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Debatte Deutsche IdentitätenPhantomschmerz Ost

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Die DDR ist Vergangenheit. Warum die eigene Erinnerung dennoch wertvoll ist, wenn es um die Beurteilung aller Ostler geht.

Im Ausland rühren wir Fremde zu Tränen, wenn wir von unserem Mauerfall '89 sprechen Foto: dpa

Was ist dein verdammtes Pro­blem?“, hat mein Mann mich gefragt, wenn wir über Ostthemen stritten. „Willst du etwa die DDR wiederhaben?“ Ich schwieg dann beleidigt. Das mit dem Osten, das war ja einem Westler wie ihm nicht vernünftig zu erklären. Zu viele verquere Gefühle.

Heute fragt er mich das nicht mehr. Im Laufe unserer Beziehung haben wir so oft und hart über den Osten gestritten – mit dem Thema sind wir durch. Und nach all den Jahren, die seit dem Mauerfall vergangen sind, weiß ich manchmal ja selbst nicht mehr, was noch stimmt von meinen Erinnerungen.

Was ich weiß: Ich hatte dort ein Leben. Eine erste Identität. Und ich möchte von dieser Person erzählen können, ohne mich für ihr Leben rechtfertigen zu müssen.

Es ist wie ein Phantomschmerz: Mir ist vor Jahrzehnten etwas amputiert worden, etwas Schwärendes, das mir nicht guttat. Doch noch heute schmerzt die Narbe. Ich müsste eigentlich froh sein, schließlich hätte ich ohne die Operation nie meine zweite Identität entwickeln können. Trotzdem fehlt mir etwas.

Der Mangel

Uns – den „Kindern des Sozialismus“ – mangelt es an etwas. Nennen wir es Respekt. Oder Repräsentanz. Es mangelt uns zudem an Weltläufigkeit und Bildungsbürgerlichkeit. Und es fehlt diese Erzählfolie, deren Codes uns als Teil der identitätsstiftenden Mehrheit erkennbar machen würden. Jugoslawienurlaub, Bonanza-Rad, „Sie baden gerade Ihre Hände darin“ … das können wir beim besten Willen nicht mehr aufholen. Vielleicht erzählen wir Ostler deshalb so gern von früher und wärmen uns am Erinnerungsfeuer: Wir hatten etwas, was auch die anderen nicht mehr haben können. Eine Identität, die nur uns gehört. Der Osten ist unsere emotionale Wahrheit.

Dabei geht es uns besser als den anderen Minderheiten in diesem Land. Wir sind mit allen Privilegien ausgestattete Bürger. Wir checken an Flughäfen und Hotels mit dem wertvollsten Reisepass der Welt ein. Wir dürfen wählen und müssen nicht mehr Schlange stehen. Im Ausland rühren wir Fremde zu Tränen, wenn wir von unserem 9. November erzählen. Aber dankbar sind wir dafür nicht. Wem denn auch? Uns selbst? Helmut Kohl sicher nicht.

Debatte Ostdeutsche und Migranten

Die einen haben ihr Land verlassen, die anderen wurden von ihrem Land verlassen. Migranten und Ostdeutsche haben viel gemeinsam, sagt die Soziologin und Integrationsforscherin Naika Foroutan. Heimatverlust, Diskriminierungen, Suche nach Identität. Seit ihrem Interview mit der taz am 12. Mai debattiert die Republik ihre Thesen, die Veranstaltungen zum Thema beim taz.lab im April und am 26. Juni im taz-Café waren voll. Es gibt eine Debattenreihe in der Zeitung und auf taz.de. Und wir werden die Diskussion weiterführen.

Bis heute sind die Fehler der deutschen Wiedervereinigung nicht behoben. Im Gegenteil, sie werden geleugnet, ihre Folgen werden lautstark beschwiegen. Gefühl und Verstand klaffen deshalb bei diesem Thema nicht nur im Privaten, sondern auch im Politischen auseinander.

Andauernde Ungleichheit

„Ungleiches Deutschland“ heißt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2016. Ostdeutschland, steht da, stecke in einem „Teufelskreis aus Verschuldung, Arbeitslosigkeit und Abwanderung“. Schaut man sich die dazugehörigen Karten an, könnte man meinen, die DDR existiere noch. Zumindest was Themen wie Überalterung, Einkommensschwäche oder Bildungsarmut angeht.

Wer der SPD-nahen Stiftung nicht vertrauen mag, kann sich gern auf das Deutsche Aktieninstitut verlassen. Gerade hat man dort 45.000 Bürger zu ihrem Anlageverhalten befragt. Im Osten hätten sie es auch lassen können – dort haben die Leute nicht das Geld, um ein bisschen zu spekulieren. Denn während das Nettovermögen von Sassnitz bis Suhl bei durchschnittlich 24.800 Euro liegt, beträgt es in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg 112.500. Ja, in der DDR gab es keinen Immobilienbesitz, keine Aktien. Trotzdem, dreißig Jahre nach der Wende besitzen die Westler immer noch viereinhalbmal so viel wie wir Ostler.

Tja, könnte man sagen, sollen sie halt fleißig sein. Fragt sich nur, wo. In Ostdeutschland sitzt kein einziges DAX-Unternehmen. Und von 50 Bundesbehörden haben nur 3 ihren Sitz dort. Und das, obwohl es seit 1992 einen Regierungsbeschluss gibt, solche attraktiven Arbeitsplätze in den Osten zu verlagern. Das sind die traurigen Fakten.

Was folgt daraus für die Gefühle? Für die leistet sich die Bundesregierung einen Beauftragten für die „neuen Bundesländer“. Derzeit ist der Thüringer CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Hirte der Gute-Laune-Onkel für die arme Verwandtschaft. Einmal im Jahr darf er einen Bericht vorlegen. In dem wird stehen, dass der Osten auf einem sehr guten Weg ist. Jeder weiß, dass das nicht stimmt. Behauptet wird es trotzdem. Das nervt, auch Gutwillige wie mich, die ihren Platz in der Demokratie gefunden haben.

Nicht jede Story stimmt

Wenn 2019 Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg anstehen, wird die Zeit der Unaufrichtigkeit ablaufen. Deutschland ist geteilt – die Wahlergebnisse in den nach rechts driftenden Ostländern werden das zeigen. Seit bald 30 Jahren wird dort an den Küchentischen wieder und wieder erzählt, wie der Westen in Gestalt der Treuhand die Betriebe im Osten geschenkt bekommen und plattgemacht hat. Nicht jede Story stimmt. Richtiggestellt wird trotzdem keine. Denn das würde bedeuten, über Fehler zu sprechen.

Auch geheilt wird nichts. Bis heute streiten Hunderttausende ehemalige Bergarbeiter, Künstler und Eisenbahner für ihre DDR-Betriebsrenten, die ihnen qua Einigungsvertrag genommen wurden. Jede dieser Geschichten ist eine von Vergeblichkeit. Sie werden wieder und wieder erzählt, im Verein, in der Familie, immer häufiger am Grab.

Ich will die DDR nicht wiederhaben. Aber ich will beides sein können – Ost- und Gesamtdeutsche

Man kann das so lassen, klar. Aber klüger wäre es, wenn dieses Land sich ehrlich machen würde. Die unangenehme Wahrheit ist: Je öfter die Politik uns Ostdeutschen zu erklären versucht, wie scheiße unser Leben früher war, desto gemütlicher richten wir es uns im müffelnden Gefühl der Abwertung ein. Nein, ich will die DDR nicht wiederhaben. Aber ich will beides sein können – Ost- und Gesamtdeutsche –, ohne mich für den ersten Teil meines Lebens rechtfertigen zu müssen. Und ohne zurechtgewiesen zu werden, weil ich den zweiten für (noch) nicht gelungen halte.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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96 Kommentare

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  • "Trotzdem, dreißig Jahre nach der Wende besitzen die Westler immer noch viereinhalbmal so viel wie wir Ostler."

    Ich denke, die Opferrolle ist auch sowas wie eine Sehnsucht, wenn ich solche Sätze lese. Gibt es eigentlich ein Wort für negatives Cherry-Picking?

    Dass "die Westler" in dieser Betrachtung nämlich nur die Westler in den drei reichsten westlichen Bundesländern sind, ist der Autorin wahrscheinlich nicht mal aufgefallen. Zugegeben, das Durchschnittsvermögen liegt auch deutlich höher als im Osten, wenn man den Westen insgesamt betrachtet, aber auch innerhalb dieser Gruppen sind die Unterschiede gewaltig.

    Nur wird das von dieser pauschalen Bilanzziehung Alles ausgeblendet. Maßstab sind gezielt die Bundesländer, zu denen man den deprimierensten Unterschied feststellen kann - Trauerkloß gefunden, Mission accomplished.

    • @Normalo:

      Frau Maier schreibt öfter mal zu diesem persönlichen Thema und wird jedesmal wieder in Kommentaren darauf hingewiesen, dass nicht alle im oder aus dem Westen reich sind und die ganze Welt schon gesehen haben.

      Sie hat z.B. ein Eigenheim, ich nicht.

  • Man gewinnt ja irgendwie den Eindruck, dass Gestrige die 900 Milliarden, die vom Westen in den Aufbau Ost bisher hineingepumpt wurden als diskriminierend ansehen.

    Das „Jammern“ erscheint mir mehr ein schlecht machen der mehr oder weniger erfolgreich verlaufenden Sanierung, der von der SED vor die Wand gefahrenen DDR zu sein.

    Der hinterlassene Totalschaden, der eigentlich en Fall für die Schrottpresse war wird immer noch als funktionstüchtiger Trabbi dargestellt, der fit war für den Markt.

    • @Rudolf Fissner:

      Erstmal darf man schon von der Generalbehauptung abkommen, jeder Ostdeutsche wäre in diesen Jammernton verfallen. Ich lebe im Osten und kann da eher von einer Mehrheit berichten, die dem nicht erliegen. Differenzierung tut Not.

      • @lions:

        Richtig. Schrieb ich auch schon.

    • @Rudolf Fissner:

      So reden Sieger. Wegen Menschen wie Ihnen sind die Ostdeutschen nostalgisch geworden.

      • @TazTiz:

        Ja die SED hat verloren. Die allermeisten Ostdeutschen sind gegenüber den SED-Parteifuzzies die Sieger. Ist auch gut so (bis auf die schlechten Verlierer)

        Wen störts? Nicht mal (den allermeisten) Linksparteilern. Vielleicht den üblichen Populisten? Weil da wieder so ein quasinationales Jammergedöns draus gebastelt wird?

    • @Rudolf Fissner:

      „Man gewinnt ja irgendwie den Eindruck, dass Gestrige die 900 Milliarden, die vom Westen in den Aufbau Ost bisher hineingepumpt wurden als diskriminierend ansehen.“

      Sie haben aber schon mitbekommen, dass auch der Osten den Soli bezahlt hat, oder?



      Und schlecht gemacht wurde die „Einheit“, und zwar indem man alles bischen an Wirtschaft im Osten durch die Treuhand verscherbelte (oder unter der Hand verschenkte). Es wurde ein dauerhafter Niedriglohnsektor mit prekären Verhältnissen geschaffen. Gleichzeitig echauffiert man sich über die Reaktionen der „Geretteten“. Actio et Reactio.



      In gewisser Weise ist der „Aufbau Ost“ die Blaupause, ein Versuch in klein, für die „Griechenlandrettung“ gewesen.

      • @mallm:

        "Es wurde ein dauerhafter Niedriglohnsektor mit prekären Verhältnissen geschaffen."

