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Debatte nach Mannheim-AngriffAbschieben nach Afghanistan?

Nach dem Angriff in Mannheim prüft Innenministerin Faeser die Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan. Das Auswärtige Amt hingegen warnt.

Abschiebungen aus Deutschland ohne eigene Botschaft kaum möglich, Straßenszene in Afghanistan Foto: Aziz/Xinhua/imago

Berlin taz | Was folgt aus dem Messerangriff von Mannheim? In der Bundespolitik wird nun über Abschiebungen nach Afghanistan diskutiert. In das Land, aus dem der Attentäter Sulaiman A. kam, der am Freitag eine Kundgebung des Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger angriff und sechs Personen verletzte, den Polizisten Rouven L. tödlich verletzte.

Schon kurz nach der Tat hatten CDU und AfD gefordert, Abschiebungen nach Afghanistan für schwere Straftäter und Gefährder zu ermöglichen. Diese hätten hier „einfach nichts zu suchen“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Po­li­ti­ke­r*in­nen wie der SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese oder FDP-Fraktionschef Christian Dürr stimmten zu.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) tritt schon länger dafür ein. Die Frage, ob Abschiebungen für schwere Straftäter und Gefährder nach Afghanistan möglich seien, werde seit Monaten geprüft, sagte sie am Dienstag in Berlin. Sie wolle hier nun „möglichst schnell“ Klarheit. Die Sicherheitsinteressen Deutschlands würden in diesen Fällen „eindeutig“ das Bleibeinteresse der Betroffenen überwiegen. Eine Entscheidung müsse aber „gerichtsfest“ sein.

Das Auswärtige Amt warnt dagegen, die Sicherheitslage in Afghanistan sei „schlecht“. Auch nach der Machtübernahme der Taliban komme es zu Anschlägen, Entführungen oder willkürlichen Inhaftierungen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte am Dienstag, natürlich habe man ein Interesse, dass schwere Straftäter „beschleunigt zurückgeführt“ würden. Abschiebungen nach Afghanistan seien aber „alles andere als trivial“, denn es gehe um zentrale rechtstaatliche und Sicherheitsfragen. „Wie will man mit einem islamistischen Terrorregime zusammenarbeiten, mit dem wir gar keine Beziehungen haben?“, fragte Baerbock. „Und wie schließen wir aus, dass von dort aus dann nicht der nächste Terroranschlag geplant wird?“

Baerbock verwies auch darauf, dass Deutschland gar keine Botschaft mehr in Afghanistan habe, die Rückführungen begleiten könnte. „Nicht zuletzt schulden wir es den Opfern, dass die Täter für ihre Strafe im Gefängnis büßen und Mörder nicht in Afghanistan auf freien Fuß gesetzt werden.“

Innenministerkonferenz drängt schon länger

Auch die Innenministerkonferenz hatte allerdings bereits auf ihrer vergangenen Sitzung im Dezember einen einstimmigen Beschluss gefällt, Rückführungen von schweren Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan zu ermöglichen. Das Bundesinnenministerium solle hier Wege prüfen, „unter Ausschöpfung sämtlicher rechtlicher und tatsächlicher Möglichkeiten“.

Für die nächste Innenministerkonferenz in zwei Wochen liegt ein Antrag von Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) vor, Gefährder und schwere Straftäter nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Im Falle Afghanistans soll eine Vereinbarung mit der pakistanischen Regierung angestrebt werden, um eine Rückführung von Pakistan über den Landweg nach Afghanistan zu ermöglichen. Im Falle Syriens soll darauf hingewirkt werden, mit Flügen nach Damaskus abzuschieben. „Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das Land verlassen, auch wenn er aus Afghanistan kommt“, erklärte auch Grote. „Hier wiegt das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters.“

Der Grünen-Europapolitiker Erik Marquardt betonte dagegen, man schiebe nicht nach Afghanistan ab, weil man mit der Härte des Rechts bestrafe, „nicht mit Grausamkeit, Entwürdigung oder Tod“. Auch Amnesty kritisierte die Debatte als „populistisch“: Afghanistan sei nicht sicher, es brauche weiter den Abschiebestopp. Der Berliner Flüchtlingsrat erklärte, „Straftäter*innen in Kriegsgebiete abzuschieben, ist ein Verstoß gegen fundamentale Menschenrechte und bedeutet zudem eine Doppelbestrafung, die in unserem System rechtswidrig ist“.

Auch Faeser räumte ein, dass im Fall Sulaiman A. eine Abschiebung nicht möglich gewesen wäre. Der 25-Jährige war 2014 als Jugendlicher nach Deutschland gekommen. Sein Asylantrag wurde zunächst abgelehnt, er erhielt aber wegen der Sicherheitslage in Afghanistan ein Abschiebeverbot und später wegen des Sorgerechts für seine zwei Kinder einen befristeten Aufenthaltsstatus. Weder Polizei noch Verfassungsschutz fiel er vor der Tat von Mannheim auf.

