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Einstufung der Brandenburger AfDVerfassungsschutz-Gutachten an rechtes Portal geleakt

Der Verfassungsschutz stuft Brandenburgs AfD als gesichert rechtsextrem ein. Das entsprechende Gutachten hat jetzt ein rechtes Online-Medium vorab veröffentlicht.

Gesichert rechtsextremistisch: Brandenburgs AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt auf einem Wahlplakat in Golßen Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Das Wirrwarr um die Einstufung der AfD Brandenburg als „gesichert rechtsextremistisch“ geht weiter. Eigentlich wollte Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos, für SPD) das Gutachten des Landesamts für Verfassungsschutz am Donnerstag gemeinsam mit dem neuen Chef der Behörde, Wilfried Peters, vorstellen. Doch das rechtspopulistische Nachrichtenportal Nius hat den 142 Seiten umfassenden Vermerk wohl bereits am Montag online veröffentlicht.

Das Brandenburger Innenministerium wollte die Echtheit des Dokuments weder bestätigen noch dementieren. „Vor der am Donnerstag geplanten Veröffentlichung werden wir uns nicht dazu äußern“, sagte ein Sprecher am Dienstag.

Im von Nius geleakten mutmaßlichen Gutachten heißt es, dass „keine Zweifel mehr an der extremistischen Ausrichtung des gesamten Landesverbands bestehen können“. Die AfD Brandenburg habe die bei der Einstufung als sogenannter rechtsextremistischer Verdachtsfall im Jahr 2020 festgestellten „verfassungsfeindlichen Bestrebungen“ im Prüfzeitraum „weiter fortgesetzt und erheblich intensiviert“. Deshalb sei der Verband als erwiesen rechtsextremistisch einzustufen.

Als Belege führt der Verfassungsschutz unter anderem eine umfassende Sammlung von Zitaten von Brandenburger AfD-Politiker*innen an. Die Äußerungen sind eingeteilt in die Kategorien „Verstöße gegen die Menschenwürde“ – allein diese umfasst 37 Seiten – sowie „Verstöße gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip“ mit 25 Seiten.

„Fremdenfeindlicher Überbietungswettbewerb“

„Die Partei gibt taktische Zurückhaltung zunehmend auf“, analysiert die Behörde. Das betreffe unter anderem migrationspolitische Forderungen, „die mit einem ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff gekoppelt sind“. Der Begriff „Remigration“ werde als „Wahlkampfslogan und Projektionsfläche“ verwendet, zudem lieferten sich AfD-Politiker*innen einen „fremdenfeindlichen Überbietungswettbewerb“, heißt es weiter.

Darüber hinaus attestiert die Behörde dem Landesvorstand um Parteichef René Springer und dem Vorsitzenden der Landtagsfraktion, Hans-Christoph Berndt, „eine intensivierte Vernetzung mit Akteuren des rechtsextremistischen ‚Vorfelds‘“, etwa der „Identitären Bewegung“, dem rechtsextremen Magazin Compact und dem offiziell aufgelösten „Institut für Staatspolitik“ des rechten Vordenkers Götz Kubitschek. Im Übrigen werden Aussagen von Springer und Berndt an mehreren Stellen als Belege für die verfassungsfeindliche Ausrichtung des Landesverbands herangezogen.

Politisches und juristisches Gezerre

Das nun vorliegende Papier ist auf den 14. April 2025 datiert. An jenem Tag war ursprünglich die Neubewertung der Brandenburger AfD durch das Landesamt für Verfassungsschutz erfolgt. Dagegen ging die AfD gerichtlich mit einem Eilantrag und einer Klage vor – die Hochstufung musste daraufhin Ende Mai ausgesetzt werden, der Vermerk konnte nicht veröffentlicht werden.