        Ja, und das eben in West- wie in Ost-Deutschland (!), da sind die Jammernden im Osten nicht allein, jammern aber mehr, weil sie meinen nur sie würden ungerecht behandelt.

        ALG II und der große Niedriglohnsektor ist unter anderem eine Folge der Wiedervereinigung bei gleichzeitigem Versagen der Gewerkschaften und den Arbeitnehmer_innen, die aus Bequemlichkeit erst gar nicht in Gewerkschafen organisiert sind.

        Und wer bitte hat in der ehemaligen DDR für die Wiedervereinigung gestimmt? Das waren nicht die Menschen im Westen, sondern die DDR-Bürger_innen, die zudem die Hoffnungen und Pläne anderer politischen Kräfte mit ihrer CDU-Wahl einfach platt gemacht haben.

        • @Hanne:

          „Ja, und das eben in West- wie in Ost-Deutschland (!), da sind die Jammernden im Osten nicht allein, jammern aber mehr, weil sie meinen nur sie würden ungerecht behandelt.“

          Warum „jammern“ dann die Westdeutschen nicht mehr? Man hatt doch eine gemeinsame Basis, eine beklagenswerte Ungerechtigkeit, die beseitigt werden muss. Auf mich wirkt die Ost-West-Diskussion wie ein Keil der spalten soll damit die Betroffenen nicht das eigentliche Problem identifizieren können.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Das wäre ja gerade so, als wollte man das S21-Desaster allein Kretschmanns Grünen in die Schuhe schieben.

      • @90191 (Profil gelöscht):

        Mehr wie Elefanten in der falschen Porzelanladendiskussion.

  • Ich habe mir als Wessi nicht unbedingt einen Anschluss der DDR an die BRD gewünscht, weil ich befürchtete, dass der Westen wie eine Siegermacht auftreten wird. Davon konnte ich mich zur Genüge überzeugen. Für die unzähligen Raubrittertouren geldgieriger Wessis habe ich mich fremdgeschämt. Am Beispiel von Lothar Späth, der quasi zum Retter von Zeiss Jena hochgejubelt wurde, lässt ich die Siegermentalität gut nachvoillziehen. Immerhin war West-Zeiss in Oberkochen Späth-Land. Und da wäre eine Konkurrenz aus dem Osten, die z.B. bei der damalige sowjetische Raumfahrt technologisch eine wichtige Rolle gespielt hat, äußerst unerwünscht gewesen. Zeiss Jena hätte man nicht zerschlagen können, deshalb wurde der Konzern "umstrukturiert" und wesentlich verkleinert. Es kam zu Massenentlassungen. In Oberkochen wuchsen die Geschäftsbereiche an, um es mal moderat zu formulieren. Jena wurde filetiert für die neuen Shareholder.

    Wäre ich DDR Bürger gewesen, dann wären für mich die sogen. Besserwessis ein Albtraum gewesen. Trotz der Erfahrungen mit Unfreiheit und Staatskapitalismus. Die Tatsache, dass auch die positiven Errungenschaften der DDR weder anerkannt und erst recht nicht übernommen wurden, hat wesentlich zur Stigmatisierung vieler "Ossis" beigetragen.



    Der ganze Prozess der sogen. Wiedervereinigung war eine einzige Diskriminierungsorgie durch den Westen, dessen Instrument die Treuhand war.

    • @Rolf B.:

      Nur eines frage ich mich dabei. Warum wurden die vielen tollen Ideen von Freiheit und Wirtschaft in Jena zuvor null nüscht nichts erfolgreich umgesetzt. Man hatte 40 Jahre mit den Menschen rumexperementiert.

      Die berechtigte Stigmatisierung der SEDler mit ihrem menschlichen stacheldrahtbewehrten Sandkasten DDR wird gerne als "Stigmatisierung der Ossis" verstanden. Man kann sich so auch sehr bequem hinter Menschen verstecken.

      Das weiß man auch in Ostdeutschland.

    • @Rolf B.:

      LOL,ich muss wirklich grinsen. Gerade heute habe ich auf meiner Arbeit zentrale Bauteile des Nachnachnachnachnachfolgers der Multispektralkamera (diese meinen Sie wohl mit der Bedeutung für die sowjetischen Raumfahrt, nur eben jetzt 40 Jahre Technik weiter) vor mir auf dem Tisch liegen gehabt. Und oh Wunder, diese werden wiederum von einer anderen Firma in Jena, die die Satellitensparte von Zeiss seit 1992 weiterführt. verbaut. Und alles wird nicht mehr an die Sowjetunion, sondern an die ESA und weltweit geliefert, weil es keine besseren auf der Welt hinsichtlich Technologie und Qualkität gibt ... Ja, wir hatte auch in Jena schwierige 90er Jahre. Aber spätestens seit dem Ende der 90er gibt es hier einen rasanten Aufschwung insbesondere in der Optik, Bioinstrumentebau und Softwareentwicklung... Und nun halten Sie sich fest: Viele von diesen neugegründeten, meist mittelständischen Unternehmen haben Ostdeutsche gegründet, Wissenschaftler, Ingenieure, Techniker, oftmals ehemalige Zeissianer, und sind bis heute dort Geschäftsführer, Forschungsleiter etc. Sie haben eben nicht herumgejammert, sondern mit ihrem Knowhow den Sprung ins kalte Wasser gewagt und für viele anderen, gerade auch Entlassenen, neue Berufsaussichten geschaffen. Mittlerweile haben wir akuten Fachkräftemangel hier. Jena ist wohl das Zentrum der Optik in Deutschland geworden, und auch Zeiss hat vor einem Jahr angekündigt, 2020/21 300 Mio für das zukünftige Forschungszentrum für Zeiss und den Mikroskopbau in Jena zu investieren. Die Bauplanungen laufen. Sorry, wenn ich vor dem Hintergrund dem Westsiegergeschwafel und ostdeutscher Befindlichkeitsnabelschau distanziert gegenüber stehe. Ich weiss, dass es woanders schlechter gelaufen ist, aber Osten ist eben nicht gleich Osten.

