Debatte um späteres Ruhestandsalter: Verkappte Rentenkürzung
Immer wieder wird gefordert, dass ArbeitnehmerInnen länger arbeiten sollen. Dabei gibt es bessere Möglichkeiten, die Rente auf Dauer zu finanzieren.
![Ein älterer Herr arbeitet in einem mittelständischen Unternehmen für Maschinenbauteile Ein älterer Herr arbeitet in einem mittelständischen Unternehmen für Maschinenbauteile](https://taz.de/picture/4600427/14/Arbeit-rente-rentenalter-1.jpeg)
D ie Forderung kommt so regelmäßig und erwartbar wie Ostern: Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fordert, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Zuletzt war die Bundesbank dran; sie schlug das Anheben der Altersgrenze auf knapp 70 Jahre vor. Richtig ist: Die Lebenserwartung steigt, die geburtenstarken Jahrgänge werden in den nächsten Jahren in Rente gehen – das treibt die Ausgaben der Rentenversicherung hoch.
Was liegt näher, so könnte man meinen, als am Rentenalter zu schrauben? Das Problem ist, dass ein längeres Lebensalter nicht automatisch die Fähigkeit verlängert, länger zu arbeiten. Bei praktisch allen Menschen, die körperlich arbeiten, ist irgendwann die Grenze, ab der sie nicht mehr können, erreicht, und diese Grenze liegt weit vor dem 70. Lebensjahr. Hinzu kommen die psychischen Belastungen durch die zunehmende Verdichtung von Arbeit in allen Branchen.
Die Rente mit 67 Jahren, die die SPD fast zerrissen hätte, ist längst beschlossen. Für den gesellschaftlichen Frieden wäre es nicht schlecht, diese Reform erst einmal sacken zu lassen. Mit jedem Geburtsjahr steigt die Altersgrenze in Trippelschritten, erst im Jahr 2031 wird sie erreicht sein – und sie bedeutet für viele de facto eine Rentenkürzung, weil sie schon vorher ihren Beruf aufgeben müssen.
Es gibt andere Stellschrauben, mit der die Rente langfristig finanziert werden kann. Der Bund schießt inzwischen jährlich um die 100 Milliarden Euro zu. Explodiert ist der Beitrag aber nicht durch die normale Rente, sondern durch teure Wahlgeschenke wie die „Rente mit 63“, von der in Wirklichkeit nur eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe profitiert – nämlich BeitragszahlerInnen, die bestimmten Jahrgängen angehören und mindestens 45 Jahre eingezahlt haben. Der Anteil für die Standardrente dagegen ist prozentual gleich geblieben. Wenn nötig, sollte der Bund hier mehr Geld zuschießen.
Es sollte auch kein Tabu sein, den Rentenbeitrag zu erhöhen, der vom Gehalt abgeht und bislang aus politischen Gründen gedeckelt ist – auch um die teure und ineffiziente Riester-Rente zu ermöglichen, an der sich die Arbeitgeber, anders als bei der gesetzlichen Rente, mit keinem Cent beteiligen. Es ist besser, während des Arbeitslebens mehr in die Rente einzuzahlen, als sich im Alter bis zur Ziellinie zu schleppen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München