Zudem führte der Umgang mit der AfD zu einer Regierungskrise in Brandenburg: Zuerst feuerte die damalige Innenministerin Katrin Lange (SPD) Landesverfassungsschutzchef Jörg Müller wegen der Neubewertung. Wenig später musste Lange – Kritikerin der Hochstufung und vehemente Gegnerin eines AfD-Verbotsverfahrens – selbst gehen.

Auf Druck ihres Nachfolgers René Wilke zog die AfD die Klage dann Ende Juli zurück. Seitdem kann der Landesverband wieder offiziell als „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnet werden. Das Gutachten durfte allerdings noch nicht verbreitet werden, weil die AfD nicht das Einverständnis der darin namentlich genannten Personen eingeholt hatte. Also musste der Verfassungsschutz noch die Namen von jenen schwärzen, die nicht als Personen der Zeitgeschichte gelten – was bis Donnerstag abgeschlossen sein sollte.

Auch in dem von Nius veröffentlichten Dokument gibt es an mehreren Stellen Unkenntlichmachungen; es ist jedoch unklar, ob diese von der Behörde vorgenommen wurden.

AfD ist für Veröffentlichung

Laut eigener Aussage befürwortet die Brandenburger AfD die Veröffentlichung des Verfassungsschutz-Gutachtens. Bereits in der vorvergangenen Woche erklärte Parteichef Springer, er freue sich auf den Tag, an dem der Vermerk „endlich“ öffentlich wird: „Damit sich jeder Bürger selbst ein Urteil über die politisch motivierte Arbeit des Inlandsgeheimdienstes bilden kann.“ Er sehe ihn als „politischen Kampfauftrag“.

Die selbst verschuldeten Verzögerungen durch die Klage und die erforderlichen Schwärzungen sowie die jetzt erfolgte vorzeitige Veröffentlichung des Dokuments nutzten Partei und Fraktion zur Stimmungsmache: Springer sprach von einem „Armutszeugnis“ für den Verfassungsschutz, die Fraktion in ihrem Newsletter von einer „Posse, die derzeit im Innenministerium veranstaltet wird“.

Die AfD Brandenburg ist nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen nun der vierte Landesverband, den der jeweilige Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch einordnet. Auch auf Bundesebene hatte der Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch hochgestuft. Die Bewertung ruht allerdings, bis das Verwaltungsgericht Köln über einen Eilantrag der Partei entschieden hat.

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11 Kommentare

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  • Warum verbietet man nicht erstmal die eindeutig verfassungsfeindlichen Neonazi-AfD-Landesverbände in Sachsen, Thüringen und Brandenburg? Man muss nicht gleich die Bundespartei verbieten - aber die neonazistische Basis im Osten ist mit Sicherheit einfacher zu verbieten als z.B. der Landesverband von Bremen.

  • Mit den Landesverbänden beginnen. Es wird sich ohnehin ziehen. Und gewisse Landesverbände sind und haben offenbar ein schweres Problem.



    Wenn es doch nicht zum Verbot reicht, das ja hohe Hürden hat, so stoppt der Antrag doch die tägliche offene Selbst-Radikalisierung und die öffentliche Hetzspirale dort deutlich.

  • WANN wird endlich das Verbotsverfahren eingeleitet? Gesichert rechtsextrem, ungesichert, wahrscheinlich, vermutlich....blablabla. Ich will endlich mal rechtssichere Fakten sehen. Entsetzt erfuhr ich gestern, dass die AFD die CDU um zwei Prozentpunkte überholt hat. Wann sind es 30%, wann wird es mehr. Man muss sich das mal vorstellen: seit Jahren wird mir zugesichert, die AFD inhaltlich zu stellen, zu halbieren, zu.., zu ..., zu..... Und was ist bis jetzt passiert? Nüscht! Bei wieviel Prozent fangen mal unsere "Polit-Eliten" an, dialektisch über Ursachen dieses Desasters nachzudenken und Lösungen zu finden? Mann oh Mann.

