Diskussion um nukleare Teilhabe: Doppelte Standards der Ampel
ICAN und Linkspartei warnen die Bundesregierung vor atomarer Bedrohung. Doch reine Lippenbekenntnisse zu nuklearer Abrüstung reichten nicht.
![Friedensdemonstranten laufen mit einem Transparent mit der Aufschrift "Give peace a chance" durch einen Weinberg Friedensdemonstranten laufen mit einem Transparent mit der Aufschrift "Give peace a chance" durch einen Weinberg](https://taz.de/picture/6237381/14/32584192-1.jpeg)
Hintergrund der Kleinen Anfrage ist die geplante Stationierung russischer Atomwaffen im Nachbarland Belarus – ein Plan, den ICAN als „unverantwortliche und gefährliche Eskalation“ verurteilt. Auch Bundesregierung sieht darin „einen auf Einschüchterung ausgerichteten Schritt, der zur Verschärfung von Spannungen beiträgt“.
Die Verlagerung von Nuklearwaffen nach Belarus laufe „den Bemühungen zur nuklearen Nichtverbreitung entgegen“, heißt es in dem vom grüngeführten Außenministerium verfassten Antwortschreiben. Die Bundesregierung fordere Russland auf, derartige unverantwortliche Schritte zu unterlassen und „alles zu tun, um die nuklearen Spannungen nicht weiter anzuheizen“.
Während die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation ICAN jedoch „im Interesse der Deeskalation in ganz Europa“ auch den Abzug der in Rheinland-Pfalz stationierten US-amerikanischen Atomwaffen fordert, will die Ampelkoalition davon nichts wissen.
Deutliche Kritik aus der Linkspartei
„Die Bundesregierung bekennt sich zur nuklearen Teilhabe (NT) der NATO als wichtigem Bestandteil“, heißt es dazu nur lapidar. Gleichwohl bleibe sie dem „Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt in Frieden und Sicherheit“ weiter verpflichtet und verfolge „dabei einen pragmatischen Ansatz konkreter nuklearer Abrüstungsschritte“.
Bei ICAN-Vorstand Xanthe Hall stößt das auf Unverständnis. „Diese Doppelmoral ist schon schlimm genug, aber hier geht es um Massenvernichtungswaffen, die Millionen Menschen bedrohen“, kritisierte sie. „Nukleare Teilhabe steigert das Risiko einer atomaren Eskalation, egal, ob es sich um US-amerikanische oder russische Atomwaffen handelt“, konstatierte Hall.
Deutliche Kritik kommt auch von der Linkspartei. „Die geplante Stationierung russischer Atombomben in Belarus stellt ein Weiterverbreitungsrisiko dar“, sagte die Linken-Parlamentarierin Vogler der taz. „Die Bundesregierung kann aber nicht erklären, warum das für die US-Atomwaffen im rheinland-pfälzischen Büchel nicht gelten soll.“ Gegen einen atomaren Rüstungswettlauf würden nicht doppelte Standards, sondern konkrete eigene Abrüstungsvorschläge helfen. „Die US-Atomwaffen müssen abgezogen werden“, forderte Vogler. Außerdem müsse die Bundesrepublik dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten.
Der Atomwaffenverbotsvertrag hat das Ziel, eine Welt ganz ohne Atomwaffen zu schaffen. Seit Januar 2021 in Kraft, verbietet er unter anderem den Einsatz, Besitz und Transit, die Lagerung und Stationierung von Atomwaffen. 92 Staaten haben den Vertrag inzwischen unterzeichnet und 68 ratifiziert. Deutschland gehört nicht dazu, weil die Bundesregierung der Auffassung ist, dass ein Beitritt nicht mit den sich aus der Mitgliedschaft im Nato-Bündnis ergebenden Verpflichtungen vereinbar wäre.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben