Die ausgetauschten Gefangenen: Spione gegen Oppositionelle

Journalist:innen, Oppositionelle und ein Nobelpreisträger hier, Spione und ein Mörder dort. Die Liste der von Russland und dem Westen Ausgetauschten.

6 Porträts aus dem Gefangenenaustausch

Sechs der Freigelassenen Foto: ap

Von Russland und Belarus freigelassen:

Evan Gershkovich: Der 32-jährige Journalist der US-Zeitung Wall Street Journal war erst im Juli zu 16 Jahren in einer „Strafkolonie strengen Regimes“ verurteilt worden. Er war 2023 als angeblicher CIA-Spion in Jekaterinenburg festgenommen worden. Der Sohn sowjetischer Emigranten war 2018 als Journalist nach Moskau gekommen.

Paul Whelan: Der ehemalige US-Marineinfanterist war 2020 in Russland wegen Spionage zu 16 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Nach Angaben seines Anwalts war Whelan Opfer eines Hinterhalts geworden: Er habe damals, als er sich als Hochzeitsgast von Freunden in Moskau befand, von einem Bekannten einen USB-Stick erhalten und geglaubt, es befänden sich Urlaubsfotos auf dem Speichermedium.

Alsu Kurmasheva: Die russisch-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva war Ende Juli in Russland zu 6,5 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Vorwurf lautete „Verbreitung von Falschinformationen über die russische Armee“. Was der 47-Jährigen konkret zur Last gelegt wurde, war auch nach dem Gerichtsentscheid nicht bekannt.

Wladimir Kara-Mursa: Der 42-jährige, russische Oppositionspolitiker war im April unter anderem wegen Staatsverrats in Moskau zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte sich seit Jahrzehnten für freie Wahlen in Russland engagiert und mehrere Giftanschläge überlebt. 2022 hatte er vor der Abgeordnetenkammer des US-Bundesstaates Arizona den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt. Einen Monat später war er festgenommen worden.

Ilja Jaschin: Der russischen Oppositionspolitiker war 2022 zu 8,5 Jahren Haft verurteilt worden. Dem 40-Jährigen waren Falschaussagen vorgeworfen worden, weil er auf seinem YouTube-Kanal über die Morde an Zivilisten durch die russische Armee im ukrainischen Butscha informiert hatte. Schon 2012 hatte er, an Seite von Alexei Nawalny und Boris Nemzow, wochenlang Straßenproteste in Moskau angeführt. Hunderttausende Menschen waren immer wieder gekommen, um gegen die offensichtlich manipulierte Parlamentswahl von 2011 zu demonstrieren.

Andrej Piwowarow: Der 42-jährige Oppositionspolitiker leitete die regierungskritische Gruppe „Offenes Russland“. Als sie 2021 zur „unerwünschten Organisation“ erklärt und damit faktisch verboten wurde, löste er sie auf. Dennoch wurde er festgenommen und 2022 zu vier Jahren Haft verurteilt.

Oleg Orlow: Der Menschenrechtler war im Februar zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er soll mit kritischen Berichten über den Ukraine-Krieg die russische Armee diskreditiert haben. Der 71-Jährige war einst Co-Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation „Memorial“, die 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, zu dem Zeitpunkt in Russland allerdings bereits verboten war.

Alexandra „Sascha“ Skotschilenko: Die Künstlerin war 2022 festgenommen worden, weil sie in einem Petersburger Supermarkt Preisschilder gegen Anti-Kriegs-Parolen ausgetauscht hatte. Sie wurde später wegen „Falschinformationen zur russischen Armee“ zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Xenia Fadejewa, Lilja Tschanyschewa und Wadim Ostanin: Die drei waren Mit­ar­bei­te­r:in­nen des Oppositionspolitikers Andrei Nawalny, der im Februar Straflager ums Leben kam. Fadejewa, Tschanyschewa und Ostanin waren Ende 2023 und Anfang 2024 zu jeweils mindestens 9 Jahren Haft verurteilt worden.

