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Deutschlandpakt des KanzlersBluff mit ausgestreckter Hand

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Schon lange gibt es einen Plan, gemeinsam Deutschland zu modernisieren. Dass es nicht vorangeht, liegt an der Ampel – und an fehlendem Geld.

Olaf Scholz im Bundestag während der Haushaltsdebatte am 06. September Foto: Photothek/imago

W ow, da hat der Kanzler den Oppositionsführer Friedrich Merz sauber ausgekontert! Dessen wütende Attacken parierte er mit dem Angebot, einen gemeinsamen Deutschlandpakt zu schließen. Ausgestreckte Hand statt geballter Faust, prima. Doch leider ist dieses Angebot, da hat Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst recht, vor allem ein PR-Gag.

Denn das, was Olaf Scholz der Opposition so gönnerhaft vorgeschlagen hat, liegt seit gut einem Jahr auf dem Tisch: Vorschläge für schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, etwa für den Bau von Straßen und Radwegen, von Windrädern und Stromtrassen.

Das dauert. Deutschlandtempo heißt aktuell Schneckentempo. Bis eine neue Bahnstrecke eröffnet wird, vergehen im Schnitt 25 Jahre, ein Windrad steht immerhin schon nach acht Jahren. Wenn Deutschland es schaffen will, bis 2045 klimaneutral zu werden, muss es den Turbo einlegen, wie Scholz richtig sagte.

Doch der im März beim Treffen des Kanzlers mit den Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen angekündigte „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ liegt bis heute nicht vor. Immerhin gab Scholz im Juni bekannt, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet werde. Von der hat man aber nichts mehr gehört.

Dass es so zäh vorangeht, liegt zum einen an den zersplitterten Zuständigkeiten. Eine Unternehmerin, die einen Windpark in Niedersachsen bauen will, muss etwa den Transport der Rotorblätter in jedem Bundesland, das der Schwertransport passieren wird, neu beantragen. Jedes Land hat eigene Vorschriften. Föderalismus eben.

Es liegt aber auch an den Friktionen in der Ampel selbst. Über die Frage, ob nun Schienen oder Autobahnen beschleunigt gebaut werden, haben Grüne und FDP zu Jahresbeginn monatelang gestritten. Die mühsam ausgehandelten Kompromisse innerhalb der Ampel lassen dann kaum noch Spielräume zu, dass die Bundesregierung ihrerseits den Ländern entgegenkommen kann.

Die fühlen sich vom Bund schon seit Längerem schlecht behandelt, klagen über fehlende Kommunikation und mangelndes Verständnis. Obwohl nur sechs der 16 Bundesländer unionsgeführt sind, heißt es oft 16 (Länder) gegen einen (Bund), wie aktuell beim Industriestrompreis oder auch in der Frage: wie weiter bei der Versorgung von Geflüchteten? Hinter diesen Querelen steht das schnöde, aber wichtige Thema der Kosten. Wer zahlt? Wenn Scholz nun die Hand ausstreckt, täte er gut daran, das Portemonnaie griffbereit und die Koalitionspartner in Schach zu halten. Beides wird kaum gelingen. Der angestrebte Deutschlandpakt bleibt wohl ein großer Bluff.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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11 Kommentare

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  • Das Durchforstendes Dschungels an Gesetzen und Verordnungen, den niemand mehr versteht kann bereits jetzt angegangen werden. Dafür braucht es keine Finanzspritze, da muss handwerklich gut gearbeitet werde.

    Die Planungsbeschleunigungen hätten auch ohne Finanzspritzen eine sofortige Wirkung, wenn Vorhaben statt in X Jahren bereits in der Hälfte der Zeit beginnen können.

  • Ich denke, wir werden uns an Drei-Parteien Regierungen gewöhnen müssen. Schneller wird‘s nimmer.

    • @Gorch:

      Und ich glaube das wir ganz schnell bei schwarz-blau sind. Vielleicht noch mit dem Umweg über ein paar schwarz-grüne oder schwarz-rote Versuche wie jetzt zuletzt in Berlin - aber das hat der SPD noch nie gut getan.



      Da sich weder Klimakrise noch der Migrantenstrom in Luft auflösen werden und der Russlandkrieg auch kein schnelles Ende in absehbarer Zukunft in Aussicht stellt, werden alle Probleme, die die Werte von SPD und Grünen in den letzten beiden Jahren sukzessive eingedampft haben, anhalten.



      Schon jetzt ist absehbar, dass beispielsweise in Thüringen selbst ein Dreierbündnis kaum mehr eine Mehrheit erringen wird. Aber es ist längst nicht mehr nur der Osten, auch in Baden-Württemberg - trotz Wohlstand, Jobs in Hülle und Fülle und einen realo Grünen als Landesvater kommt die AfD mittlerweile auf knapp 20% in Umfragen...



      Das Mantra "alle gegen die AfD" wird nicht ewig halten - die Union testet ja schon jetzt immer wieder Grenzbereiche aus und im Osten plädieren viele offen für Bündnisse mit der AfD.



      Ich sehe wenig Chancen dass sich die CDU noch oft quälende Drei-Parteien-Bündnisse a la Kenia ans Bein bindet, zumal die Grünen auch offiziell als Hauptgegner auserkoren wurden - und für weitere Ampelbündnisse oder R2G fehlen ja beinahe überall auch nur halbwegs realistische Chancen auf Mehrheiten...

      • @Farang:

        "Und ich glaube das wir ganz schnell bei schwarz-blau sind. "

        Und ich weiß, dass wir in Europa bereits be links-rechtsextrem waren (Syriza & Morgenröte in GR) und das Bündnis von Links in DE gefeiert und unterstützt wurde. Die gleichen Gruppen sehen dass nicht mehr, wissen aber ganz genau darüber Bescheid, dass die CDU per Koalition mit der AfD auf den Selbstzerstörungsknopf drücken wird. Irgendwie realitätsverlustig das ganze.

        Dreierbündnisse haben in Thüringen immer noch deutliche Mehrheiten. Mehrheits- und Minderheitsregierungen sind also weiterhin möglich.

        Bei einem Absacken der Linkspartei wäre es deren Aufgabe einem Ministerpräsidenten der CDU ins Amt zu hieven. Es ist auch die Linkspartei, die Thüringer mit einem Absacken von bald 10% ihre Hauptgegner-Arbeit gegenüber der AfD nicht hin bekommen. Alle anderen Parteien konnten ihre Stimmenanteile im wesentlichen halten.

        Kurz: Der Gorilla im Thüringer Raum heißt nicht CDU. Er nennt sich Linkspartei.

  • Deutschland leidet an sich selbst, an der Politik.



    Es ist die Zersplitterung und Aufteilung von Zuständigkeit, Finanzierung und Betroffenheit von der EU Ebene, Bund, Länder, Kreise und Gemeinden, von Verbänden und Interessengruppen.



    Es geht um das Durchsetzen von Gruppen- und Einzelinteressen, um Macht und Geld und auch um die Meinungshoheit.

    Hier wird eine Änderung des Systems von den Vertretern und Profiteuren des Systems erwartet.

  • "Hinter diesen Querelen steht das schnöde, aber wichtige Thema der Kosten. Wer zahlt?"

    Das Geld ist wohl da. Es hat nur wer anderes, zB die Bundeswehr.

  • "eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet ... Von der hat man aber nichts mehr gehört."



    das ist genau der Werdegang einer Arbeitsgruppe, nur diesmal im Ultraschnelldurchgang. Meist kommt nicht bei raus, außer neues bedrucktes Papier....

    • @nutzer:

      ...Wissen macht aaaah 🤣

  • PR-Gags und Taschenspielertricks sind doch die einzigen Werkzeuge des Kanzlers. Herr Merz wird den Punktsieg mitnehmen und sich eine neue Flanke suchen. Davon gibt es bei dieser Regierung mehr als genug.

  • Das Problem sind die ganzen zwischengeschalteten Politik- und Verwaltungsebenen, die vor Inkompetenz strotzen und einen direkten Austausch zwischen ausführender (leidtragender) Ebene und den Entscheidungsträgern verhindern.

  • Bei der Modernisierung des Landes ist Förderalismus nur hinderlich, weg damit.