„Emma“ sucht „Vätertöchter“: Wow, nicht alle Väter sind Hunde
Die „Emma“-Redaktion sucht nach Töchtern, deren Väter Mädchen wegen ihres Geschlechts nicht als minderwertig erachten. Was kommt als Nächstes?
E s gibt nicht viele Orte auf der Welt, an denen der sogenannte alte weiße Mann ein Imageproblem hat. Diese Orte sind etwa feministische Kneipenabende oder Podiumsdiskussionen in marginalen Kunstgalerien. Orte, die in kleinen Kosmen von Bedeutung sind, sich gesamtgesellschaftlich jedoch nicht auf die Karriere und den Status alter weißer Männer auswirken. Diese Männer mögen in solchen Kontexten den Ruf des (potenziellen) Ausbeuters, Schlägers oder Vergewaltigers haben, doch sie werden weder materiell enteignet noch von anderen Machtpositionen gestoßen.
Was ihnen bleibt, ist ein Knacks im Ego und ein schlechtes Gewissen, mit dem vielleicht die Unbeschwertheit ihres Lebens etwas getrübt wird, doch die vielen sozialen Vorteile sollten als Kompensation dafür ausreichen. Immerhin wird niemand müde zu betonen, dass nicht jede Person, die weiß, männlich und alt ist, per se schlecht ist, sondern dass es eher um die Strukturen als um Individuen geht.
Wo stünden diese Männer heute ohne weiße Frauen, die sich mit ihnen solidarisieren und sie für Selbstverständlichkeiten wie kein Ausbeuter, Schläger oder Vergewaltiger zu sein abfeiern? Männer, die keine Frauen unterbrechen? Engel. Männer, die mal den Abwasch machen? Halbe Revoluzzer. Väter, die ihre Kinder nicht vernachlässigen? Nicht alle Helden tragen Umhänge.
Die Lächerlichkeit und Absurdität dieser Medaillenvergabe erreichte Dienstagabend seinen Peak, als die Emma-Redaktion auf Twitter nach „Vatertöchtern“ suchte, um zu beweisen, dass es nicht nur den „vielgeschmähten ‚alten weißen Mann‘ gibt“.
Empfohlener externer Inhalt
Was zur Hölle soll eine Vatertochter sein? Die erste Assoziation bringt das Bild von Mädchen und Frauen hervor, die ein prägendes Verhältnis zu ihrem Vater haben – entweder weil er eine unterstützende Rolle in ihrem Leben eingenommen hat oder auch weil er nie da war und statt Unterhaltszahlungen tief verankerte Daddy Issues hinterlassen hat. Tatsächlich meint die Emma-Redaktion aber „die Männer, für die eine Tochter so viel wert ist wie ein Sohn“.
Moment mal, es braucht 2019 noch Auszeichnungen für Väter, die ihre Töchter aufgrund ihres Geschlechts nicht als minderwertig erachten?
Was kommt als Nächstes? Preise für Ehemänner, die ihre Frauen nicht schlagen? Gedenkstatuen für Arbeitgeber, die noch nie ihre Angestellten sexuell belästigt und das Abhängigkeitsverhältnis missbraucht haben? Vielleicht noch eingetragene Feiertage für weiße Leute, die noch nie auf Geflüchtete geschossen haben?
Diese Maßstäbe aus früheren Jahrhunderten klingen nach Satire, sie implizieren jedoch eine Diskursverschiebung nach rechts. Anstatt dagegen anzukämpfen, dass sexistische oder auch rassistische Gewalt zur Norm wird, werden Einzelne dafür gelobt, anderen keinen Schaden zuzufügen. Natürlich gibt es neben den vielen missbräuchlichen, gewalttägigen und abwesenden Vätern auch korrekte Typen, doch die erkennt man nicht daran, dass sie mit grundlegendem Anstand hausieren gehen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links