Die Kunst der Woche: Wo der Wind ein Lied singt
Vielschichtig: poetische Reflexionen über Gärten in der Klosterruine. Und eigenwillige Positionen zu Traditionen in Südkorea bei Esther Schipper.
E ine ebenso schlechte wie gute Idee war es, der Ausstellung von Shirin Sabahi in der Klosterruine ausgerechnet an einem jener extrem heißen Tage der vergangenen Woche einen Besuch abzustatten. Schlecht, weil Hitze bekanntlich Kopf wie Blick beduselt, gut aber, weil die Klosterruine, gelegen zwischen Alexa und Grunerstraße, immer schon eine angenehm kühle Oase der Ruhe in dieser unwirtlichen Gegend nahe des Alexanderplatzes war, unterstützt von Sabahis Kunst aber sogar noch ein bisschen mehr.
„Out of Season“, so der Titel der Outdoor-Ausstellung, ist eine poetische Reflexion über Gärten – naheliegenderweise Klostergärten als Rückzugsort und Forschungsstätte. Aber auch über Gärten als Orte mit komplizierter Bedeutung, an denen versucht wird, die Natur zu beherrschen oder in deren Botanik sich koloniale Verstrickungen zeigen.
Zweischneidig, vielschichtig sind denn auch die Objekte, die Sabahi in ihren Garten gestellt hat. Ein achteckiger, poolblau angestrichener Springbrunnen plätschert vor sich hin. Erinnern könnte er an die Wasserbecken und Brunnen islamischer Gärten oder Innenhöfe, errichtet zur religiösen Einkehr. Ebenso aber auch an die historischen Berliner Klohäuschen, in der schwulen Cruisingszene bekannt als „Café Achteck“ – eine andere Form der Einkehr.
Wunderschön, aber völlig leblos funkeln überdimensionierte Schnittblumen im Sonnenlicht. Sabahi hat sie aus Schalen, Vasen, Tellern und Bechern aus solchem bunten Glas zusammengesetzt, wie es sie jetzt nur noch auf dem Trödel für kleines Geld zu kaufen gibt. Dahinter singt eine „Geisterharfe“ im Wind, ein aus spiegelndem Metall nachgebauter und mit Saiten bestückter Windfänger, in der traditionellen persischen Architektur ein Element zur natürlichen Klimatisierung von Innenräumen, der hier im Außenraum freilich nichts auszurichten vermag.
Und zwischen allem stehen Klappstühle, verbindende rote Punkte, wie sie für die Bundesgartenschau 2005 in München hergestellt wurden – Sinnbilder dafür, inwiefern Gärten zu Instrumenten der Politik werden können, aber auch bequeme Sitzgelegenheiten, um von dort aus zu lauschen und zu schauen.
Dui Jip Ki bedeutet im Koreanischen so viel wie „Umdrehen“ und wird in diversen Zusammenhängen genutzt, ob man nun einen Pfannkuchen wendet, seine Meinung ändert oder auch beim Ringkampf den Gegner oder die Gegnerin auf den Boden legt und damit besiegt.
Dass die Gruppenausstellung koreanischer Kunst, mit der Esther Schipper in ihren Berliner Räumen den einjährigen Geburtstag ihrer Seouler Dependance begeht, diesen Titel trägt, sei als Hinweis auf die Heterogenität der Positionen zu verstehen – so steht es in der Pressemitteilung. Das klingt banaler, als es sich in der Ausstellung zeigt, nämlich in vielen neuen interessanten Wendungen im Sinne eines individuell eigenwilligen Umgangs mit Traditionen. Einen ziemlich guten Einblick in die Kunstproduktion des südostasiatischen Landes bekommt man so – ganz ohne Fernreise.
Einladungen zur Kontemplation über die Essenz von Malerei sind die zarten Gemälde von Hong Joo Kim (*1945), dem ältesten Künstler der Ausstellung. In direkter Nachbarschaft dazu beweist Lee Bae (*1956), wie erstaunlich vielfältig der Fokus auf ein Material – Holzkohle – und ein Motiv – den Pinselstrich – sein kann.
Haneyl Choi, geboren 1991, ist einer der ersten offen queer lebenden Künstler Südkoreas. Die Skulpturen, mit denen er vertreten ist, erzählen vom komplizierten Aneinandergebundensein von Liebenden während der Pandemie.
Jin Meyersons (*1972) wiederum, geht es um Präsenz – sowohl im gesellschaftlichen Diskurs mit seiner Geschichte als in die USA adoptiertes Kind, als auch innerhalb der Malerei, die er mit einem Instagramfilter erweitert, der die einzelnen Schichten auseinanderdröselt und ins Dreidimensionale verschiebt.
Neu und anders ist auch die Art und Weise mit der eine ganze Generation junger Malerinnen mit Farbe und Leinwand umgeht. Suyeon Kim (*1986) etwa lässt quasi malen: Für ihre Bilderserie ließ sie den Pinsel frei über der Leinwand schwingen, wählte als Hintergrund die jeweilige Farbe des Himmels in jener Stunde.
Gab es überhaupt je so viel Malerei bei Esther Schipper zu sehen? Es steht ihr jedenfalls gut.
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