piwik no script img

Debatte US-WahlkampfTrumps persönlicher Weltkrieg

Kommentar von Anjana Shrivastava

Der Trumpismus spaltet nicht nur die republikanische Partei. Auch die europäische Außenpolitik hat Anlass zur Sorge.

Ein Mann signiert sich selbst Foto: ap

D onald Trump führt einen Krieg gegen die ganze Welt. Jetzt, da sich die Präsidentschaft durch seine Pöbeleien immer mehr zu entfernen scheint, werden seine Aussagen umso drastischer – so, als strickte er nur noch an einer überdimensionierten politischen Legende für die Zeit nach seiner Niederlage.

Was aber bereitet Frank-Walter Steinmeier solche Sorgen? Nachdem schon Barack Obama und Hillary Clinton Trump als charakterlich ungeeignet für das Weiße Haus deklarierten, wird dem deutschen Außenminister „echt bange“, sollte es tatsächlich zu einer Trump-Präsidentschaft kommen. Von der Heftigkeit der Steinmeier’schen Rhetorik her könnte man glauben, dass der Minister schon jetzt nicht mehr schläft. Dabei ist Trump noch nicht einmal gewählt.

Wer denkt, dass der Aufstieg Donald Trumps lediglich Mexikaner, muslimische Soldateneltern oder etliche von Trump als hässlich empfundene US-Politikerinnen ängstigen könnte, irrt sich gewaltig. Denn Trump nimmt es tatsächlich mit der ganzen Welt auf. Er will Amerikas herkömmliche Beziehung zur Welt umstürzen – und, viel wichtiger, das wollen auch seine Wähler.

Folglich ist es nicht so, dass etwa Frank-Walter Steinmeier vor allem Pogrome an der mexikanischen Grenze oder Schießereien in Einkaufszentren befürchten würde. Er bangt vielmehr um sein politisches Tagesgeschäft, von den Militärbündnissen bis hin zu den Freihandelsverträgen. Eine stabile Geschäftsgrundlage, für die Amerika lange Garant war, für die aber Donald Trump vom Bock zum Gärtner mutieren könnte.

Provinzielles für die Welt

Eine bizarre Szene aus Janesville, Wisconsin soll als Beispiel dieser Verquickung des Provinziellen mit der großen, weiten Welt dienen. Eine Meute Trump-Anhänger in identischen blauen T-Shirts drängeln sich dort vor einem großen Haus in einem grünen gediegenen Viertel. Ein Anführer schreit in Richtung des großen Backsteinhauses: „Paul Ryan, tear down your wall! Zeigen Sie uns, dass Sie unter denselben Bedingungen wie ihre Mitbürger leben können!“

Ihr Anführer, der Republikaner Paul Nehlen, erklärt, dass der Zaun eine elitäre Barrikade sei. Und sein Besitzer, Sprecher des US-Repräsentantenhauses und der ranghöchste Politiker nach dem Vizepräsidenten, sei ein „seelenloser Globalist“, eine „Marionette“ internationaler Korporationen.

Niemand will Teil der Dolchstoßlegende sein, die Trump für seine Niederlage vorbereitet

All das, weil Paul Ryan sich seit Jahren für Masseneinwanderung und Freihandel starkmacht. Er hat zwar diese Woche die Urwahl gegen Nehlen gewonnen, aber die Angst um seine Frau und Kinder in dem sonst so friedlichen Janesville wird ihm nicht so schnell vergehen.

Dennoch macht Ryan schon jetzt einiges anders. Er besucht Fabriken in seinem Wahlkreis und erörtert dort, dass die Globalisierung für amerikanische Arbeiter möglicherweise tatsächlich eine zweifelhafte Freude gewesen sei – ein bislang unvorstellbares Zugeständnis für einen so strengen Marktgläubigen wie Ryan.

Kompromisse für Trump

In Washington hat er seine beharrlichen Anstrengungen für den Transpazifischen Handelspakt TPP plötzlich ruhen lassen. Und am gravierendsten: Er hat sich tatsächlich für Donald Trump ausgesprochen, wenn auch widerwillig und halbherzig – und mit dem Ergebnis, dass er mit argem Misstrauen sowohl von den Trump-Anhängern als auch von den Trump-Gegnern unter den Republikanern beäugt wird.

Die republikanischen Expräsidenten Vater und Sohn Bush mögen sich in diesen Tagen auf ihren vornehmen Ranches aus der Debatte heraushalten. Die jungen republikanischen Hoffnungsträger wie Ryan haben diesen Luxus nicht, weil sie ihre Macht und Pfründen auch für die mögliche Zukunft einer Trump-Partei sichern müssen.

