Die Verwandlung: Mein Leben als Impfdurchbruch
Über Nacht war das Leben unserer Autorin ein anderes. Eines mit Corona. Und mit schlechtem Gewissen.
A ls ich am Montagmorgen aus unruhigen Träumen erwachte, fand ich mich in meinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Den Kopf konnte ich kaum heben. Die Stimme kratzte im Hals. „Was ist mit mir geschehen?“, dachte ich. Es war kein Traum. Mein Zimmer, ein richtiges, nur etwas zu kleines Menschenzimmer, lag ruhig zwischen den vier wohlbekannten Wänden.
Ich schrieb meinem Chef eine Nachricht, „kann nicht kommen“, und verkroch mich unter der Decke. Schleim bewegte sich in meinem Hals, auch entgegen der Schwerkraft. Ich schwitzte grundlos. „Dies frühzeitige Aufstehen“, dachte ich, „macht einen ganz blödsinnig.“ Aber an Schlaf war auch nicht mehr zu denken.
Um meinen Zustand zu prüfen, steckte ich mir einen Plastikstab in die Nase und drehte ihn. Mit Schrecken stellte ich fest: Es stimmte, ich war über Nacht zur Aussätzigen geworden. Ich durfte meine Wohnung nicht mehr verlassen. Dabei hatte ich alles getan, um das zu verhindern.
Unter der Bettdecke am Sandwich nagen
Noch nie fand ich mich so eklig wie in dieser Woche. Die Luft, die ich ausatme, die Finger, die alles berühren. Weil es anderen auch so geht, verlasse ich mein Zimmer nur, wenn es sein muss. Ich ziehe eine Maske über Mund und Nase, öffne die Tür einen Spalt und versuche zu hören, wo meine Mitbewohnerin gerade ist. Abends erkenne ich es am Licht. Wenn die Bahn frei ist, schleiche ich raus ins Bad. Dort angekommen, vermeide ich es, in den Spiegel zu schauen. Ich traue mich kaum, den Mund zu öffnen, um meine Zähne zu putzen.
Meine Mitbewohnerin hat mich nicht aufgegeben. Obwohl sich nun auch alle von ihr distanzieren – wegen mir. Gestern brachte sie Falafel mit. Mein Essen liege auf dem Küchentisch, sagte sie, als sie die Wohnung betrat (wir unterhalten uns durch geschlossene Türen). Ich wartete ein paar Sekunden, bis sie in ihrem Zimmer war. Dann kroch ich in die Küche, zog die Tüte mit dem warmen Sandwich vom Tisch und verschwand unter der Bettdecke, wo ich an meinem Falafelsandwich nagte.
Das Leben mit Impfdurchbruch ist kein leichtes. Man ist krank, eingesperrt und Franz Kafka muss einem beim Kolumnenschreiben helfen.
Nachrichten verspulen einen noch mal anders, wenn man Fieber hat: Trumps Mauer in Europa, Putins grinsendes Gesicht, das sagt, Russland habe mal wieder nichts mit nichts zu tun, und dazu tanzende Krankenschwestern auf dem Karneval in Köln.
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Happy End dank Impfung
Aber das Schlimmste an dieser Infektion ist das schlechte Gewissen. Es ist sofort da, zack!, nachdem der T-Balken auf dem Testergebnis erschienen ist. Und es bleibt, auch wenn man nichts Falsches getan hat.
Ich lag also im Bett und schrieb allen, neben denen ich in den Tagen zuvor länger als eine Minute gestanden hatte. Ich hoffe, ich habe niemanden vergessen.
Außerdem schrieb ich wieder den paar Leuten, die ich sehr mag und von denen ich weiß, dass sie nicht geimpft sind. Nie hatten meine Argumente mehr Gewicht: Hey, ich habe Corona! Nicht so geil! Trotz Impfschutz! Zwei von drei wollen es sich nun noch mal überlegen.
Ich glaube, ich verstehe jetzt erst, wie wichtig diese Impfung wirklich war. Ich verstehe es nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Körper. Wer weiß, vielleicht wäre es mir ohne so ergangen wie Gregor Samsa.
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