Diskussion um nukleare Teilhabe: Doppelte Standards der Ampel

ICAN und Linkspartei warnen die Bundesregierung vor atomarer Bedrohung. Doch reine Lippenbekenntnisse zu nuklearer Abrüstung reichten nicht.

Friedensdemonstranten laufen mit einem Transparent mit der Aufschrift "Give peace a chance" durch einen Weinberg

Diesjähriger Ostermarsch zum atombombenbestückten Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel Foto: Thomas Frey/dpa

BERLIN taz | Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) und die Linkspartei werfen der Bundesregierung Doppelmoral vor. Anlass ist die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Kathrin Vogler zur Stationierung von Kernwaffen in Nicht-Atomwaffenstaaten. Darin bekundet die Regierung zwar, sie würde sich „mit Nachdruck“ für die die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen und für „konkrete Schritte“ im Rahmen der nuklearen Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung einsetzen. Praktische Folgen für die in Deutschland stationierten Atomwaffen sieht sie jedoch nicht.

Hintergrund der Kleinen Anfrage ist die geplante Stationierung russischer Atomwaffen im Nachbarland Belarus – ein Plan, den ICAN als „unverantwortliche und gefährliche Eskalation“ verurteilt. Auch Bundesregierung sieht darin „einen auf Einschüchterung ausgerichteten Schritt, der zur Verschärfung von Spannungen beiträgt“.

Die Verlagerung von Nuklearwaffen nach Belarus laufe „den Bemühungen zur nuklearen Nichtverbreitung entgegen“, heißt es in dem vom grüngeführten Außenministerium verfassten Antwortschreiben. Die Bundesregierung fordere Russland auf, derartige unverantwortliche Schritte zu unterlassen und „alles zu tun, um die nuklearen Spannungen nicht weiter anzuheizen“.

Während die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation ICAN jedoch „im Interesse der Deeskalation in ganz Europa“ auch den Abzug der in Rheinland-Pfalz stationierten US-amerikanischen Atomwaffen fordert, will die Ampelkoalition davon nichts wissen.

Deutliche Kritik aus der Linkspartei

„Die Bundesregierung bekennt sich zur nuklearen Teilhabe (NT) der NATO als wichtigem Bestandteil“, heißt es dazu nur lapidar. Gleichwohl bleibe sie dem „Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt in Frieden und Sicherheit“ weiter verpflichtet und verfolge „dabei einen pragmatischen Ansatz konkreter nuklearer Abrüstungsschritte“.

Bei ICAN-Vorstand Xanthe Hall stößt das auf Unverständnis. „Diese Doppelmoral ist schon schlimm genug, aber hier geht es um Massenvernichtungswaffen, die Millionen Menschen bedrohen“, kritisierte sie. „Nukleare Teilhabe steigert das Risiko einer atomaren Eskalation, egal, ob es sich um US-amerikanische oder russische Atomwaffen handelt“, konstatierte Hall.

Deutliche Kritik kommt auch von der Linkspartei. „Die geplante Stationierung russischer Atombomben in Belarus stellt ein Weiterverbreitungsrisiko dar“, sagte die Linken-Parlamentarierin Vogler der taz. „Die Bundesregierung kann aber nicht erklären, warum das für die US-Atomwaffen im rheinland-pfälzischen Büchel nicht gelten soll.“ Gegen einen atomaren Rüstungswettlauf würden nicht doppelte Standards, sondern konkrete eigene Abrüstungsvorschläge helfen. „Die US-Atomwaffen müssen abgezogen werden“, forderte Vogler. Außerdem müsse die Bundesrepublik dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten.

Der Atomwaffenverbotsvertrag hat das Ziel, eine Welt ganz ohne Atomwaffen zu schaffen. Seit Januar 2021 in Kraft, verbietet er unter anderem den Einsatz, Besitz und Transit, die Lagerung und Stationierung von Atomwaffen. 92 Staaten haben den Vertrag inzwischen unterzeichnet und 68 ratifiziert. Deutschland gehört nicht dazu, weil die Bundesregierung der Auffassung ist, dass ein Beitritt nicht mit den sich aus der Mitgliedschaft im Nato-Bündnis ergebenden Verpflichtungen vereinbar wäre.

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