      • @Hans aus Jena:

        "Und alles wird nicht mehr an die Sowjetunion, sondern an die ESA und weltweit geliefert ..."

        Sowjetunion gibt es nicht mehr.

        Was Sie beschreiben ist die von mir erwähnte Filetierung.

        Glückwunsch, dass Sie zu den Wendegewinnern gehören.

        • @Rolf B.:

          Sie wollen nichts begreifen.... Dann lamentieren Sie weiter.

    • @Rolf B.:

      Alles richtig was Sie schreiben.

      Konnten sich die ehemaligen BürgerInnen der DDR wirklich diese Diskriminierungsorgie wirklich vorstellen?

      • @Rolf B.:

        War Antwort an HANNE.

    • @Rolf B.:

      Sorry, bevor der Besserwessi zum Fremdschämen kam, gab es 1990 am 18. März Wahlen in der DDR:



      de.wikipedia.org/w...lkskammerwahl_1990



      www.bpb.de/politik...te-volkskammerwahl

      "Mit 48 Prozent der Stimmen konnte die konservative "Allianz für Deutschland" die Wahl für sich entscheiden. Erst kurz zuvor, am 5. Februar, hatten sich die ostdeutsche CDU, der Demokratische Aufbruch (DA) und die Deutsche Soziale Union (DSU) unter Unterstützung von CDU/CSU aus Westdeutschland zu diesem Bündnis zusammengeschlossen. Die "Allianz" trat für einen schnellen Weg zur deutschen Wiedervereinigung ein und warb mit der Parole "Freiheit und Wohlstand – Nie wieder Sozialismus" um Stimmen."

      "Ebenfalls zusammengeschlossen hatten sich die "Initiative für Frieden und Menschenrechte", das "Neue Forum" und "Demokratie Jetzt" – allesamt basisdemokratisch orientierte Gruppen aus der Bürgerbewegung, die zu den wichtigsten Trägern der Friedlichen Revolution in der DDR gezählt hatten. Doch ihr "Bündnis 90" erreichte nur 2,9 Prozent."

      Unschuldig sind die ehemaligen DDR-Bürger_innen auf keinen Fall.

    • @Rolf B.:

      "Die Tatsache, dass auch die positiven Errungenschaften der DDR weder anerkannt und erst recht nicht übernommen wurden..."

      Das Ampelmännchen wurde doch im wieder vereinigten Berlin flächendeckend übernommen. Ansonsten weiß ich nicht, mit welchen "Errungenschaften" die DDR brilliert hätte. Am NS-Staat kann man auch positive Seiten entdecken, wenn man das möchte. Zum Beispiel den Autobahnbau. Ich finde jedenfalls, dass die "Errungenschaften" eines Systems, das seine Bürger zu ihrem vermeintlichen Wohl unterdrückt, eingesperrt, bespitzelt und getötet hat, einen sehr bitteren Nachgeschmack haben und eigentlich keine Errurngenschaften sind, sondern lediglich Zuckerbrotkrümel eines mit Peitsche agierenden politischen Systems.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Wie gut, dass es auch noch Minderwessis gibt.

    • @Rolf B.:

      Alle Achtung! Mehr Vorstellungsvermögen geht nicht. Trotz allem, es gibt so viele Wahrheiten.

  • Entschuldigung. ich hätte präzisieren müssen: warum durchschnittliche Bürger der DDR Helmut Kohl nicht dankbar sein dürfen, wenn sie das wollen.

    Das mit der Währungsunion war auch so ziemlich das letzte, was Herr Lafontaine richtig gemacht hätte - aber da, vermute ich, werden wir unterschiedlicher Meinung sein.

    Jedenfalls hätte die DDR (gerne mit Transfers aus der BRD) sich selbst reorganisieren sollen und das in der Verantwortung der eigenen Bürger, und nicht unter dieser faktischen Kolonialverwaltung unter Einbezug einiger frisch persilbescheinigter Blockflöten. Polen, Ungarn, die Tschechische Republik und weitere ehemalige Klientelstaaten der Sowjetunion haben die Transformation ja auch gut hinbekommen, und das unter Wahrung der Würde zumindest eines überwältigenden Teils der jeweiligen Bevölkerung. (Daß gerade die drei sich in letzter Zeit demokratiepolitische Problembären gewählt haben, hängt damit meiner Meinung nach nicht unbedingt zusammen).

  • Und die ex-DDR-Bürger zahlen diese immer noch. Allerdings stark unterproportional, auch pro Kopf gerechnet.



    Dazu muß man natürlich sagen, daß aufgrund der (gottseidank!) nicht kleinteilig erfassten Binnenmigration nicht nachvollziehbarist, welcher Teil des Stueraufkommens in den neuen bzw. alten Bundesländern von jenen erbracht wird, die gewissermaßen schon vor 1990 dort waren.

  • Der Ossi erlernte, sich in einer Art APO einem autoritären Staat gegenüber zu erwehren. Dabei ist die Abgrenzung zur Obrigkeit wahrscheinlich durch eine Mixtur aus Spitzfindigkeiten, Verweigerungen und stiller, konspirativer Klage passiert- Eine eingeübte Rolle. Da es nach dem Mauerfall mit dem Verbot der Äußerung der eigenen Meinung hinfällig war, empfanden einige Ossis ein Vakuum, dass jede strikte Opposition überflüssig machte, doch das Gefühl als nun freier Bürger immer noch fremdbestimmt zu sein, blieb. Es blieb auch die konspirative Gemeinschaft der Unterdrückten, die die Unterdrückung nun in der existenziellen Benachteiligung wahrnehmen. Lasst den Ossis das Jammern, denn den über lange Zeit herangezogene autoritäre Charakter legt man nicht mal so schnell einfach ab; vielmehr setzt er sich sogar noch über eine weitere Generation abgeschwächt fort. Ähnliches kann man dem durch Wirtschaftswunder und Marshall-Plan verblendeten Wessi attestieren, der durch den faktisch wirtschaftlichen Erfolg seiner Nährmutter nun angedenkt, richten zu können. Wer einen der beiden verurteilt, stelle sich vor, er wäre jeweils auf der anderen Seite sozialisiert worden. Das sollte zur Relativierung und Nachsicht ausreichen. Jammert bitte! Ich jedenfalls höre geduldig zu.

