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Drohnenangriff auf MoskauIns Herz getroffen

Kommentar von Inna Hartwich

Dass Russland nicht unverletzbar ist, sollte nach den jüngsten Angriffen allen klar sein. Die Drohne rüttelt an Putins Märchen von der Stabilität.

Moskau, 30. Mai: zerbrochene Fensterscheibe in einem Wohnhaus, das von einer Drohne getroffen wurde Foto: Alexander Shcherbak/imago

S eit Russland die Ukraine überfallen hat, verdreht der Staat die Nachrichten so, wie es ihm gerade passt. Russland hat sich längst vom Täter zum Opfer stilisiert, das Unmenschliche weist es stets weit von sich und unterstellt die Gräuel den Ukra­iner*in­nen, den Euro­päer*in­nen, schlicht dem Westen. Die Verbrechen, die die russische Armee in der Ukraine verübt, gelten offiziell der Verteidigung Russlands.

Egal wie viele Menschen sterben und wie viele Häuser zerstört werden – die Terroristen sind für Moskau immer die anderen. Der „terroristische Angriff“ der Drohnen, so verlautete aus dem russischen Außenamt, passt in dieses Narrativ von Russland als Verteidiger des Guten und dem Westen als Saat des Bösen. Dass an dieser Geschichte etwas faul ist, merken inzwischen auch manche Menschen in Russland – wenn auch sehr langsam.

Es greift der Bume­rang­effekt: Der Krieg, für den sie die Verantwortung weit von sich weisen, den sie rechtfertigen und nicht sehen wollen, kommt in Form von Drohnen in ihre Wohnhäuser zurück. Das verbreitet Schrecken. „Da drüben ist der Kindergarten meines Sohnes. Wie soll ich nun ruhig schlafen?“, fragt da so manche, die bislang offensichtlich gut schlafen konnte, auch wenn keine tausend Kilometer entfernt die Kindergärten anderer Söhne und Töchter zerbombt wurden – durch russische Hand.

Viele Mos­kaue­r*in­nen erfahren durch ein unbemanntes Flugobjekt, dass die von Präsident Wladimir Putin viel beschworene Stabilität längst dahin ist. Der russische Staat ist verletzlich, die Sicherheit seiner Bür­ge­r*in­nen kann er nicht garantieren. Deshalb wohl reagiert er zurückhaltend: so nach dem Drohnenangriff auf den Kreml vor vier Wochen, nach dem kürzlichen Überfall proukrainischer Gruppierungen in Belgorod und so nun auch nach der Attacke auf Moskauer Wohnhäuser.

Hetze und Drohungen erklingen aus den Ecken, aus denen all die Monate bereits Hetze und Drohungen erklungen waren. Mit aller Vehemenz hält der Kreml an der „Notwendigkeit der Spezialoperation“ fest. Weichen, geschweige denn nachgeben ist für Moskau keine Option.

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19 Kommentare

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  • Den Bildern nach handelt es sich um sehr geringe Schäden durch die Drohnen, mithin wohl um kleine Flugkörper, kaum in der Lage, 800 km von der Ukraine aus nach Moskau zu fliegen. Auch von Belgorod nach Moskau sind es noch über 500 km. Also Widerstand näher an Moskau, Eigenbeschuss als Propaganda-Maßnahme?

  • Die Kontrolle der Eskalation ist derzeit noch nahezu zweifelsfrei gegeben.

    Zieht Russland morgen seine Truppen aus der Ukraine ab, wird der Krieg nicht weiter eskalieren, sondern aufhören.

    Russland hat also die Kontrolle.

    Warum sollte eine zweite Friedensinitiative des Westens mehr bringen als die der Türkei, Chinas oder der von Südafrika?

    Es ist ja nicht so, dass niemand mit Putin redet.

    Zu 3.:



    Warum sollten die Ukrainer das wollen?



