Medien in Russland: Krieg gegen die Pressefreiheit

Der ehemalige Journalist Iwan Safronow wurde in Russland zu 22 Jahren Lagerhaft verurteilt. Der Zeitung Nowaja Gaseta wurde die Lizenz entzogen.

Chefredakteur und Stellvertreter sitzen im Gerichtssaal

Dmitri Muratow, Chefredakteur der Nowaja Gaseta, und Stellvertreter Sergej Sokolow im Gerichtssaal Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Russlands Präsident und oberster Kriegsherr Wladimir Putin beschäftigt sich auch mit den „lästigen“ Dingen des Lebens. Er werde nicht darüber richten, wie gerechtfertigt die Strafe für Iwan Safronow sei. „Die Details kenne ich nicht. Aber ich weiß, dass er sein Geld nicht nur mit journalistischer Arbeit, sondern auch damit verdient hat, dass er Material gesammelt und auf Anordnung eines westlichen Geheimdienstes weitergegeben hat“, sagte Putin am Mittwoch.

Zwei Tage zuvor war der 32-jährige Safronow, ein ehemaliger Mitarbeiter der russischen Zeitung Kommersant, wegen Staatsverrats zu 22 Jahren Lagerhaft unter verschärften Bedingungen verurteilt worden. Hinzu kommen zwei Jahre Freiheitsentzug nach Verbüßung der Haft sowie eine Geldstrafe von umgerechnet 8.230 Euro.

Von Beweisen könne keine Rede sein, schreibt das unabhängige russische Medienportal Projekt, da alle Informationen, die Safronow angeblich weitergegeben habe, frei zugänglich gewesen seien. Der Fall ist nicht das einzige Beispiel für die massiven Repressionen, mit denen die russische Staatsmacht verstärkt seit ihrem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar gegen kritische Medien vorgeht. Ebenfalls am vergangenen Montag hatte ein Moskauer Gericht auf Betreiben der Medienaufsichtsbehörde Rozkomnadzor die Registrierung für die gedruckte Ausgabe der Nowaja Gaseta für ungültig erklärt.

Angeblich geht es dabei um einen Eigentümerwechsel 2006, der nicht durch eine entsprechende Änderung der Satzung des Mediums angezeigt worden sei. Jedoch hatte die Nowaja Gaseta nach zwei Verwarnungen ihr Erscheinen – sowohl gedruckt als auch online – bereits im vergangenen März selbst eingestellt. Chefredakteur Dmitri Muratow, der 2021 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war, nannte die Gerichtsentscheidung „von oben angeordnet“ und „politisch“. Am Dienstag versetzte dasselbe Gericht auch der Nowaja Rasskas-Gaseta (NO) den Todesstoß und erklärte deren Registrierung für ungültig.

Die NO ist ein neues Projekt der Nowaja Gaseta, dort wurden vor allem literarische Texte veröffentlicht. Seit dem 24. Juli ist die Seite blockiert, angeblich wegen „Diskreditierung der russischen Armee“. Die Redaktion quittierte diese Entscheidung mit den Worten, die Webseite sei in den Kinderschuhen getötet worden. Am 15. September entscheidet das Oberste Gericht übrigens über die Registrierung der Nowaja Gaseta Online, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax meldet. Der Ausgang des Verfahrens steht schon jetzt fest.

Krieg, der nicht so genannt werden darf

Diskreditierung der russischen Armee sowie Verbreitung von Fake News über den Krieg, der so nicht genannt werden darf: Das ist der gesetzliche Hebel, mit dem der Kreml kritische Medien mundtot und mittlerweile Hunderte russische Journalisten ins Exil – oft in die baltischen Staaten – getrieben hat. Dort, wie auch in anderen EU-Staaten, dürfen sie trotz aller Visa-Beschränkungen zumindest auf einen Aufenthaltsstatus hoffen.

Aber es geht auch anders, wie im Falle Georgiens. Die Südkaukasusrepublik ist seit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges gegen die Ukrai­ne für viele Rus­sen zu einem Zufluchtsort geworden – darunter auch Aktivisten, Men­schen­recht­le­rn und Jour­na­lis­ten. Am Mittwoch wurde dem Gründer des Mediums Takie dela („Solche Dinge gibt es“), Dmitri Aleschkowski, die Einreise nach Georgien verweigert, wie die russischsprachige Webseite insider.ru berichtet. Angaben Alesch­kowskis zufolge sei er wieder ins Flugzeug gesetzt und zurückgeschickt worden. Er lebe seit mehreren Jahren in Georgien, in der Hauptstadt Tiflis wohnten seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter.

Am vergangenen Wochenende war es dem Fotojournalisten Wassili Krestjanikow genauso ergangen, und das bereits zum zweiten Mal. Der 24-Jährige arbeitet unter anderem für die Nachrichtenagentur Associated Press und für insider. Laut dem russisch-georgischen Politologen Jegor Kuroptew, der mit seiner Organisation „Free Russia Foundation“ Rus­sen unterstützt, seien das bislang jedoch Einzelfälle. Das Vorgehen der Behörden hänge wohl mit der mangelnden Bereitschaft zusammen, hochkarätige Persönlichkeiten ins Land zu ­lassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bilder zur Pressefreiheit 2024 Illustration von Lucia Žatkuliaková 6976051 6008040 g6008040

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.