Mord an Georgier: Kopfschuss aus Moskau?

Der im August in Berlin erschossene Georgier könnte Opfer des russischen Staates sein. Der Generalbundesanwalt will das Verfahren jetzt übernehmen.

Menschen in weißen Overalls vor einem blauen Zelt

Beamte sichern Spuren am Tatort in Berlin Foto: dpa

BERLIN/HAMBURG taz/afp/dpa | Deutschen und russischen Diplomat*Innen steht in Kürze wohl eine arbeitsreiche Zeit bevor. Ein Mord in einem Park im Berliner Stadtteil Moabit könnte zur Belastungsprobe für die Beziehungen werden. Denn im Fall des im August erschossenen Georgiers Selimchan Changoschwili soll nun die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich ziehen.

Darüber hatte am Dienstag zuerst Spiegel Online berichtet. Demnach geht die Behörde davon aus, dass der nach der Tat in der Hauptstadt festgenommene 49-jährige Verdächtige im Auftrag von russischen staatlichen Stellen gehandelt haben könnte.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe teilte am Dienstag auf Nachfrage mit, sie habe die Ermittlungen „bislang nicht“ an sich gezogen. Die Tat vom August schlägt schon seit längerem hohe Wellen, es gab wiederholt Spekulationen über einen Auftragsmord. Die Regierung in Moskau wies jede Verwicklung in das Verbrechen zurück.

Die Bundesanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen und die Anklage in allen Fällen, die die innere und äußere Sicherheit des Landes besonders betreffen. Dazu gehören neben Terrorismus, Spionage und Landesverrat auch solche Verbrechen, die eine außenpolitische Dimension aufweisen.

Das 40-jährige Opfer war im Kleinen Tiergarten in Berlin von einem Fahrrad aus erschossen worden. Der Verdächtige wurde festgenommen, die Tatwaffe und das mutmaßliche Fluchtfahrrad von der Polizei beschlagnahmt. Das Opfer soll im sogenannten zweiten Tschetschenienkrieg gegen Russland gekämpft haben.

Druckfrischer Pass und falsche Telefonnummer

Der Tatverdächtige war mit einem echten, neu ausgestellten Pass auf den Namen Vadim Sokolov eingereist. Nach Recherchen des Spiegel und seiner Kooperationspartner Bellingcat, The Insider und The Dossier Centre waren Telefonnummern seines angeblichen Arbeitgebers zuvor vom russischen Verteidigungsministerium genutzt worden. Nun habe es Hinweise gegeben, dass der Tatverdächtige bereits 2013 einen Mord begangen haben soll.

Der Fall erinnert an den Anschlag auf den übergelaufenen Ex-Geheimdienstoberst Sergei Skripal im März 2018. Er und und seine Tochter waren in der englischen Stadt Salisbury mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok attackiert worden. Sie überlebten den Anschlag jedoch. Eine unbeteiligte Britin starb Tage später, nachdem sie zufällig mit dem Gift in Kontakt gekommen war. Die britische Regierung machte Russland verantwortlich. Infolge der Krise wiesen Großbritannien, die USA und verbündete Staaten – auch Deutschland – mehr als 140 russische Diplomaten aus. Der Kreml reagierte mit ähnlichen Maßnahmen.

Verdächtigt wurden zwei Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Die beiden gaben aber an, als Touristen und Liebhaber englischer Baukunst nach Salisbury gekommen zu sein. Kurz nach der Tat hatten sie das Land wieder verlassen – reiner Zufall, wie sie später im russischen Fernsehen erzählten.

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