George P. Bush zum Beispiel, Sohn von Jeb und der Mexikanerin Columba Bush. Nachdem sein Vater in der Urwahl von Donald Trump diffamiert und gedemütigt, als Lusche und Loser abgekanzelt wurde, setzt sich der 40-jährige Sohn George P. nun doch für Donald Trump ein.

Der junge Bush ist Spitzenbeamter in Texas und Wahlkampfdirektor für den Bundesstaat. Als Jungpatrizier hat er keine Wahl: Die Zukunft der Partei formiert sich, der Zug verlässt den Bahnhof, Trump hin oder her. Niemand von diesen Jungrepublikanern will eine aktive Rolle in der Dolchstoßlegende spielen, die Trump schon für seine Niederlage vorbereitet.

Die Arbeiter sind unglücklich

Bis jetzt waren die demokratische sowie die republikanische Elite in puncto Globalisierung ein Herz und eine Seele. Als Bill Clinton im Jahr 1993 das Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta unterschrieb, behauptete er mit seinem vom Ende des Kalten Krieges geprägten Übermut: „Wir haben jetzt die Gelegenheit, die Welt neu zu erschaffen.“

25 Jahre später sind die amerikanischen Arbeiter mit dem Ergebnis alles andere als glücklich. Nie gab es ein Referendum zur Globalisierung, sie wurde einfach von Präsident zu Präsident fortgesetzt. Das scheint ein Großteil der Bevölkerung nicht mehr hinnehmen zu wollen.

Wie wichtig hier eine Weichenstellung sein könnte, lässt sich am Beispiel der Präsidentschaft Obamas gut ablesen. Obama hat zwar nicht viel im eigentlichen System der USA geändert, aber er hat vieles erst denkbar gemacht, etwa eine staatliche Krankenversicherung in naher Zukunft oder die Kandidatur eines Bernie Sanders.

Ähnlich verhielte es sich allerdings mit einer Präsidentschaft von Donald Trump. Egal ob er überhaupt Präsident wird und was er als solcher konkret erreichen würde – er machte einiges erstmals denkbar. Etwa ein Ende des Bündnissystems der Nachkriegszeit oder ein Ende der Expansion des Freihandels. Kaum ein Land hat von diesem System so profitiert wie Deutschland. Und so muss man Steinmeiers Besorgnis verstehen. Es ist weniger der Rassismus der Trump-Bewegung als die Drohung einer umfassenden Isolierung Amerikas, die nicht nur Politiker wie Paul Ryan ängstigt.

Sollte der Trumpismus jemals in Washington ankommen, werden europäische Außenminister wie Steinmeier dieselben faulen Kompromisse und peinlichen Selbstrettungsdeals aushandeln müssen wie die republikanischen Nomenklatura bereits heute. So viel ist klar: Das wird alles andere als schön.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Zur isolationistischen Illusion gehört vor allem Selbstherrlichkeit und Selbstgerechtigkeit. Schlicht: Egoismus.

  • Man muss immer mal wieder darauf hinweisen: Allgemeine Umfragewerte haben für das amerikanische Wahlsystem keine Aussagekraft. Die meisten Bundesstaaten sind nach Parteigrenzen festgelegt; die würden den anderen nicht wählen, und wenn er nachweislich von Gott persönlich gesandt wäre. Entscheiden werden am Ende nur die Swing States, und da geht es zentral um die ehemaligen Industriezentren an den Großen Seen. Wer dort genügend Protestwähler, frustrierte Globalisierungsverlierer, die einfach mal die Sau rauslassen wollen, an die Urnen treibt, kann gewinnen. Das ist ziemlich sicher Trumps Taktik.

    • @th60:

      Yeap. Es geht hier um Pennsylvania und Ohio aber auch um Florida. Wer zwei von diesen Swing States gewinnt, wird mit großer Wahrscheinlickeit Präsident. Clinton führt in allen drei Staaten, in Ohio und Florida allerdings nur knapp.

      (http://www.dailywire.com/news/5361/can-trump-beat-hillary-here-are-latest-polls-james-barrett)

      • @jhwh:

        Auch yup. ;) Und in den Swing States geht es nun wiederum nicht nur um allgemeine Umfragewerte, sondern vor allem darum, wer wählen geht. Ich vermute, Trump plant mit vielen normalerweise potentiellen Nichtwählern, denen er die Gelegenheit geben will, am Wahltag den verhassten Laden mal so richtig aufzumischen. Dafür kann sein Wahlkampf gar nicht plump und aggressiv genug sein. Und auf der anderen Seite rechnet er mit normalerweise potentiell demokratischen Wählern, die von Clinton nicht genug inspiriert sind, sich am Wahltag aufzuraffen.

