Donald Trump in der Coronakrise: „Good job, Mr. President“
Für die AnhängerInnen des US-Präsidenten steht fest: Donald Trump macht alles richtig. Die Fehler im Umgang mit Covid-19 suchen sie woanders.
D oug Jackson hält „Amerika in Bewegung“, wie Tausende andere Trucker auch. Doch dieser an sich schon einsame Job ist in den vergangenen Wochen noch mal einsamer geworden. Jackson fährt seinen 18-Rad-Sattelschlepper nun über Highways, die immer leerer werden. Macht kaum noch Pausen an Raststätten. Schüttelt keine Hände mehr. Putzt mehrfach täglich die Armaturen. Falls er krank wird, will er sich komplett in das Fahrerhäuschen zurückziehen. Um seine Familie nicht anzustecken. Und weil die Krankenhäuser vor Corona-Patienten aus allen Nähten platzen. Fast 400.000 Infizierte zählten die USA am Mittwoch, so viele wie kein anderes Land.
An diesem Abend im April wartet Jackson auf einem Parkplatz in Marlboro im Bundesstaat New York auf eine Ladung Getränke. Die Getränke sind für Memphis, Tennessee bestimmt, 1.900 Kilometer weiter südwestlich. Der 52-jährige Jackson ist Lkw-Fahrer aus Southaven in Mississippi. Die Nachrichten verfolgt er sorgfältig. Bevor er ins Bett geht, wird er noch eine Weile Fox News und das tägliche Briefing mit Donald Trump aus dem Weißen Haus hören. „Das Virus hat den Präsidenten und die Regierung mit heruntergelassen Hosen erwischt“, sagt er, „sie waren nicht vorbereitet. Sie mussten hinterherrennen.“
So wie Jackson das sagt, klingt es nach einer Entschuldigung. „Natürlich hätte der Präsident es besser machen können“, meint Jackson, „aber dazu hätte er richtige Informationen gebraucht. Und die hatte er nicht.“ Dann aber habe er entschlossen gehandelt. Das Versagen der USA bei der Bekämpfung der Pandemie, die Verharmlosungen und Fehlinformationen über das Virus, der Zickzackkurs, der Mangel an Ausrüstung – nichts von alledem nimmt Lkw-Fahrer Jackson seinem Präsidenten übel. Anstelle von Trump macht er alle möglichen anderen verantwortlich.
„Wir hatten noch nie ein solches Virus“, sagt er. Und: „Die Ärzte und die Wissenschaftler haben dem Präsidenten nicht die richtigen Informationen gegeben.“ Und: „China hat geheim gehalten, wie schlimm das Virus ist.“ Überhaupt findet er es verdächtig, dass China schon zum zweiten Mal binnen wenigen Jahren ein Virus „produziert“. Auch auf seine eigenen Landsleute weist Jackson mit dem Finger: „Sie haben gedacht, die Quarantäne wäre ein Urlaub, und sie sind massenhaft an den Strand gerannt, anstatt zu Hause zu bleiben.“
Trump so beliebt wie nie
Mit dieser Sicht auf seinen Präsidenten ist der Lkw-Fahrer in großer Gesellschaft. In einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Umfrage der Washington Post und des Senders ABC stieg die Zustimmung für Trump auf den bislang höchsten von diesen beiden Medien gemessenen Wert: 48 Prozent äußerten sich positiv darüber, wie Trump seine Aufgaben als Präsident bewältigt.
Auch im politischen Lager des Präsidenten hört man keine Kritik an Trump. Judy Johnston sitzt in ihrem Wohnzimmer in Princeton in New Jersey vor dem Fernseher, als die taz bei ihr anruft. Die 80-Jährige wartet auf das Briefing des Präsidenten. Vergangenes Jahr ist ihr Partner gestorben. Die zusätzliche Einsamkeit infolge des Lockdown lastet schwer auf ihr.
New Jersey mit seinen 44.400 Infizierten gehört zusammen mit New York und Connecticut zum „Corona-Epizentrum“ in den USA. Das Leben außerhalb der eigenen vier Wände ist jetzt gefährlich. „Bis März konnte ich Freunde treffen und einkaufen gehen“, seufzt sie, „vielleicht muss ich nun auch auf Facetime gehen.“
Die pensionierte Sozialarbeiterin Johnston ist eine Trump-Anhängerin der ersten Stunde. Nun kann sie ihn bei den Corona-Briefings am späten Nachmittag, von denen manche länger als eineinhalb Stunden dauern, in ihrem eigenen Wohnzimmer beobachten. Ihr imponiert, wie Trump auftritt und wie er mit der Situation umgeht: „Er versorgt die Gouverneure aller Bundesstaaten, sogar die demokratischen mit den Dingen, die sie brauchen.“
Der Präsident nennt die Zahlen „übertrieben“, mit denen die Verantwortlichen in den Bundesstaaten in Washington um Beatmungsgeräte betteln. Und er wirft dem Krankenhauspersonal in New York, wo Ärzte und Krankenschwestern dieselben für einen einzigen Patienten gedachten Masken eine ganze Woche lang tragen müssen, vor, sie würden Masken „stehlen“.