    • 9G
      99337 (Profil gelöscht)
      @lions:

      "Der Ossi erlernte, sich in einer Art APO einem autoritären Staat gegenüber zu erwehren."

      Interessant hierzu ist ein Blick auf die Musikszene, die im Osten teilweise oppositionellen Charakter hatte, im Osten auch noch Kult hat, im Westen jedoch (auch historisch und medial) wenig Beachtung findet. Da sind ziemlich viele Leute verständlicherweise frustriert...

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Es war halt wie in Russland auch. Da kam Gorbi und brachte alles auf einen neuen Kurs, dies aber mit Bedacht und der Gewissheit, dass es einen langen Atem braucht, wenn es gut gelingen soll. Das ging aber manchen nicht schnell und nicht radikal genug. Dadurch kam Jelzin zum zuge, der "Radikalreformer", später nur noch Schnapsdrossel. Was hat man nun langfristig erreicht? Zar Putin, Herrscher aller Russen auf Lebenszeit, hurra hurra, es lebe die Monarchie!!!

    Ähnlich die DDR: Das neue Forum strebte einen kontrollierten Wandel mit dem Ziel nachhaltiger Demokratisierung an. Das ging manchen nicht schnell und radikal genug. Man krönte Kohl zum Kanzler aller Deutschen, zerschlug den eigenen Staat und begab sich schutzsuchend unter die Fittiche der BRD. Das Resultat: Bis heute haben die ehemaligen DDR-Bewohner zu keiner eigenständigen Identität innerhalb der BRD gefunden, fühlen sich fremd und entwurzelt.

    • @90191 (Profil gelöscht):

      "Das ging manchen nicht schnell und radikal genug."

      Meinen Sie mit diesen "manchen" die Millionen Wähler, die den für eine schnelle Wiedervereinigung antretenden Parteien 1990 eine Dreiviertel-Mehrheit in der Volkskammer bescherten?

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @90191 (Profil gelöscht):

      Kohls CDU hat damals im Osten weniger Stimmen bekommen als im Westen. Wenn, dann haben die Westdeutschen einen Zombie ins Amt gehoben.

  • Ostalgie ist mir als Ostdeutscher nicht fremd, aber die rückwärtsgewandte Verklärung erscheint mir sinnlos.

    Was ich mich ersthaft frage ist, warum Ostdeutsche fast 30 Jahre nach der Wende nicht in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft ankommen (oder angemessen vertreten sind) und warum die Vermögen (auch im Osten) weiterhin westdeutsch sind. Alles andere ist Lametta ...

    • @Taztui:

      ... ja warum mussten 900 Milliarden an westdeutschen Steuergeldern in den Aufbau Ost fließen? Ich vermute, weil man dort das Land wirtschaftlich gegen die Wand gefahren hat. War da nicht so was?

      Ach ja, „Führungsetage von de Politike“: La Chef est Merkel. Nur als eine kleine klitze Info.

      • @Rudolf Fissner:

        Was am Ende rauskommt zählt: 20% der Bevölkerung stellen weniger als 5% der mittleren oder oberen Führungskräfte in Deutschland. Das ist weniger Quote als für das 2. X-Chromosom. Bei den Vermögenswerten (in der Folge) ganz ähnlich. Dass Eigentum und Führungsgewalt essentiell sind, muss ich einem TAZler und Linken doch nicht erklären, oder? Die 900 Milliarden waren doch eh nur geborgt und sind wohin (zurück) geflossen?

        • @Taztui:

          Die 900 Milliarden sind allein nur die aus Steuergeldern finanzierten Maßnahmen. Die privatwirtschaftlich aufgebrachten Gelder sind da noch gar nicht mit eingerechnet.

          Und zu den Führungskräften. Es gibt wichtigere Probleme als sich über die Herrkunft von ein paar Einkommensmillionären Sorgen zu machen

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Wie viel hat denn die westdeutsche Wirtschaft am Aufbau Ost verdient? Das meiste Geld ist doch in den Westen zurückgeflossen, oder?

        • @82236 (Profil gelöscht):

          Der "Aufbau Ost" wurde so bestellt wie gewünscht.

          • @Hanne:

            Wie es gab 1989 eine Schublade mit ner Kladde in der alle Entscheidungen, der jeweiligen Regierungen auf Bundes- und Landesebene sowie in den Kommunen und darüberhinaus schon vorweggenommen wurden? Cooler Scheiß. Sonne Kladde will ich auch haben.

        • @82236 (Profil gelöscht):

          Ist ihnen irgendwie bekannt, dass die Straßen, Schulen, Universitäten, Maschienen in den Fabriken... wieder abgebaut wurden und in den Westen gekarrt wurden?

  • "Je öfter die Politik uns Ostdeutschen zu erklären versucht, wie Scheiße unser Leben früher war, desto gemütlicher richten wir es uns im müffelnden Gefühl der Abwertung ein."

    Der Jammerossi ist nur die Karikatur eines kleinen SED-Funktionärs.

    Was hat denn die Fesstellung dass die DDR wirtschaftlich und politisch vor die Wand gefahren wurde mit der persönlichen Lebenserfahren jedes Einzelnen zu tun? Schlecker wurde doch auch nicht von den Schleckerfrauen an die Wand gefahren. Da gibt es konkrete Verantwortliche deren Schuhe man sich nicht anziehen muss.