    Keine NATO-Verwaltung schützt die Ukrainer gegen einen erneuten Angriff Russlands. Die Ukrainer müssten selten naiv sein, um dem zuzustimmen.

    Wenn den Ukrainern 3. zu unsicher ist, werden sie auch 2. und 4. nicht akzeptieren.

    Die Ukrainer haben gerade gelernt, dass sie sich nur auf ihre Kampfkraft und westliche Unterstützung verlassen können.

    Zu 4.:



    Warum sollten Russland oder die Ukraine abrüsten?

    • @rero:

      "UN-Verwaltung" hätte es richtigerweise heißen müssen.

    • @rero:

      Ging an Stefan Muck

  • Das Spiel Gut und Böse kann man noch lange so weiter betreiben und irgendwann werden auch russische Zivilisten, wenn es schlecht läuft auch Westeuropa, in zunehmendem Maße einen Preis dafür bezahlen. Die schleichende Eskalation ist nun nach bald 1,5 Jahren Krieg offensichtlich und die Kontrolle dieser Eskalation ist unglaubwürdig.



    Wie wäre es mal mit einer Friedensinitative des Westens, die umfassender ist, als nur das Geschacher um ostukrainische Gebiete? Wie wäre es mal mit mehr westlichem konkretem Friedenswillen und nicht nur der Verweis auf Putin und das der erste Schritt zum Frieden von ihm kommen müsse? Wann soll das sein? Initative ist keine Schande.



    Eine grobe Skizze:



    1. ukrainisch besetzte Gebiete können nicht an Russland abgetreten werden. Das ist keiner betroffenen ukrainischen Bevölkerung zumutbar.



    2. Gegenleistung des Westen: Kein Natobeitritt für die Ukraine und ein ausgesetzter EU-Beitritt für eine festgelegte Zeit.



    3. Sicherheit der Ukraine. Alle strittigen und umkämpften gebiete werden durch ein robustes UN-Mandat gesichert und stehen unter eigener UN-Verwaltung. Die beteiligten Staaten hierfür werden noch bestimmt.



    4. Die Zeit nach beigelegter militärischer Auseinandersetzung wird für Klärung politischer und ökonomisscher Fragen genutzt. Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine unter russischer Beteiligung. Handelsbeziehungen. Opferentschädigung. Abrüstung (Die welt hat mit der Klimaproblematik noch wichtigere Dinge zu tun).



    Das wird natürlich ein langes Tauziehen, aber um den Preis dass die militärischen Handlungen aufhören und die Menschen wieder langsam in einen Alltag zurückkehren können, ist es das doch allemal Wert.

    • @Stefan Muck:

      Zum Einen: Was bringt Sie auf das schmale Brett, dass Putin, ohne vorher militärisch noch deutlich mehr ins Schwimmen geraten zu sein, auf irgendeinen dieser Punkte außer dem Zweiten eingehen würde? Es ist doch längst klar, dass er die Ukraine nicht nur als neutralen Puffer sondern MINDESTENS als hörigen Vasall braucht, um sich auch nur innenpolitisch halten zu können, von seinen großrussischen Wahnvorstellungen mal abgesehen.

      Vergessen Sie bitte nicht, dass Sie hier mit dem Mann reden wollen, der diesen Krieg mal aktiv vom Zaun gebrochen hat. Wer diese (hirnrissige, größenwahnsinnige und abgehobene) Entscheidung treffen konnte, kann nicht umgekehrt ohne höchste Not in so einen Frieden gezwungen werden. Und dass Kriegszustand allein für ihn noch lange nicht "höchste Not" ist, hat er hinlänglich bewiesen.

      Zum Zweiten: Wie stellen Sie sich ein "robustes" UN-Mandat vor? Blauhelme, die ausreichen, um die Ukraine vor einem erneuten Angriff der drittgrößten Armee der Welt zu schützen? Das wäre kein Mandat, das wäre eine Besatzung - oder wohl eher ein Tropfen auf den heißen Stein, denn so viele Blauhelme bekommt man gar nicht erhoben.

    • @Stefan Muck:

      immer wieder interessant, wie verblendete Propagandaopfer sich hinter Putin stellen und behaupten, man hätte "einfach nicht den Willen" für Frieden zu sorgen.

      Kleiner Tip: der Putin ist an Friedensverhandlungen nicht interessiert.

      Das sollten sich alle deutschen Propagandaopfer von den Russen mal merken.

    • @Stefan Muck:

      Warum sollte Putin einem solchen Abkommen zustimmen wenn er selbst mit einem einfachen Truppenabzug ohne Anerkennung von Reparationsleistungen noch besser wegkäme? Warum sollte sich die Ukraine erneut auf Sicherheitsgarantien einlassen die ja in analoger Form so auch schon im Budapester Memorandum enthalten waren? Welche Staaten können/sollen die Truppenkontingente für eine Blauhelmmission stellen die stark genug ist für die russische Armee eine glaubhafte Abschreckung darzustellen? Welchen Umgang soll die gewünschte Initiative mit den zahllosen russischen Kriegsverbrechen finden?

  • Der Angriff spielt Putins Propaganda in die Hände.



    Was die Angreifer bezwecken wollten, bleibt unklar.



    Zu den Russinnen und Russen, denen nachgesagt wird, ihnen sei der Krieg egal, sei erwähnt, dass laut Umfragen 28 Millionen nicht mit Putin einverstanden sind.

    • @Philippo1000:

      "Der Angriff spielt Putins Propaganda in die Hände."



      Das sehe ich nicht so. Die Propaganda spielt das Ereignis extrem herunter, nach dem Motto "alles im Griff", damit die Frage, wieso die russische Armee das Land nicht schützen kann, gar nicht erst aufkommt. Kann sie nämlich nicht. Schon vor Monaten sind ja einzelne ukrainische Drohnen bis nach Kaluga und sogar Pskow geflogen. Die Luftabwehr ist zu lückenhaft, um alle Großstädte, militärischen Objekte, den militärisch industriellen Komplex, Brücken etc. zu schützen. Schon gar nicht, wenn man jetzt auch noch die Nobelviertel der Hauptstadt schützen muss.



      "Was die Angreifer bezwecken wollten, bleibt unklar."



      1) Testen der verfügbaren Systeme: An dem Angriff waren unterschiedliche Drohnentypen beteiligt. Alle Systeme haben die Grenze unbemerkt überflogen und haben es weit gebracht. Es wurde übrigens auch eine einzelne S-200 Rakete abgefeuert (Vorgängersystem der S300). Die haben die Ukrainer nach eigenen Angaben noch in großer Zahl im Arsenal, hatten aber keine Abschussvorrichtungen mehr, weil die irgendwann verschrottet wurden. Scheinbar haben sie da was improvisiert in den letzten 15 Monaten, und können diese Raketen nun wieder nutzen.



      2) Nötigen die Angriffe dazu, die Luftabwehr von Moskau zu verbessern. Jedes System, das dorthin verlagert wird, fehlt woanders. Die Ukrainer finden mit den Drohnenflügen die Lücken, und nutzen sie für weitere Angriffe.



      3) Psychologischer Effekt: Auch wenn die Propaganda wieder alles bagatellisiert: Diese Angriffe werden sich fortsetzen, bis irgendwann das Mantra "alles im Griff" nicht mehr zieht. Es handelt sich quasi um eine sehr handfeste Form, die Propaganda zu durchbrechen, und die russische Führung zu einem echten Diskurs mit der Bevölkerung zu zwingen. Nämlich ihr erklären zu müssen, dass und warum man gegen solche Angriffe keine Gegenmittel hat.

      • @Barbara Falk:

        Kann sein, kann auch nicht sein. Sie sind, genau wie die Russen, zu schnell mit der Beschuldigung Ukraines wg. des Drohnenangriffes.



        Vielleicht ist es auch ein false flag Aktion der Russen, um in die F-16-Verhandlungen einzugreifen: Wenn die Ukraine nicht glaubwürdig versichern kann, dass die F-16 auf keinen Fall ggn. russ. Städte eingesetzt wird, gibt es nämlich keine.



        Und auf die Idee sind die Russen u.U. gekommen, als die eine Kremel-Drohne abgefangen wurde ...

      • @Barbara Falk:

        Wie Sie inzwischen sicherlich gehört haben, wertet Putin den Angriff als Grund gegen " die Terroristen" vorzugehen.

        • @Philippo1000:

          "Wie Sie inzwischen sicherlich gehört haben, wertet Putin den Angriff als Grund gegen " die Terroristen" vorzugehen."



          Und wie will er vorgehen, hat er das auch gesagt? Die hilflosen Verbalinjurien und leeren Ankündigungen und Drohungen (auch von Schoigu, Medwedjew, den Propagandisten) belegen wohl eher was ich geschrieben habe: Es gibt kein Gegenmittel.

    • @Philippo1000:

      Und wenn in Russland alles ruhig bleibt und die Russen vor dem Krieg weiterhin die Augen verschließen können, spielt das auch Putins Propaganda in die Hände. Irgendwie spielt für gewisse Leute eigentlich immer alles und jeder Putins Propaganda in die Hände.

      • @Suryo:

        Laut Der ukrainischen Regierung sind mindestens 100.000 russische Soldaten bereits gefallen.



        Sie dürfen davon ausgehen, dass Russen und Russinnen, die einen Verwandten oder Bekannten im Krieg verloren haben, die Augen vor dem Krieg nicht verschließen.



        Vielleicht haben Sie auch von den Einberufungen in Russland gehört und den Einberufungsbefehlen für russische Staatsbürger, die das Land verlassen wollten. Weitere Hinweise darauf, dass die Mehrheit recht gut darüber unterrichtet ist, dass das Land einen Krieg führt.

  • Könnte der*die Autor*in noch mal genauer ausführen, warum/wie der Drohnenangriff Putins Verschwörungstheorie destabilisieren soll, wenn dieser doch seit über einem Jahr behauptet, dass „der Westen“ inkl. Ukraine Russland angreifen wolle? Ist das jetzt nicht eher eine Bestätigung von Putins Fama?

    • @o_aus_h:

      Ganz einfach: wenn der Krieg nicht mehr weit weg ist, sondern im eigenen Haus stattfindet, könnte die Stimmung in der Bevölkerung, mehr noch im Militär, sich verändern. In welche Richtung ist dabei aber völlig offen.

    • @o_aus_h:

      "Ist das jetzt nicht eher eine Bestätigung von Putins Fama?"



      Ja und nein. Das liegt daran, dass seine Propaganda per se widersprüchlich ist. Wenn auf der einen Seite Russland so stark ist, dass es sich gegen jeden Gegner erfolgreich zur Wehr setzen kann, auf der anderen Seite aber so schwach, dass es ständig in Angst vor "dem Westen" sein muss, dann verwirrt das jeden ohne weitere Informationen. Und schon ist der normale Russe empfänglich für beliebige weitere gestreute Informationen. Es kann deshalb jeder beliebige Sachverhalt dem (Teil-)Narrativ dienlich sein.



      Propaganda konnten Russen immer schon gut...

    • @o_aus_h:

      Wenn einer ein Land angreift und dann einen Verschwörungsglauben (hat nichts mit einer Theorie zu tun) aufstellt, man wolle ihn angreifen, dann tritt das zwangsläufig ein, wenn man sich wehrt.

      Allein das zeigt bereits, wieviel Bullshit Putin so verbreitet.

      Das Rumopfern danach ist solchen Menschen bereits im Blut. Siehe AfD.



      Die beherrschen das auch ohne jemals was mit Substanz zu liefern.