    • @Leningrad:

      >Wann sind es 30%, wann wird es mehr.<

      Von mir wollte die AOK jeden Monat rund 900€ Beitrag - bei 1.400€ Rente. Herr Lauterbach ist privatversichert und zahlt bei deutlich höherem Einkommen deutlich weniger.

      Sie glauben doch nicht, dass ich die Selbstbedienung von Herrn Lauterbach unterstütze indem ich spd wähle?

      Eine Regierung, mit deren Politik das Volk überwiegend unzufrieden ist, wird in einer Demokratie irgendwann abgewählt.

    • @Leningrad:

      Sehr richtig!

      Und wann fangen die deutschen Medien endlich an, Leute wie Weidel und Chrupalla als das zu bezeichnen, was sie als Chefs dieser Partei eindeutig sind: Rechtsextremisten?

      Und ab einem bestimmten Zeitpunkt sind selbstverständlich auch alle Wählewr der AfD Rechtsextremisten, bzw. müssen es sich gefallen, so bezeichnet zu werden.

      Bei Wählern der Linken kommt ja auch niemand auf die Idee, zu behaupten, dass das "ja nicht alles Linke" seien und man die nur "mit guter Politik zurückholen" müsse.

  • Problem ist nicht die afd. Problem ist das fehlende Vertrauen der Bevölkerung in die Parteien links der afd.

    Die Bevölkerung wird älter. Das verursacht naturgemäß Probleme weil mehr alte Menschen durch irgendwen versorgt werden müssen.

    Das Geld wird knapp. Durch Zuwanderung in die Sozialsysteme wird es noch knapper.

    Wenn man MDR-Schlesinger oder DB-Profalla oder Stylistin-Baerbock oder Corona-Ausgleich für Beamte oder Masken-Spahn betrachtet geht es in der Politik zumindest in großem Umfang um Selbstversorgung einer bestimmten von ihr vertretenen Gruppe.

    Die afd ist im Prinzip die Partei des >dummen Rests

    • @A. Müllermilch:

      Doch, das Problem ist die AfD und dass es in Deutschland, allen voran im Osten, eine sehr hohe Zahl rechtsextremer Wähler gibt.

      Wer als erwachsener Mensch eine offiziell rechtsextreme Partei wählt, der muss es hinnehmen, wenn er selbst als Rechtsextremist betrachtet wird.

      Und Rechtsextremisten sind nun mal niemals Demokraten und/oder auch nur irgendwie anständige Menschen. Es ist völlig legitim, ihnen das Leben so schwer wie möglich zu machen und die Durchsetzung ihrer politischen Ziele zu verhindern - selbstverständlich auch mittels des vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen Parteiverbotes.

  • Es gab keinen Grund für die Geheimhaltung, deswegen ist es gut, dass das Gutachten jetzt öffentlich ist. Mag sich jeder selbst ein Urteil bilden..!

    • @Peter Wenzel:

      Vor einigen Jahren wurde noch Wikileaks zur Sau gemacht, weil sie ungefiltert veröffentlichten, dabei eigene Quellen gefährdeten. Was jetzt 'rauskommt' ist alles schon bekannt, da wurde nichts geheimgehalten. Schon gar wenn es nur um ein paar Tage geht, reinstes Aufmerksamkeitsheischen von Nius

  • Geht doch endlich mit einem Antrag auf Verbot der AfD an das Bundesverfassungsgericht. Dann wird eine endgültige Entscheidung getroffen und das ganze Theater ist beendet.

    • @Filou:

      Heisst das, dass Sie es einfach akzeptieren würden, falls sich dabei herausstellen sollte, dass die AfD nicht verboten werden darf?



      Und alle so: "Ups. Oh. Ja, gut. Na dann.. Haben wir uns wohl geirrt. Sorry."?



      Genau vor solch einer "endgültigen(!) Entscheidung" versucht man sich ja gerade zu drücken, solange man nicht sicher ist, dass sie zu den eigenen Gunsten getroffen wird.