    Ich kann mir gut vorstellen dass im "Jammerossi" einfach nur einer steckt, der mit verantwortlich war, dass nicht verarbeitet hat und übers Jammern verdecken will. Irgend son SED-Kasper halt. Oder einer der von dort zur AfD rübergemacht hat.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Die DDR-Bürger hatten ein illusionärs Bild vom Kapitalismus und der westlichen Konsumgesellschaft. Das zeigte sich anfangs schon an der hingebungsvollen Verehrung Helmut Kohls, der zu diesem Zeitpunkt seinen Zenit längst überschritten hatte und nur noch wenig mehr als eine lame duck war.

      Mit der Realität konfrontiert, waren die DDR-Bürger verständlicherweise enttäuscht. Als Konsequenz flogen schon ein Jahr später Tomaten (oder waren´s Eier?) auf den Bundeskanzler, der nicht wusste, wie ihm geschah.

      Derart extreme Stimmungsumschwünge waren in der BRD nicht üblich.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Ja nun, wie sich bald nach der Wende zeigte, herrschte im DDR-Bürgertum ein nicht zu ignorierendes Potenzial an rechten politischen Kräften vor.

      Nun erklären Sie mir mal, wie man ein linkes System mit rechten Individuen erfolgreich betreiben soll.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @90191 (Profil gelöscht):

        Die Nomenklatura der DDR bestand doch mehrheitlich auch nur aus rotlackierten Faschisten.

      • @90191 (Profil gelöscht):

        Klar da isses wieder. Bei „uns“, der nicht „bürgerlichen“ Restbevölkerung der DDör, dem geliebten sozialistischen teutschen Vaterlan, da gabs es nie rechtsextreme Einstellungen.

        Und nun erklären Sie mal, wie Sie zu diesen Scheuklappenblick aus der Mottenkiste der SED kommen?

  • 9G
    99337 (Profil gelöscht)

    "Das mit dem Osten, das war ja einem Westler wie ihm nicht vernünftig zu erklären."

    Das denke ich nicht, ich glaube, die Ossis recht gut zu verstehen und neige (abgesehen vom Thema AfD & Co.) dazu, sie zu verteidigen und für ihre spezifischen Themen zu werben.



    Aber womöglich liegt das einerseits daran, dass ich wie auch viele Ostdeutsche nicht zu den Gewinnern des Nachwendekaitalismus gehöre und auch daran, dass ich wie viele Westberliner (oft auch unabhängig von der eigentlich Herkunft) eine ganz eigene Identität hatte, die verloren ging.

    "Wir checken an Flughäfen und Hotels mit dem wertvollsten Reisepass der Welt ein."

    Also ich bislang nur ein einziges Mal in meinem Leben und das nur, weil mir eine Reise, die ich mir sonst nicht leisten kann, gesponsort wurde.



    Für Kurzstrecken nehme ich den Zug - ist einfach umweltfreundlicher.

    "Wir dürfen wählen und müssen nicht mehr Schlange stehen."

    Also für Südfrüchte musste ich tatsächlich noch nie anstehen. Aber wie viele gesetzlich Versicherte, für einen gesundheitserhaltenden Facharzttermin.

    Hmm..., wenn ich es mir recht überlege, habe ich für eine solche Art Nostalgie dann doch nicht so viel Verständnis.



    Aber die meisten gern so genannten "Jammerossis" die ich kenne, sind halt keine Wendegewinner, sondern Leute, die bei gleicher Arbeit lange deutlich weniger Lohn bekamen, in strukturschwachen Regionen keine Jobs mehr finden oder aber aus ihren Stadtteilen weggentrifiziert wurden.

    Es wäre ja mal spannend, zu lesen, wie die das so mit der Identität und Ostalgie sehen...

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @99337 (Profil gelöscht):

      Nun, ich denke, die ehemaligen DDR-Bewohner sind für ihre Lage zu großen Teilen selbst verantwortlich.

      Sie wollten die Freiheit und haben nicht bedacht, dass auch diese ihren Preis hat.

    • @99337 (Profil gelöscht):

      Ein Freund (aus der ehemaligen DDR) meinte letztens, seine Eltern hätten zwar viel über ihre Jobs (nach der Wende) gejammert, sich allerdings auch nie um andere bzw. Veränderung bemüht. Jetzt haben sie eine vergleichsweise gute Rente - vor allem aus Ostzeiten.

      Ich selbst (gebürtig aus dem europäischen Westen) habe auch noch nie einen Reisepass genutzt und bin aus der EU auch bisher nicht raus gekommen. Auch gehöre ich nicht zu den sog. Nachwendegewinnern, war 1990 aber auch im "richtigen" Alter dafür. Was sollte ich jetzt sein? Vielleicht ein "Jammerwessi"? Ich überlege es mir mal, wäre vielleicht eine Idee ;-)

      Und ja, ich stehe auch bei Ärzten etc. lange an und warte, auch ab und zu beim Jobcenter, obwohl ich einer Erwerbstätigkeit nachgehe: Einfach hinten anstellen und ruhig bleiben. Kann ich also auch und habe ich auch gut "gelernt", allerdings nach der Wende.

      • 9G
        99337 (Profil gelöscht)
        @Hanne:

        "Vielleicht ein "Jammerwessi"?"

        Gute Frage, als Westberliner wäre ich dann wohl ein Jammerwebeli, oder so, obwohl das irgendwie ein bisschen schwäbisch klingt.

        Aber der Umstand, dass es das Wort Jammerossi bis in die Alltagssprache geschafft hat, es aber kein westliches Gegenstück gibt, zeugt vielleicht auch ein bisschen was von der Grundproblematik.



        Letztlich wurde Ostdeutschland vom Westen vertilgt.



        Das Leute nicht den Arsch hochbekommen haben, dürfte allein schon statistisch hinkommen, ist aber auch ein beliebtes Klischee, den Ostdeutschen die Schuld an so manch politisches Versäumnis zu geben.



