EU-Gipfel in Rumänien: Die Bremserin von Sibiu
Beim EU-Gipfel lehnt Kanzlerin Merkel eine Klima-Initiative ab. Danach spielt sie wieder die verständnisvolle „Klimakanzlerin“.
Erst ging Merkel den Schülerinnen und Schülern der „Fridays for Future“ aus dem Weg. Dann, hinter verschlossenen Türen, sträubte sie sich gegen Macrons Initiative, den Kampf gegen den Klimawandel zum „Eckstein“ der EU-Politik zu machen.
Doch kaum war der Gipfel vorbei, präsentierte Merkel sich wieder als die Kanzlerin mit großem Herz. Vor laufenden Kameras begrüßte sie Macrons Vorstoß, der darauf hinausläuft, die europäische Wirtschaft bis 2050 „klimaneutral“ zu machen. „Weite Teile dieser Initiative teile ich“, sagte die CDU-Politikerin.
Sie habe sich Macrons Plan aber nicht anschließen können, weil die deutschen Klimaziele bis 2050 von der Zielsetzung der anderen Länder abwichen. Das sei aber nicht weiter schlimm, denn man könne ja auch eine „Koalition der Willigen“ bilden, so die Kanzlerin weiter. Die könne sich dann für eine möglichst einheitliche „Bepreisung“ des Ausstoßes von Klimagasen einsetzen.
In die Kamera lächeln und Macron loben
Im Klartext: Merkel lehnt Macrons Plan weiter ab – wie schon beim letzen EU-Gipfel im März, wo sie auf der Bremse stand. Und sie will auch keine CO2-Steuer, wie sie die Grünen in Deutschland oder der sozialdemokratische Spitzenkandidat für die Europawahl, Frans Timmermans, fordern. Aber sie möchte es nicht so deutlich sagen. Deshalb lächelt sie in die Kameras und lobt Macron.
Die „Klimakanzlerin“ verkommt dabei zur PR-Pose, in der Sache bewegt sich gar nichts. Das bleibt den Aktivisten von „Fridays for Future“ und anderen Umweltschützern natürlich nicht verborgen. Sie haben enttäuscht und wütend auf Merkels Blockade reagiert.
„Das ist doch ein Skandal, was hier passiert“, sagte die 23-jährige deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer nach dem Gipfeltreffen. Merkel müsse „ihrer eigenen Partei ein bisschen in den Hintern treten“ und sich endlich für eine CO2-Steuer, ein Klimaschutzgesetz und einen schnellen Kohleausstieg stark machen.
Das Umweltbündnis „Climate Action Network“ warf den Bremsern von Sibiu vor, die Sorgen der Bürger vor dem Klimawandel zu ignorieren. „Vor allem Deutschland, das einmal ein Klimavorreiter war, verschließt die Augen vor dem Klimanotstand“, erklärte Verbandsexperte Wendel Trio. Der Appell der jungen Generation sei auf taube Ohren gestoßen, erklärte Grünen-Spitzenkandidatin Ska Keller.
Deutschland auf der Seite der Klimasünder
Dabei haben sich immerhin acht Staaten der Klima-Initiative von Macron angeschlossen. Der bisher als neoliberal verschrieene Franzose hat die Klimapolitik in seinem neuen Programm für die Europawahl sogar zur obersten Priorität erklärt. Doch während sich Frankreich und die Benelux-Ländern an die Spitze setzen, hat sich Deutschland auf die Seite des Klimasünders Polen geschlagen.
Das hinderte Merkel in Sibiu jedoch nicht daran, mehr „Action“ und schnellere Entscheidungen zu fordern. Statt wie bisher bisher vier Mal im Jahr sollten sich die Staats- und Regierungschefs künftig alle zwei Monate, also sechs Mal im Jahr, treffen. Sie begründete das mit dem Entscheidungsstau in der EU. „Manche Dossiers liegen bei uns ein, zwei, drei, vier Jahre“, sagte sie. „Hier hat der Europäische Rat durchaus eine Verantwortung.“
Vor dem Hintergrund der deutschen Klima-Blockade klingt dies wie Hohn. Immerhin kann Merkel bald beweisen, wie ernst sie es wirklich meint: Am 28. Juni, nur zwei Tage nach der Europawahl, soll es schon den nächsten EU-Gipfel geben – dann beginnt das große Personalgeschacher um den neuen Kommissionschef und andere Topjobs in der EU.
Ende Juni gibt es dann den nächsten regulären EU-Gipfel. Und da will Macron erneut Druck machen – für mehr Klimaschutz. Ob Merkel dann wieder auf der Bremse steht?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken