Dreikönigstreffen der Liberalen: Chamäleon Lindner
Mit seiner Sowohl-als-auch-Rhetorik will der FDP-Chef das Potenzial seiner Partei vergrößern. Man darf sich davon nicht blenden lassen.
W er Christian Lindners Rede beim diesjährigen Dreikönigstreffen verfolgt hat, der konnte vor allem eins sehen: einen nachdenklich wirkenden Redner, der sich durch alle wichtigen Themen arbeitet: Pandemie, Bildung und Soziales, Migration bis hin zu Klima und Wirtschaft.
Furchtbare Patzer gab es nicht, aber auch wenig, was hängen blieb. Das lag nicht nur am ruhigeren Tonfall, den sich der FDP-Chef in den vergangenen Monaten angeeignet hat – scharfe Oppositionsrhetorik wäre als neuer Hüter der Finanzen auch völlig deplatziert.
Das Ganze hat aber auch parteistrategische Gründe. Die Ampel birgt wahnsinniges Potenzial für die Liberalen. Die Union sitzt in der Opposition und hat auf ihrem Erneuerungskurs einen Mann der Vergangenheit hervorgekramt. Die Chance besteht darin, der Union den Platz der konservativ-bürgerlichen Mitte streitig zu machen – kein Wunder, dass Lindner betont, auch für Unionswähler:innen Politik machen zu wollen.
Die bürgerliche Mitte heißt rhetorisch übersetzt offenbar: sowohl als auch. Lindner zufolge gehe es in der Pandemie darum, „konsequenten Gesundheitsschutz einerseits mit möglichst viel gesellschaftlicher Freiheit andererseits“ zu verbinden. Bei der umstrittenen Impfpflicht erlaubt er sich, keine eindeutige Haltung zu haben. Er sei „nicht prinzipiell dagegen“, aber auch nicht „positiv entschieden“.
Die nächste Debatte zu sicheren Herkunftsstaaten kommt
Das Gleiche bei Einwanderungspolitik oder Klimaschutz. Menschen müssten „unbürokratisch zu uns kommen können“. Aber es brauche auch „tragfähige und in der Praxis funktionierende Rückführungs- und Migrationsabkommen mit anderen Staaten“. Bei Mobilität gehe es um das Fahrrad – und das Auto.
Diese Sowohl-als-auch-Rhetorik soll der FDP einen sozialeren Anstrich geben und ihr konservatives Profil in der Ampel stärken. Man darf sich davon nicht blenden lassen. Lindners Sprache verändert sich wie die Farbe eines Chamäleons, aber nicht seine politischen Überzeugungen. Das wird sich sicher bei der nächsten Debatte um sichere Herkunftsstaaten zeigen oder der ein oder anderen Herausforderung beim Klimaschutz.
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