        • @th60:

          Das ist in den USA nicht so einfach wie bei uns: Der Wähler muss sich erst einmal bei einer der beiden Parteien als Wähler registrieren lassen - und das allein ist vielen Amerikanern schon viel zu viel Aufwand!

  • „Donald Trump führt einen Krieg gegen die ganze Welt“

     

    Die ganze Welt? Neeiin! Denn es gibt da eine Stadt ganz im Osten Europas, Moskau nämlich, dort regiert Trump‘s großes Vorbild: W. Putin nämlich! Der seinerseits kann sich demnach gar keinen besseren US-Präsidenten vorstellen, als D. Trump. Dann hätte er ein Problem weniger!

    Also vermute ich, falls Trump gewählt werden sollte, wird Putin ihm als Erster gratulieren, so wie er Erdogan nach dem überstandenen Umsturzversuch als Erster gratuliert hat.

     

    Allerdings könnte es sein, dass die Freundschaft bald endet: Für 2 Leute, wie Trump und Putin, ist die Welt einfach zu klein.

    Immerhin hat sich Trump in einer seiner Reden schon mal gewundert, weshalb die USA zwar Atomwaffen besitzen, aber noch nie eingesetzt haben. Von Hiroshima und Nagasaki hat ihm wohl noch keiner was erzählt!

  • Ich weiß nicht wirklich was Clinton charakterlich für die Präsidentschaft geeigneter macht als Trump. Zudem könnte die Abkehr vom Dogma des freien Welthandels und der damit verbunden (vorgeschoben) moralischen Außenpolitik ein Fortschritt sein.

     

    Schlussendlich soll man sich mal locker machen - es wird sich so oder so alles letztlich in den üblichen, von den Eliten vorgegebenen Bahnen halten, schließlich heißt es ja so richtig: "Wenn Wahlen was ändern könnten wären sie verboten".

    • @Waage69:

      "Ich weiß nicht wirklich was Clinton charakterlich für die Präsidentschaft geeigneter macht als Trump."

       

      Sie ist nicht strunzdumm. Sie ist nicht offenkundig verrückt. Sie ist nicht offen rassistisch oder sexistisch. Sie spielt nicht mit dem Gedanken an Atomschläge. Sie befürwortet nicht die Wiedereinführung der Folter.

       

      Das sollte eigentlich ausreichen. Gerade bei dieser Wahl ist es nicht egal wer gewinnt. Dazu muss man sich nur einmal vorstellen, jemand wie Trump wäre am 11.09.2001 Präsident gewesen. (Ja, auch G.W. Bush war schon ein Desaster, aber gegen Trump noch die Vernunft in Person.)

      • @Earendil:

        Nachdem was Bush so alles angerichtet hat, ihn als "Vernunft in Person" aussehen lassen zu wollen, ist nachgerade unglaublich. Und im gleichen Atemzug für Trump, der all solche Kriege noch nicht vom Zaum gebrochen hat, schreckliche Dinge voraussagen zu wollen, wo es ja genau genommen, eigentlich über H.Clintons ständiges, außenpolitisches Öl ins Feuer gießen zur genüge Belege gibt, ist ebenfalls indiskutabel.

    • @Waage69:

      Zum ersten Teil: eigentlich gar nichts. Hillary ist auf einem persönlichen Rachefeldzug - sie möchte sich nur von einem Praktikanten im Oral Office nudeln lassen, und es Billy Boy schön unter die Nase reiben. Trump hingegen verwechselt einen Präsidentschaftswahlkampf mit der Einnahme von Viagra.

       

      Locker machen sollte man sich in der Tat - und ggfs mal einen Aluhut tragen, soll auch helfen.

  • Erfreulicher Weise dreht Herr Trump vor der Wahl durch und nicht erst, nachdem er im Amt ist.

    • @Christian_72:

      Einige bösen Zungen behaupten, er dreht bewusst durch, weil ihm die Bürde des Amtes nun vielleicht doch zu groß erscheint.

       

      Es wundert mich auch nicht, dass Steinmeier jetzt seine Äußerungen macht, wo die Umfragewerte von Don Trump langsam aber sicher nach unten gehen...

    • @Christian_72:

      Die Frage ist, ob bis zur Wahl Anhänger genug mit ihm rotieren.

    • @Christian_72:

      Was nicht heisst, dass er nicht doch gewählt wird, weil Russland immer neue Emails leaked.

      72% der Wähler der GOP glauben Obama sei ein Muslim und nicht in den USA geboren.