Kevin L.: Der 19-jährige Deutsch-Russe war 2023 und wegen Landesverrats zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Er soll Fotos von einer militärischen Einheit gemacht haben.

Rico K.: Der 29-jährige Deutsche war in Belarus im Juli zum Tode durch Erschießen verurteilt worden, weil er militärische Anlagen fotografiert haben soll. Zudem soll er Sprengstoff an einem Gleis abgelegt haben. Erst Ende Juli war er vom belarussischen Präsident Alexander Lukaschenko begnadigt worden.

Demuri W.: Der deutsch-russische Politikwissenschaftler war 2023 in Russland wegen Hochverrats zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Ihm war vorgeworfen worden, Information des Journalisten Iwan Safronow weitergegeben zu haben, der zu 22 Jahren Haft verurteilt wurde.

Patrick S.: Der Deutsche war im Februar am Flughafen in St. Petersburg verhaftet worden, weil er Cannabis-Gummibärchen im Gepäck hatte.

German M.: Der deutsch-russische Anwalt war im Mai in St. Petersburg wegen Landesverrat festgenommen worden. Sein Unternehmen soll laut Medienberichten in Petersburg auch Menschen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten beraten haben. Zuvor war M. laut der Jüdischen Allgemeinen in der Jüdischen Gemeinde in Köln aktiv.

Vom Westen freigelassen:

Wadim Krassikow: Der Russe war 2021 in Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil er 2019 den früheren tschetschenischen Feldkommandeur Selimchan Changoschwili im Kleinen Tiergarten, einem Park im Berliner Stadtteil Moabit, erschossen hatte. Krassikow war zuvor mit einem echten, neu ausgestellten Pass auf den Namen Vadim Sokolov in Deutschland eingereist. Der Russe habe einen „staatlichen Liquidierungsauftrag“ ausgeführt, befand das Gericht. Am Freitag hat Moskau die Tätigkeit Krassikows für den russischen Geheimdienst FSB enthüllt. „Krassikow ist ein Mitglied des FSB“, sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Pawel Rubzow bzw. Pablo González: Der spanisch-russische Journalist war 2022 in Polen festgenommen worden. Die polnische Justiz warf ihm vor, im Dienste Putins spioniert zu haben. Im Herbst 2023 hatten sich 14 EU-Abgeordnete für seine Freilassung beziehungsweise ein faires Verfahren eingesetzt.

Roman Selesnew: Der Russe war 2017 in Seattle (USA) wegen eines Hackerangriffs auf mehr als 500 Unternehmen und des Diebstahls von Millionen Kredikartennummern zu 27 Jahren Haft verurteilt worden. Er ist der Sohn eines russischen Duma-Abgeordneten.

Wladislaw Kljuschin: Der russische IT-Unternehmer war in Boston (USA) wegen Cyberbetrugs zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Kljuschin war 2021 in der Schweiz beim Skifahren festgenommen worden. Er gilt als ein Kenner der russischen Desinformationskampagnen.

Wadim Konoschtschenok: Er war Ende 2022 in Estland festgenommen worden, weil er unter Umgehung von Sanktionen auch für militärische Zwecke nutzbare Technik aus den USA über die EU nach Russland geschmuggelt haben soll. Er war noch nicht verurteilt.

Artem Dulzew und Anna Dulzewa: Das Ehepaar war in Slowenien verurteilt worden, weil sie sich als Argentinier ausgegeben hatten, um den EU- und NATO-Mitgliedstaat auszuspionieren. Die slowenische Regierung vermutete, dass es sich bei dem Ehepaar um Geheimagenten handelt, die darauf trainiert sind, sich als Ausländer auszugeben und jahrelang unter ihrer Tarnidentität im Ausland zu leben.

Michail Mikuschin: Der Russe soll hochrangiger Offizier des russischen Militärgeheimdienstes sein. Er wurde 2022 in Norwegen festgenommen, wo er sich als brasilianischer Forscher an der Universität Tromsø ausgegeben hatte.

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