        Wie sollten Leute bei damals hoher Arbeitslosigkeit ohne gute oder westkonforme Bildung den Arsch hochbekommen, wenn der einzige Betrieb in der Provinz abgewickelt wurde?



        Ein sicherlich ebenso großes Problem war wohl auch, dass bei der Abwicklung der DDR durch Abwertung von Leistungen und Alltagskultur der Westen bisweilen schamlose Dominanz gezeigt hat. Ich bin kein Fußballfreund, aber dass mal eben bis auf drei Ostvereine alle als zweit- oder drittklassig erklärt wurden, zeigt so ein bisschen, wie mit Ostdeutschen umgegangen wurde.

        Mich ärgerte an diesem Artikel vor allem, dass die Autorin bei den Vorzügen von "wir" schreibt, aber eben längst nicht alle davon profitieren können.

        Aber es stimmt natürlich, Sie, ich und viele andere Nicht-Ossis haben auch Gründe zu jammern.

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @99337 (Profil gelöscht):

          "Das Leute nicht den Arsch hochbekommen haben, dürfte allein schon statistisch hinkommen, ist aber auch ein beliebtes Klischee, den Ostdeutschen die Schuld an so manch politisches Versäumnis zu geben."

          In den 4 Jahren nach 1990 haben beinahe 1,4 Millionen Menschen der Ex-DDR den Rücken gekehrt und sind gen Westen gezogen. Die haben den Arsch also verdammt hochgekriegt und sie waren zu fast der Hälfte jung.

          • 9G
            99337 (Profil gelöscht)
            @849 (Profil gelöscht):

            Ich habe mich da sicherlich missverständlich ausgedrückt. Das mit dem "Arsch hochkriegen" bezog sich auf eine Anekdote von Hanne und das mit der Statistik darauf, dass es immer und überall Menschen gibt und geben wird, die den Arsch nicht hochbekommen. Mein Verweis auf Abwicklung von Unternehmen in der Provinz sollte jedoch deutlich machen, dass ich die Gründe für ostdeutsche Nachwendeprobleme nicht den Ostdeutschen negativ anlaste.

            Und ja, stimmt, neben dem Jammerossi gibt es auch noch den Besserwessi. Auch das beschreibt ziemlich gut, die bis heute andauernde Rollenverteilung von Ostlern und Westlern - obwohl es halt auch viele Jammerwessis gibt und zudem bei Westlern bis heute gebräuchliche Scherze, dass man gern die Mauer wieder hätte.



            Es gibt neben der Ostalgie also auch da ein westliches Gegenstück, das wiederum keinen Namen in der Alltagssprache hat.

            • 8G
              849 (Profil gelöscht)
              @99337 (Profil gelöscht):

              Ich glaube, ich habe Sie schon recht verstanden. :-) Wollte nur darauf hinweisen, dass sehr viele Menschen damals abwanderten, weil sie eben mehr als genug Mut hatten, ein neues Leben anzufangen, was ich den Dagebliebenen natürlich auch nicht abspreche.

              Die Heimat zu verlassen, glaube ich, das tut man nur, wenn's nicht anders möglich ist oder einen die "Karriere" dazu zwingt. Wenn man sich den Diskurs so anschaut, dann könnte man überhaupt meinen, nur die Westler hätten Karriere gemacht, die im Osten hätten hingegen auf der Stelle getreten. Aber das ist doch auch ein sehr schiefes Bild, das vielleicht von den Berichten über abgehängte Regionen Ostdeutschlands geprägt ist.

              • 9G
                99337 (Profil gelöscht)
                @849 (Profil gelöscht):

                "Ich glaube, ich habe Sie schon recht verstanden. :-)"

                Ah okay. :-)

                "Die Heimat zu verlassen, glaube ich, das tut man nur, wenn's nicht anders möglich ist oder einen die "Karriere" dazu zwingt."

                Ich weiß, ich musste Berlin wegen des Wohnungsmangels verlassen und lebe seither in der (westdeutschen) Provinz. Ist nicht einfach, das teils lebenslange soziale Umfeld zurückzulassen, hat aber durchaus auch Vorzüge.

                "Wenn man sich den Diskurs so anschaut, dann könnte man überhaupt meinen, nur die Westler hätten Karriere gemacht, die im Osten hätten hingegen auf der Stelle getreten."

                Das stimmt. Es ist wohl eine kaum mögliche Gratwanderung, die spezifischen Probleme der Ostdeutschen zu würdigen, ohne dabei Gefahr zu laufen, ihnen mit dem Verliererstempel gleich wieder die seither erbrachten Leistungen zu deklassieren.

                Das Problem, das ich halt zu diesem, wie zu anderen Themen zu sehen meine ist, dass zwangsläufig überwiegend Journalisten darüber berichten, die zwar nicht zwangsläufig zu den ökonomischen Gewinnern gehören, aber auch nicht zum untersten Teil der Gesellschaft gehören, mitunter noch Zukunftsperspektiven haben und das Privileg genießen, ihre Meinungen und Sichtweisen in den Diskurs einbringen zu können. Diese sind aber oftmals nur begrenzt repräsentativ für jene, die es halt nicht (so weit) geschafft haben.

              • @849 (Profil gelöscht):

                Es geht nicht um eine "abgehängte Region", es geht bei den Personen darum, dass sie einfach - weshalb auch immer - sich niemals auf eine andere Stelle versucht haben zu bewerben. Wäre möglich gewesen und keine Energieverschwendung wie vielleicht in MeckPomm, Sachsen-Anhalt oder Brandenburg Land. Oder einfach mal zu sagen, ich hätte gern mehr Lohn. Aber Jammern immerzu, keine Versuche persönlich da was dran zu ändern. Und das erlebe ich heute noch bei gut ausgebildeten und erfahrenen Menschen hier, ach, weshalb soll ich mich woanders bewerben, mich nimmt doch eh niemand. Eine hat es dann doch mal irgendwann versucht, wurde sofort genommen, es geht ihr dort besser und sie verdient auch etwas mehr. Aber jahrelang jammern und durchhalten. Das finde ich schon typisch eher "ost".

