Zweitens und noch wichtiger, global die Pariser Klimaziele einzuhalten, um Kipppunkte im Klimasystem zu vermeiden, die den Klimawandel unaufhaltsam machen könnten. Denn letztlich nützt es wenig, gerecht zu sein, wenn die anderen Staaten nicht mitziehen
Trotz Widerständen verfolgt Europa, besonders Deutschland, diese Ziele. Die Klimapolitik zielt darauf ab, die eigenen Anteile zu reduzieren und noch größere Emittenten zu beeinflussen, etwa durch die Energiewende. Politisch soll die Vorreiterrolle Deutschlands in diesem Bereich andere Staaten motivieren, sich anzuschließen.
Technologisch sollen ärmere Länder von Innovationen profitieren, um fossile Entwicklungsstufen zu überspringen. Wie dereinst China von der deutschen Entwicklung der Solarenergie profitierte, sollten andere Nationen ebenfalls von deutscher Wasserstofftechnologie profitieren. Ein Problem bleibt das carbon leakage: Europa senkt Emissionen, was die Weltmarktpreise fossiler Energien drückt und andere Länder zum Kauf anregt. Europa begegnet dem mit Zöllen auf fossil erzeugte Produkte.
Ein energischer Green New Deal schien bisher als Lösung, indem grüne Technologien gefördert und günstiger als fossile Alternativen werden. Dies könnte, so die Hoffnung, eine politische und wirtschaftliche Aufbruchstimmung erzeugen. Um 2020 schien dies möglich, da Europa und Amerika gemeinsam grüne Technologien ausbauten. Bidens Inflation Reduction Act und europäische Maßnahmen zeigten, dass Klimaschutz als Investition in die Zukunft verstanden wurde. Doch der Erfolg blieb fraglich, da der Prozess zu spät begann.
Was bedeutet nun Trumps Wiederwahl für den fragilen Klimaschutz? Erst einmal sind die Konsequenzen nicht an die Person Trump gebunden. Selbst wenn der Präsident einen tödlichen Herzinfarkt erleiden würde, bleibt die Republikanische Partei gewählt und wird die nächsten vier Jahre konsequent dazu nutzen, Klimaschutz abzubauen und fossile Energien auszubauen. Lediglich die Perspektive auf die Zeit danach ändert sich: Mit Trump steuern wir auf eine Diktatur zu, die reguläre Wahlen zu verhindern strebt. Wir können nur hoffen, dass der Spuk schnell wieder vorbeigeht.
Kipppunkte sind eine Blackbox
Wie dem auch sei, schon jetzt wird der Austritt aus dem Pariser Abkommen als Ziel ausgegeben, der Green New Deal soll abgewickelt werden. Ein neuer Energieminister soll dies vorantreiben. Natürlich werden sich einzelne Bundesstaaten dagegen wehren, es bleibt abzuwarten, wer hier den Sieg davonträgt. Gleichzeitig ist ein massiver Ausbau des „fossilen Imperiums“ gewiss, wobei man nicht auf eine die CO2 auffangende CCS-Technik warten wird (auch wenn die Republikaner diese – trotz Verleugnung des Klimawandels – befürworten). Auch Europa driftet nach rechts und sortiert seine Prioritäten neu, kann und wird nicht energisch dagegenhalten.
Die sowieso durch anhaltende Erwärmung unter Druck stehenden Kipppunkte könnten überschritten werden. Das Ziel, die Klimaerwärmung bei 1,5 Grad oder wenigstens bei 2 Grad aufzuhalten, wird vielleicht unerreichbar. Eigentlich zeigt die Uhr schon fünf nach zwölf. Das Institut Carbon Analytics schätzt Trumps Einfluss auf das Klima jedoch als gering ein: 0,04 Grad Celsius zusätzliche Erwärmung. Doch ich bin skeptisch. Die Studie geht von einer normalen Amtszeit Trumps aus und ignoriert internationale Nachahmer. Eine globale, reaktionäre Bewegung könnte stärker wirken als erwartet. Man muss daher wenigstens in Erwägung ziehen, dass der anstehende Rückschritt dem Klimaschutz – im Sinne der Vermeidung der Kipppunkte – das Genick brechen wird.
