Jagdrecht und Waldumbau: Das Jagdrecht ist reformierbar
Was im Bund und in Brandenburg scheiterte, ist der Regierung in Rheinland-Pfalz geglückt: ein neues Jagdrecht zu beschließen. Das hilft dem Wald.

„Was wir hier beschließen, strahlt aus, Rheinland-Pfalz kann Vorbild sein für viele andere waldreiche Regionen“, sagte Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) vor der Abstimmung im Mainzer Landtag am Donnerstag.
Das Jagdrecht gilt als wichtig für den Waldumbau, weil die hohen Bestände an Rot- und Damwild vielerorts verhindern, dass junge Bäume nachwachsen und sich der Wald so durch Naturverjüngung erneuert.
In Rheinland-Pfalz fällt das besonders ins Gewicht; hier bestehen die Waldgebiete zu 85 Prozent aus Mischwald und könnten sich größtenteils durch Naturverjüngung neu bilden, weil verschiedene Baumarten vorhanden sind.
Jäger protestierten teils martialisch
In einigen Waldregionen, beispielsweise des Harzes, des Sieger- und Sauerlandes, deren artenarme Fichtenforste in den vergangenen Jahren stark unter Hitze, Dürre und Borkenkäferbefall litten, bilden sich auf den kahlen Flächen neue Fichtenwälder mit zweifelhafter Zukunft. Hier ist Naturverjüngung schwieriger.
Aber auch in Rheinland-Pfalz wird kostspielig aufgeforstet: Mit dem am Mittwoch verabschiedeten rheinland-pfälzischen Klimagesetze sind Investitionen von 50 Millionen Euro in den Waldumbau verbunden. „Wir werden mit Steuergeldern Tausende neuer Bäume pflanzen“, sagt Eder, „wir können nicht zulassen, dass das Rotwild sie direkt wieder auffrisst.“ Dieses Problem haben Förster quasi bundesweit.
Jäger wehren sich dagegen, viel Wild schießen zu müssen. „Die Diskussionen waren kontrovers und lang, einige Abgeordnete sind persönlich hart angegangen worden, es war zum Teil schwer, das auszuhalten“, sagt Eder über den dreieinhalbjährigen Gesetzgebungsprozess.
Begleitet war er durch eine heftige Kampagne der im Landesjagdverband organisierten Jägerschaft. In Brandenburg waren sie erfolgreich, der ehemalige grüne Umweltminister Axel Vogel musste die Jagdgesetzreform 2024 beerdigen, genau wie 2021 Ex-Agrarministerin Julia Klöckner (CDU).
Der Protest in Rheinland-Pfalz gipfelte auf dem Grünen-Parteitag im Mai, wo Jäger einen Anhänger postierten, auf dem tote Rehe hingen. Sie wollten damit den „Grünen den Wahnsinn ihres Gesetzes aufzeigen“, sagte der Geschäftsführer des Landesjagdverbands, Sven Bischoff, dem SWR. „Es wird von uns Jägern verlangt, dass wir immer mehr schießen“, es gehe nur noch „ums Totschießen, zu Nutzen des Forstes und der Waldbesitzer, die einfach nur ihre wirtschaftliche Kraft stärken möchten.“
Landesregierung setzte sich durch
Das neue Gesetz ermöglicht nun trotz dieses Widerstands eine stärkere Bejagung des Wildes. Wenn die Behörden feststellen, dass eine artenreiche Naturverjüngung des Waldes ohne Schutzmaßnahmen wie Wildzäune oder Wuchshüllen nicht möglich ist und es zu einer „erheblichen Gefährdung des Waldes“ kommt, können sie festsetzen, wie viele Tiere mindestens geschossen werden müssen.
Zudem können Waldbesitzende privatrechtliche Verträge mit ihren Jagdpächtern abschließen und sie bei der Jagdausübung unterstützen. Quasi als Gegenleistung hatte Ministerin Eder der Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht zugestimmt. „Der Wolf bleibt dennoch eine besonders geschützte Art, eine Entnahme unterliegt nach wie vor hohen Auflagen“, heißt es aus dem Ministerium.
Größter Waldbesitzer des Flächenlandes sind die Kommunen. Das Gesetz sei „ein Kompromiss, wir finden uns dort nur in Teilen wieder“, sagt Stefan Schäfer, Sprecher des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz. Allerdings sei man der Meinung, nach dem jahrelangen Gesetzgebungsprozess „muss man den Deckel jetzt auch mal draufmachen“.
Der Klimawandel erfordere es, im Interesse künftiger Generationen klimastabile Wälder aufzubauen, sagt Schäfer. Das sei eine übergeordnete Zielsetzung, die das Jagdgesetz unterstützen müsse. In Kraft treten wird es 2027, damit auch die Verordnung, mit der es umgesetzt wird, partizipativ gestaltet werden kann.
Erfolg auch in Mecklenburg-Vorpommern
Vergangenes Jahr hatte die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns aus SPD und Linken es ebenfalls geschafft, ein neues Jagdgesetz zu verabschieden. Es sieht eine Ausweitung des Jagdrechts vor allem auf junges Rot- und Damwild vor, denn die Forste des Küstenlandes zeigen nicht nur die größten Verbissschäden bundesweit, sondern dort wird auch am meisten Geld für Wildzäune ausgegeben.
„Alle wenden das Gesetz relativ geräuschlos an“, sagt Jörg Heydorn, Vorsitzender des ökologischen Jagdvereins, „gemessen an den Konflikten, die es vor der Verabschiedung gab“. Ob der gefundene Kompromiss allerdings auch Wirkung zeige, sei noch offen. „Ich glaube nicht, dass wir damit jetzt durch sind“, sagt Heydorn, „die nächste Schweriner Landesregierung muss an das Gesetz bestimmt noch mal ran.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedrich Merz' Queerfeindlichkeit
„Zirkuszelt“-Aussage erntet Kritik
Dobrindt will mit Taliban sprechen
Deutschlands „Migrationswende“ wird am Hindukusch verhandelt
USA setzen Waffenlieferungen aus
Fatale Hilfsverweigerung
Merz gegen Regenbogenfahne
Wir sind keine Freakshow!
Israels Pläne für Gaza und die Westbank
Deutschland bleibt Komplize
Koalition erzielt keine Einigung
Keine Senkung von Stromsteuer für private Verbraucher