Auch Johnston hält die Situation für weniger dramatisch als von den Gouverneuren beschrieben. „Viele Leute erholen sich von dem Virus“, sagt sie, „und wir haben viele Ressourcen zur Verfügung gestellt.“ Die Klagen über Materialmangel wischt sie beiseite. „In New York scheint die Lage nicht so gut zu sein“, gesteht sie der eineinhalb Autostunden von Princeton entfernten Großstadt zu: „Aber wir bekommen da widersprüchliche Nachrichten.“
Die WHO ist schuld – und China
Auch nach Johnstons Ansicht gibt es viele Verantwortliche dafür, dass das Problem so eskaliert ist. Der Präsident kommt dabei nicht vor. Hingegen rangiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ganz oben auf ihrer Liste, der auch Trump diese Woche „Versagen“ im Umgang mit der Pandemie vorgeworfen hat. „Die WHO steckt mit China unter einer Decke“, glaubt Johnston, „gemeinsam haben sie das Problem versteckt.“ Dafür habe China der WHO eine Menge Geld gegeben. Trump hingegen habe das Richtige getan, als er von dem Virus erfuhr und die Grenze für Einreisende aus China schloss. „Dafür ist er viel kritisiert worden“, sagt Johnston, „angeblich war das rassistisch.“
Sie macht China nicht nur dafür verantwortlich, den Rest der Welt zu spät und mit falschen Zahlenangaben informiert zu haben, sondern sie will auch wissen, dass das Virus in einem Testlabor in Wuhan entstanden sei. „Möglicherweise war es Absicht“, sagt sie. Auch diese Informationen – über das angeblich aus einem Labor entwichene Virus – hat sie auf Fox News gehört. Dass es dafür keinen Beleg gibt, beeindruckt sie nicht. Ihr ist es auch nicht wichtig, dass Epidemiologen – auch in den USA – schon seit Jahren vor gefährlichen neuen Viren warnen. „Es gibt halt immer verschiedene Geschichten“, relativiert sie, „alles hängt davon ab, wo man seine Nachrichten hört.“ Aber jeder wisse, „ dass man einem kommunistischen Land wie China nicht trauen kann“.
Johnston ist Fox-News-Zuschauerin. Manchmal guckt sie auch den 2013 gegründeten rechten Meinungssender OAN – One America News. Andere Medien hat sie ausprobiert, aber wieder verworfen. Über die beiden großen Zeitungen New York Times und Washington Post sagt sie: „Die dreschen auf den Präsidenten ein.“ Für Johnston ist die Republikanische Partei eine Angelegenheit, in die sie hineingeboren wurde. Schon ihr Vater – ein Notar in einer Vorstadt von Chicago – hat die Republikaner gewählt.
Am nordöstlichen Rand von Oregon, fast 4.400 Kilometer westlich von Princeton, sorgt Sheriff Kenneth Matlack für Recht und Ordnung. In seinem ländlichen County Morrow mit zwei positiv Getesteten scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Ganz Oregon hat nur 1.100 positiv getestete Personen. Aber der Bundesstaat Washington, von wo aus sich die Epidemie über die USA ausgebreitet hat, ist nur eine halbe Autostunde entfernt. Jenseits der Grenze zu Washington liegen auch die Supermärkte, wo die Leute aus Morrow County sich eindecken. In Washington sind 8.500 Personen infiziert.
Corona weit, weit weg
Wie überall in den USA sind auch in Morrow County die Schulen geschlossen, größere Versammlungen verboten und die Menschen aufgefordert, sechs Fuß Abstand voneinander zu halten. Die Mitarbeiter des Sheriffs sind neuerdings allein in ihren Patrouillenwagen unterwegs. Die Freiwilligen, die sonst als zweite Person dabeisitzen, bleiben zu Hause, um Ansteckungen zu vermeiden. Die medizinische Versorgung scheint gesichert zu sein. „Wir haben genug Masken, Krankenhausbetten und Beatmungsgeräte“, sagt Matlack. Oregon habe sich auf den schlimmsten Fall vorbereitet und zugleich auf den besten gehofft.
Der Sheriff ist ein Unterstützer des Präsidenten. „Trump ist kein perfekter Mann“, sagt er, „aber in dieser ungewöhnlichen Krise hat er einen guten Job gemacht. Dafür gebührt ihm Anerkennung.“ Er lobt den Präsidenten für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Bundesstaaten und für die großzügige Hilfe an die Gouverneure. Wenn Opposition und Medien den Präsidenten trotzdem kritisieren, ist das nach Matlacks Ansicht nichts weiter als ein Reflex nach dem Motto: „Lass keine Krise verstreichen, ohne zu sagen, dass er nicht genug getan hat.“
Auch im Mittleren Westen scheint das Virus eine ferne Bedrohung zu sein. In Kansas, wo der ehemalige Missionar Ron Free lebt, seit er nach 22 Jahren aus Afrika zurückgekommen ist, verkaufen die Fastfoodläden nur Essen zum Mitnehmen, und die Bars und Schulen sind geschlossen. Aber in einem Radius von 50 Kilometern rund um das Haus von Free und seiner Frau gibt es nur dünn besiedeltes Land und keine Infizierten.
Mitgefühl mit den Gouverneuren der Bundesstaaten New York, Maryland und Illinois hat Free nicht. Er glaubt nicht, dass tatsächlich Masken und Schutzkleidung fehlen, die doch so einfach herzustellen seien. Und er spricht von dem „Gejammere nach Beatmungsgeräten, die es angeblich nicht gibt“. Er nennt die Gouverneure einen „Haufen Babys, die alles, und zwar sofort haben wollen“, empfiehlt ihnen „Geduld“ und fügt hinzu: „Vielleicht werden halt ein paar Leute sterben.“
Chinesisches Virus? Aber ja!
Vor 25 Jahren war Free eine Zeit lang Missionar in China. Für ihn ist es „ein kommunistisches Land, dem ich nicht traue“. Er findet es richtig, dass Trump bei seinen Briefings im Weißen Haus von einem „chinesischen Virus“ redet. „Das Virus kommt schließlich dorther“, brummt er, „man muss die Dinge beim Namen nennen.“
Free hat einen weiteren Grund, sich nicht aufzuregen. „Wir werden sowieso alle sterben“, sagt der evangelikale Christ. Er selbst ist 75, was „normalerweise“ genug sei. Er glaubt zwar nicht, dass es ihn treffen werde – weil er in guter Verfassung sei, arbeite und Sport mache –, aber wenn er sterbe, sei das auch okay: „Ich glaube an das ewige Leben.“
Manchmal findet Free, dass Trump besser den Mund halten sollte. Aber wenn die Fernsehsender MSNC und CNN, „die ihn hassen“, den Präsidenten kritisieren, lässt ihn das völlig kalt. Er betrachtet Trump als einen „intelligenten Typ, der jede Menge gute Sachen macht“.
Weil Trump die Grenze für „illegale Einwanderer“ geschlossen habe, nicht mehr zulasse, dass China Technologie und Zölle stehle, und die Freihandelsabkommen aufgekündigt habe, wird Free ihn wieder wählen. Er glaubt nicht, dass die Ostküstenbewohner, „die Geldleute, Großstädter und Demokraten“, die jetzt am stärksten von der Epidemie betroffen sind, eine zweite Amtszeit von Trump im November verhindern können. Und die „Millennials, Sozialisten und anderen Bernie-Fans“ gebe es im Mittleren Westen sowieso nur in den Städten.
Corona als Wahlkampfhelfer
Die Coronakrise hat schlagartig den Wahlkampf alten Stils beendet. Trump muss keine Stadien mehr mieten, keine Werbung mehr machen und nicht mehr durch das Land reisen. Er muss nur in den Briefingraum des Weißen Hauses gehen, um in die Wohnzimmer seiner Landsleute zu flimmern. Die Fernsehsender übertragen ihn live, ohne einen Cent dafür zu kassieren. Auch jene, die er Fake Medias und Lügner schimpft.
Trump nennt sich jetzt „Kriegspräsident“. In seinen Briefings liefert er dem Publikum immer neue Spektakel. An einem Tag lässt er den Kapitän des Flugzeugträgers „Theodore Roosevelt“ feuern, weil dieser Druck gemacht hat, die Belegschaft wegen der hohen Corona-Infektionsrate zu evakuieren. An einem anderen Tag lässt er den Vizeminister für die Navy zurücktreten, weil der den Kapitän als „naiv oder dumm“ bezeichnet hat.
Der Lkw-Fahrer Doug Jackson aus Mississippi betrachtet sich nicht als hartgesottenen Republikaner – noch in den 90er Jahren hat er Bill Clinton gewählt. Jackson sagt, er habe in seinem Leben hart gearbeitet und jede Menge Operationen überstanden. „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker“, hat seine Oma ihm gesagt. Nun sorgt er sich, dass seine Frau an dem Virus erkrankt. Sie arbeitet für ein Unternehmen, das boomt, weil es Hustenschutztrennwände herstellt, die in Supermärkten und Krankenhäusern gebraucht werden. Und er hofft, dass er weiter auf der Straße bleiben kann, weil er das Geld braucht, um seinen Sattelschlepper zu finanzieren.
Jackson weigert sich, zu glauben, dass das Coronavirus von einem Tier stammt und „irgendwie natürlichen Ursprungs“ ist. Und er ist bereit, Fox News zu folgen, wenn sie behaupten, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan stammt. „Es ist sehr, sehr traurig für Italien und für uns, dass so viele sterben“, sagt Jackson. Er will, dass der „Wissenschaftler in dem Labor in China“ gefunden wird. „Irgendjemand“, findet er, „muss zur Verantwortung gezogen werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite