Debatte um Prostitutionsgesetz: Staatlich geschützte Vergewaltigungskultur
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat die Debatte wieder angestoßen: Deutschland unterstützt männliche Freier beim Zugriff auf Frauenkörper.
E in Teil der Täter im Pelicot-Prozess gab an, regelmäßig Prostituierte aufgesucht zu haben. Entsprechend waren diese Männer, auch wenn sie Dominique Pelicot nicht bezahlten, mit dem Ablauf vertraut: Ein männlicher Vormund, ein Zuhälter, gibt ihnen Zugang zu dem Körper einer Frau, sie denken, sie haben einen Anspruch auf diesen Körper, und verüben sexuelle Akte daran.
Dass dieser Körper zu einer Person gehört, die in Gisèle Pelicots Fall betäubt und somit nicht in der Lage ist, ihre Zustimmung abzugeben, interessierte sie nicht. Genau wie es Freier nicht interessiert, ob die Prostituierten, die sie aufsuchen, Gewalt erleben, durch einen Zuhälter zu der Arbeit gezwungen werden, ob sie minderjährig, Opfer von Menschenhandel oder anderen ausbeuterischen Umständen sind. Dass Prostitution unter diesen Umständen in Deutschland stattfinden kann und Männer dieses Angebot trotzdem wahrnehmen, ist Ausdruck einer tief verankerten Vergewaltigungskultur.
Ob und wie Prostitution hierzulande stattfinden darf, ist derzeit wieder Subjekt einer Debatte, nachdem sich die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) für die Umsetzung des sogenannten Nordischen Modells in Deutschland aussprach. Das würde Sexkauf – jedoch nicht den Verkauf – kriminalisieren. Bordelle müssten schließen. Prostituierten würden unter diesem Modell Unterstützung angeboten, auch um aus dem Job auszusteigen. Genau so wird es bereits in Schweden, Kanada oder Norwegen umgesetzt.
Als Freier kann man auf der Welt nur selten auf Prostituierte treffen, die ihre Körper freiwillig verkaufen. Laut einer Studie üben weltweit lediglich rund zehn Prozent ihre Tätigkeit freiwillig aus. Dass männliche Gewalt und weibliche Unterdrückung Prostitution innewohnt, ist somit unumstritten.
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Um zu überleben
Einige Aussteigerinnen sagen, dass sie sich an die vermeintliche eigene Freiwilligkeit klammern mussten, um in dem Job zu überleben. Ob und wie freiwillig diese Arbeit selbst in den besten Fällen stattfindet, kann man nur den Frauen glauben, die sich als frei bezeichnen.
Dennoch muss die Frage folgen: Sind wir für diese Freiwilligen bereit, in Kauf zu nehmen, dass andere Frauen unfreiwillig in der Prostitution landen? Die Frauen, die das derzeitige System immer noch nicht zu schützen weiß und die somit täglich dutzendfach Opfer von männlicher sexualisierter Gewalt werden?
Von schätzungsweise 400.000 Prostituierten in Deutschland sind nur 32.300 offiziell gemeldet. Unter dem nordischen Modell würde sich Prostitution somit kaum in einen unsichtbaren illegalen Bereich verschieben, wie Kritiker_innen sagen, weil sie dort längst stattfindet.
Ob Frauen unter diesem Modell allerdings besser geschützt sind? Es gibt Studien, die belegen, dass der Menschenhandel zurückginge, Prostituierte aber schlechtere Arbeitsbedingungen haben.
Sicher ist allerdings: Männer in Deutschland, die einen anderen menschlichen Körper kaufen wollen, werden derzeit vom Staat dabei geschützt, also unterstützt.
Man sagt ihnen damit: Ihr habt – wenn ihr zahlen könnt – immer das Recht und den Zugang zu weiblichen Körpern. Das Geld aus dieser Gleichung zu nehmen, ist gedanklich nicht schwer. Die Täter von Gisèle Pelicot funktionierten genau nach diesem Prinzip.
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