Aber ist die genaue Verortung der Kipppunkte nicht ungewiss? Vielleicht werden einige von ihnen durch reaktionäres Handeln doch nicht ausgelöst. Auch ist unklar, was überhaupt geschieht, wenn diese Kipppunkte wirklich ausgelöst werden. Es stimmt, Kipppunkte sind eine Blackbox, von der man aber mit hoher Wahrscheinlichkeit weiß, dass sie existieren, wo sie sich in etwa befinden und dass ein Auslösen teilweise zu unumkehrbaren Dominoeffekten führt.
Die rechtsnationalistische Politik wird wahrscheinlich einige wesentliche Kipppunkte auslösen. Ein Scheitern des Pariser Klimaabkommens ist ernsthaft zu erwägen. Natürlich kann man dagegenhalten, dass eine vorzeitige Aufgabe dieses Klimaschutzes fatale Folgen hat und deshalb zu vermeiden ist. Allerdings wird die Wahrscheinlichkeit, dass man diesen Klimaschutz wirklich zu früh aufgibt, immer geringer; die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Klimaschutz eine unsinnige Investition ist, hingegen immer größer.
Alternative Armutsbekämpfung
Kann man es verantworten, diese Kosten-Nutzen-Abwägung zu ignorieren? Ist es sinnvoll, auf möglicherweise geringe Wahrscheinlichkeiten einen erheblichen Teil der volkswirtschaftlichen Ressourcen zu setzen? Zwar könnten wir neben der notwendigen Anpassung an Klimaschäden noch bewirken, dass der Klimawandel, nachdem entscheidende Kipppunkte gefallen sind, bei vielleicht 4,5 statt bei 4,8 Grad Celsius gestoppt wird. Das wäre zwar auch ein „Erfolg“. Dieser Erfolg wäre jedoch mit Klimaschutzpolitik, wie sie derzeit in Europa praktiziert wird, zu teuer erkauft.
Die Bilanz in Form geretteter Leben könnte unter Beachtung der Wahrscheinlichkeiten besser sein, wenn die für den Klimaschutz nötigen Milliardeninvestitionen direkt in die auf den Klimaschutz ausgerichtete Armutsbekämpfung fließen würden. Und das scheint eine sinnvolle Alternative zu sein, sowohl was staatliches wie auch privates Engagement angeht. Privat kann man, statt ein großes Auto zu erwerben, das Geld an entsprechende NGOs spenden. Natürlich wäre eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse hilfreich. Die müsste die für den Klimaschutz aufzuwendenden Kosten mit den Wahrscheinlichkeiten vergleichen, den gewünschten Effekt zu erzielen. Allerdings fürchte ich, eine solche Analyse wäre wegen der Komplexität der Materie sowieso fehlerhaft.
Was wir derzeit sagen können, ist, dass wir einen erheblichen Anteil des Bruttoinlandsprodukts für Klimaschutz im Sinne einer Orientierung an Paris aufwenden müssten und wir dafür eventuell nur noch wenig Gewinn erwarten könnten. Eventuell sind unsere Investitionen völlig umsonst und bewirken nichts Gutes. Daher bietet sich eine Verschiebung der Mittel hin zur am Klimaschutz orientierten Armutsbekämpfung an. Da erhalten wir fürs Geld jedenfalls einen positiven Wohlfahrtseffekt. Allerdings bleibt zu bedenken, dass dieses Ziel Armutsbekämpfung derzeit kaum jemand verfolgt und frei werdendes Geld am ehesten in weitere Aufrüstung fließen würde.
Daher ist die zentrale Botschaft der neuen politischen Verhältnisse: Deutsche und europäische Klimaschutzpolitik in den bekannten Varianten ist auf den Prüfstand zu stellen! Sie kostet viel Geld, und ihre Ziele sind mit immer größer werdender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erreichbar. Das ist die harte Einsicht, der wir uns nicht mehr verschließen können. Ob es wirklich erforderlich ist, den Klimaschutz in Anlehnung an Paris aufzugeben, wird uns die Empirie zeigen. Wenn wirklich entscheidende Kipppunkte fallen, müssen wir die Konsequenz ziehen. In den derzeitig unklaren Zeiten bleibt nur zu beobachten und auch radikale Konsequenzen als Antwort auf die Phänomene zu erwägen.
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