Die Ermittlungen zu dem Messerangriff übernahm inzwischen die Bundesanwaltschaft. Es sei von einer „religiös motivierten“ Tat auszugehen, sagte eine Sprecherin. Die Übernahme erfolge wegen der „besonderen Bedeutung“ des Falls. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, es lägen „klare Hinweise für ein islamistisches Motiv der Tat in Mannheim vor“. Die Tat sei Ausdruck eines „tödlichen Fanatismus“, so Buschmann. „Der Islam gehört zu Deutschland, der Islamismus nicht.“

Sulaiman A. ist weiter nicht vernehmungsfähig. Er war bei der Tat von einem Polizisten niedergeschossen worden. Noch am Freitag hatte die Polizei seine Wohnung im hessischen Heppenheim durchsucht, wo er mit seiner Familie lebte.

Polizeigewerkschaften planen Schweigemarsch

Derweil riefen Polizeigewerkschaften für Freitag zu einem Schweigemarsch in Berlin für ihren getöteten Kollegen Rouven L. auf. Bei einer Online-Spendensammlung kamen bisher 480.000 Euro für seine Familie und „ähnlich gelagerte Fälle“ zusammen.

Mannheims Polizei-Vizepräsidentin Ulrike Schäfer erklärte am Dienstag, der sinnlose Tod von Rouven L. habe sie „zutiefst erschüttert und unfassbar traurig gemacht“. Auch habe sie „kein Verständnis“, dass es trotz der tragischen Ereignisse „Hass und Hetze“ in sozialen Onlinemedien gebe, inklusive teils verachtender Kommentare auch über den verstorbenen Kollegen. Hier prüfe man entsprechende Ermittlungsverfahren.

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18 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Diese Sympathien-Welle für Stürzenberger und AfD empört mich! Als Reaktion auf bisherige Kälte noch mehr Kälte?!



    Nein, die Aufnahme der über eine Millionen Menschen aus Syrien und dem Mittleren Osten war richtig und notwendig. Und viele tausend Freiwillige setzten ihre Unterstützung auch nach dem Charlie Hebdo-Massaker und nach den Silvesterangriffen auf Frauen 2016 fort. Es kann vieles Negatives aufgezählt werden.



    Genau deshalb sollten wir alle die Arbeit am gemeinsamen Lernen verstärken und nicht folgern "Das Maß ist voll".



    Alles ist Beziehung, Interaktion. Wenn islamisch geprägte Menschen schnell mit Aggression auf Kränkungen reagieren - wie können sie es ändern?



    Dafür bitte eine ganzseitige Erörterung. KIgA, Ambiguitätstoleranz, Derviş Hizarcı?



    Wie lernen Menschen aus grauenvollen Kriegs-Herrscher-Regionen sich in den westlichen Gesellschaften zu Recht zu finden?



    Nicht "Arbeit" Häkchen, "Sprachkurs" Häkchen = Integration. Der Prediger idealisiert ja eine Islam-Fantasiewelt. Als Flucht aus der Realität.“ Interviewen Sie Prof. Ahmet Toprak



    („konfrontativen Pädagogik“, Anti-Aggressivitäts-Trainings).

  • Eine Überlegung, die v.a. zu den Kommentaren und Einschätzungen gehört:



    Kann es auch sein, dass es genau andersrum war, als es Springers Welt nahelegt?



    Sie meldete: der Messerangreifer sei ausreisepflichtig gewesen, weil sein Asylantrag abgelehnt worden sei.



    Die Psychologin Leuzinger-Bohleber, Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts, nannte im taz-Interview am taz 7.02.2015 die Blutrache „Eine grandios-narzisstische Geste“.



    Also wäre eine mögliche Reihenfolge des Ablaufs die:



    - ein junger Mensch wandert aus dem materiell und psychisch schwer beschädigten Afghanistan aus bzw. flüchtet, und seine Vorstellungen wie es in Westeuropa/ Deutschland sei, werden mit vielen Ablehnungen enttäuscht. Zu den Kränkungen kommt die behördliche Ablehnung hinzu.



    Die Tat wäre also eine narzisstische Vergeltung - ohne, dass er überhaupt eine besondere Ideologie aufgesogen haben muss.



    Das Drama liegt auch in der anonymen Massengesellschaft und den Verlorenheitsgefühlen. Kränkung, Heimat, -Verlust, Stolz, Größenfantasie mündeten in ziellose Wut. Hinweis:



    Dawud Gholamasad wies (2006) auf die bes. Bedeutung des Selbstwertgefühls hin für die Entstehung von Gewalt.

    • @Land of plenty:

      Korrektur und Ergänzung:



      Enttäuschungen von Erwartungen durch Ablehnungen als emotionale Basis der Hinwendung zu Sieges- und Vergeltungsideen.

  • Der entscheidenden Punkt ist doch, dass einem Islamisten in Afghanistan nun gerade kein Leid droht.

  • Schwere Straftäter in ihr vermeintliches Heimatland abzuschieben, bevor sie ihre Strafe verbüßt haben, ist weder schlau noch zielführend. Man sollte ihnen keine Gelegenheit geben, in Freiheit weitere Straftaten zu begehen. Die Reihenfolge muss sein: erst die Strafe, dann evtl. die Abschiebung. Den Herkunftsländern sollte man jedoch keine größeren Zugeständnisse dafür machen.

    • @Aurego:

      richtig, Aurego, nach der Haft sind auch die Kinder volljährig, - die wären ja wohl sonst auch ein Abschiebehindernis.

    • @Aurego:

      so wäre es korrekt! Nur werden die Empfängerländer realistischerweise diese Menschen nicht ohne Gegenleistung annehmen, da muß die Öffentlichkeit einmal drüber diskutieren.

      • @nutzer:

        Sie würden sich also von solchen Ländern erpressen lassen?

        • @Aurego:

          wieso? weil ich eine Tatsache ausspreche , bedeutet das nicht, das dass meine Wunschvorstellung ist.



          Abschiebung wird von CDU etc als Allheilmittel verkauft, das wir damit die Taliban alimentieren, darüber spricht niemand...

  • Erkenne den Fehler



    Man kann einen schweren Gewalttäter oder Mörder nicht abschieben, wenn sein Heimatland nicht als sicheres Land gilt, aber er kann hier mehrfach Gewalttaten begehen und andere gefährden oder töten?



    Entschuldigung aber das ist krank. Ich weiß dass es nur wenige sind, aber die wenigen haben meines Erachtens ihr Recht auf Asyl verwirkt, wenn sie selbst eine permanente Gefahr für die Mitbürger sind. Sie schaden dem Ruf der allermeisten anständigen Schutzsuchenden.

    • @Rudi Hamm:

      wie wäre es mit Gefängnis? Straftäter gehören in den Knast und nicht in die Freiheit auf der anderen Seite der Erde!

  • Ich denke, man wird sich auf einen Kompromiss einigen.



    Alle Afghanen dürfen hierbleiben. Auch die, die noch kommen. Nach hause werden nur die entlassen, die wieder nach Afghanistan wollen.

  • Herr Buschmann, nun noch die Frage: Wo hört Islam auf und wo fängt Islamismus an? diese Frage wird nie im Einvernehmen zu beantworten sein. Wir sehen es bei Erdogan. Die einen nennen ihn Islamist, die anderen einen moderaten muslimischen Gläubigen.

    • @Ulrich Haussmann:

      Das ist nur ein Problem, wenn man es zum Problem machen will.

      Bei Christen ist diese Frage binnen 3 Sätzen beantwortet. Ebenso einfach lässt sie sich bei Moslems beantworten. Oder bei jeder anderen Religion:



      Niemand hat ein Problem mit Glauben. Und Religionsfreiheit ist ein Verfassungsrecht - wer allerdings seine Religion nutzt um anderen die Menschenrechte abzusprechen, der befindet sich außerhalb dessen was man ertragen muss.

      Das ist wirklich kein komplexer Sachverhalt ...

  • Ich bin ja mal gespannt, wie Kanzler Merz dieses Problem lösen wird.

    • @B. Iotox:

      Ich werde keine Partei wählen, welche der Meinung ist, dass ein Verbrecher wie Sulaiman A. trotzdem noch ein Recht auf Asyl haben sollte.

      • @Rudi Hamm:

        Wer sich mit dem Thema beschäftigt - statt nur fremdenfeindliche Hetze nachzuplappern - weiß, dass



        a) Herr A. niemals ein Recht auf Asyl hatte und ihm bis heute auch kein Asyl gewährt wurde,



        b) es keine Partei gibt, die das fordert was Sie schreiben,



        c) alle Regierungen an die Rechtsprechung des BVerfG gebunden sind, die z.T. sehr enge Grenzen für Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber setzt, und



        d) das Zielland die Abzuschiebenden auch aufnehmen muss. Wenn es das nicht tut (so wie Afghanistan), dann gibt es keine Abschiebung, fertig.

        Mein Kommentar Re: Merz bezog sich auf c) und d), zwei Probleme die weder Merz noch Linnemann noch Krah noch Höcke noch Scholz noch Faeser lösen können - egal wie viele populistische Hetze sie jetzt verbreiten.

      • @Rudi Hamm:

        Ein Recht auf Asyl oder Flüchtlingsschutz hat er ja nie bekommen, ein Abschiebeverbot - weil: Afghanistan! - aber schon. Und für alle weiteren Fragen binden Gesetze und Konventionen unseren Rechtsstaat, den wir glücklicherweise noch haben!



        Strafverfahren, Verbüßung Strafe, Abschiebung sind da durchaus drin.



        Weniger Emotion und mehr Kenntnis, hach, wat wär das schön hier in den Leserkommentaren...