Deutschlandpakt des Kanzlers: Bluff mit ausgestreckter Hand
Schon lange gibt es einen Plan, gemeinsam Deutschland zu modernisieren. Dass es nicht vorangeht, liegt an der Ampel – und an fehlendem Geld.
W ow, da hat der Kanzler den Oppositionsführer Friedrich Merz sauber ausgekontert! Dessen wütende Attacken parierte er mit dem Angebot, einen gemeinsamen Deutschlandpakt zu schließen. Ausgestreckte Hand statt geballter Faust, prima. Doch leider ist dieses Angebot, da hat Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst recht, vor allem ein PR-Gag.
Denn das, was Olaf Scholz der Opposition so gönnerhaft vorgeschlagen hat, liegt seit gut einem Jahr auf dem Tisch: Vorschläge für schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, etwa für den Bau von Straßen und Radwegen, von Windrädern und Stromtrassen.
Das dauert. Deutschlandtempo heißt aktuell Schneckentempo. Bis eine neue Bahnstrecke eröffnet wird, vergehen im Schnitt 25 Jahre, ein Windrad steht immerhin schon nach acht Jahren. Wenn Deutschland es schaffen will, bis 2045 klimaneutral zu werden, muss es den Turbo einlegen, wie Scholz richtig sagte.
Doch der im März beim Treffen des Kanzlers mit den Ministerpräsident:innen angekündigte „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ liegt bis heute nicht vor. Immerhin gab Scholz im Juni bekannt, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingerichtet werde. Von der hat man aber nichts mehr gehört.
Dass es so zäh vorangeht, liegt zum einen an den zersplitterten Zuständigkeiten. Eine Unternehmerin, die einen Windpark in Niedersachsen bauen will, muss etwa den Transport der Rotorblätter in jedem Bundesland, das der Schwertransport passieren wird, neu beantragen. Jedes Land hat eigene Vorschriften. Föderalismus eben.
Es liegt aber auch an den Friktionen in der Ampel selbst. Über die Frage, ob nun Schienen oder Autobahnen beschleunigt gebaut werden, haben Grüne und FDP zu Jahresbeginn monatelang gestritten. Die mühsam ausgehandelten Kompromisse innerhalb der Ampel lassen dann kaum noch Spielräume zu, dass die Bundesregierung ihrerseits den Ländern entgegenkommen kann.
Die fühlen sich vom Bund schon seit Längerem schlecht behandelt, klagen über fehlende Kommunikation und mangelndes Verständnis. Obwohl nur sechs der 16 Bundesländer unionsgeführt sind, heißt es oft 16 (Länder) gegen einen (Bund), wie aktuell beim Industriestrompreis oder auch in der Frage: wie weiter bei der Versorgung von Geflüchteten? Hinter diesen Querelen steht das schnöde, aber wichtige Thema der Kosten. Wer zahlt? Wenn Scholz nun die Hand ausstreckt, täte er gut daran, das Portemonnaie griffbereit und die Koalitionspartner in Schach zu halten. Beides wird kaum gelingen. Der angestrebte Deutschlandpakt bleibt wohl ein großer Bluff.
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