Entlastungspaket der Ampel: Ein teurer Kompromiss
Beim Entlastungspaket ist für jeden was dabei – auch ein Rabatt an der Tankstelle. In Krisenzeiten ist so ein Kompromiss ernüchternd.
I n normalen Zeiten wäre das Entlastungspaket der Ampel eine runde Sache: Es sieht einige ökologische Fortschritte vor, zum Beispiel strengere Vorgaben zur Energieeffizienz im Neubau. Es ist sozial einigermaßen gerecht, da Geringverdiener*innen von der Energiepreispauschale stärker profitieren als Reiche. Und zum Ausgleich für eine Kröte wie den Steuerrabatt an der Tankstelle gibt es zumindest auch einen massiven Nachlass beim ÖPNV. Klassische Kompromisspolitik, für jeden was dabei.
Die Zeiten sind aber nicht normal. Von der Großkrise Corona sind wir gerade nahtlos in die Großkrise Krieg gestolpert und über allem steht weiterhin die Megakrise Klima. Von einer Zeitenwende ist die Rede und sogar Christian Lindner pries erneuerbare Energien kürzlich im Bundestag als „Freiheitsenergien“ an. Ernüchternd, dass sinnvolle Schritte trotzdem weiter nur im Paket mit einer teuren Maßnahme zu haben sind, die komplett in die falsche Richtung wirkt.
Vom Nachlass auf Kraftstoffsteuern profitieren entgegen der Koalitionsrhetorik nicht primär diejenigen, die „aufs Auto angewiesen“ sind, sondern all jene, die viel Sprit verbrauchen – egal, ob sie tatsächlich nicht auf lange Wege verzichten können oder ob sie aus reiner Bequemlichkeit in überdimensionierten Fahrzeugen unnötige Strecken zurücklegen. Statistisch sind es eher die Wohlhabenden als die Armen, die viel fahren und die an der Tankstelle sparen werden. Dem Ziel der Verkehrswende läuft der Steuerrabatt ohnehin entgegen. Und absurd ist es, einerseits die Energieabhängigkeit von Russland zu beklagen und andererseits den Ölverbrauch noch stärker als bisher zu subventionieren. Wladimir Putin darf sich über diesen Teil des Entlastungspakets freuen.
Zumindest neue Beschränkungen hätten den Steuerrabatt flankieren können: Tempolimit, autofreie Tage, verlängerte Home-Office-Pflicht hätten den Verbrauch drücken können. So bleibt nur die Hoffnung, dass beim ein oder anderen verbilligtes Bahnfahren das verbilligte Tanken schlägt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Syrien nach Assad
„Feiert mit uns!“