                Auch der Satz "Da können wir sowieso nichts daran ändern". Ich kann es nicht mehr hören und es kommt in meinem Umfeld nicht aus dem Mund von über 70jährigen.

                Und wenn dann doch einer mal was ändern möchte, der Vorsitzende der Lokomotivführergewerkschaft damals, dann ist er Netzbeschmutzer, unverschämt und überhaupt sorgte er dafür, dass die Menschen nicht mehr zu ihrer oft bejammerten Tätigkeit kamen...

                • 8G
                  849 (Profil gelöscht)
                  @Hanne:

                  Diese Aussage, man könne eh nix machen, höre ich im Westen aber auch sehr oft. Mag sein, dass die lange Gängelung durch die SED und Unterorganisationen die Menschen im Osten beeinflusst hat, aber diese Art Frustration scheint mir doch auch Gesamtdeutsch.

                  Es gibt ja zudem viele Ursachen, warum eine Bewerbung wenig Aussicht auf Erfolg hat. Allein schon ein tolles Anschreiben zu erstellen, den Lebenslauf "aufzuhübschen", sich im Gespräch gut darzustellen, das sind sicher nicht die Kernkompetenzen von Ex-DDR-Bürgern oder deren Nachfahren, die nach meiner Erfahrung immer noch nicht gelernt haben, mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten anzugeben (was ich sehr sympathisch finde).

                  • @849 (Profil gelöscht):

                    Es geht nicht ums Angebenkönnen, sondern um gesunde Selbstsicherheit und sicheres Auftreten.

                    Aber hier bekommen die Schüler_innen ALLER Schularten immer noch spät. ab der 8. Klasse zu hören, dass sie "dumm" sind und nichts können - Jungs gerne auch schon aber der 1. Klasse. Gleichzeitig wird der totale Gehorsam weiter vorgelebt und gefordert, bloß nicht frei denken und eine gesunde Persönlichkeit entwickeln. Ich finde, da müsste sich langsam mal grundsätzlich was ändern. Nur so kann auch mal das so sozialisierte Jammern im Erwachsenenalter bei Nachwendekindern aufhören.

                • 9G
                  99337 (Profil gelöscht)
                  @Hanne:

                  "Es geht nicht um eine "abgehängte Region", es geht bei den Personen darum, dass sie einfach - weshalb auch immer - sich niemals auf eine andere Stelle versucht haben zu bewerben."

                  Erst einmal die Frage: Wen geht es darum? Mir nicht, denn trotz der unbestrittenen Frage, dass es auch das gab und immer geben wird, halte ich es für problematisch, diese von der Leistungsgesellschaft geprägte Sichtweise zu transportieren. Denn ich persönlich kenne von mir und meinem Umfeld genug "Weshalb-Auch-Immers", um nicht bei anderen pauschal darüber urteilen zu wollen.

                  "Oder einfach mal zu sagen, ich hätte gern mehr Lohn. Und das erlebe ich heute noch bei gut ausgebildeten und erfahrenen Menschen hier [...]"

                  Und das ist das Missverständnis in unserer Diskussion. Nicht, dass ich nicht auch die Belange der schon Bessergestellten und gescheiterten Bildungsbürger in meine Überlegungen einbeziehe. Doch sie haben nicht nur meist das größere Potential, ihre Sorgen und Probleme zu formulieren, sondern haben weitaus mehr Fürsprecher - was ich mit meinem ersten Kommentar anhand der im Artikel benutzten "Wir"-Formulierungen thematisiert habe



                  Leuten in prekären Jobs zu sagen, forder mehr Lohn, ist gleichbedeutend mit: "Lass dich kündigen und beziehe Hartz." Wäre ich ja fast dafür, weil niemals diese schlechtbezahlten Jobs machen sollte. Sie auch?

                  " 'Da können wir sowieso nichts daran ändern' und es kommt in meinem Umfeld nicht aus dem Mund von über 70jährigen."

                  Sie sind noch vergleichsweise jung, oder? Unter 40? Ja, da sieht es noch so aus, als wäre alles noch irgendwie erreichbar. Ich bin unter 50 und kann die Resignation von 70jährigen verstehen. Denn unabhängig davon, ob selbstverschuldet oder nicht, was bleibt abgehängten älteren Menschen denn noch, außer Resignation?



                  Sorry, aber so eine Sicht ist mir zu leistungskonform und - sofern Sie sich selbst denn so definieren - zu "junglinks", was aus meiner Sicht wenig mit links, also sozial und kapitalismuskritisch, zu tun hat.

                  • @99337 (Profil gelöscht):

                    Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass es aus den Mündern von UNTER 70jährigen kommt und nein ich selbst bin nicht "unter 40".

        • 8G
          849 (Profil gelöscht)
          @99337 (Profil gelöscht):

          Dem Jammerossi korrespondiert m.E. der Besserwessi.

          • @849 (Profil gelöscht):

            Große Wessis weinen nicht!

  • Die Ostalgie finde ich ätzend.

    • @Nicky Arnstein:

      Ostalgie gibts nicht. Es gibt nur Rostockalgie.

  • Der "Heimat"minister Seehofer ist zuständig für Raumordnung und die "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse" in Deutschland. Die Ungleichheiten, die sich wie korrekt beschrieben in den Karten abzeichnen sind ihm nicht mal eine Bemerkung wert.

    "Ungleiches Deutschland" bedeutet aber nicht nur "armes Ossiland" es bedeutet enge laute Metropolen, Städte in denen man sich keine Wohnung mehr leisten kann im "Wessiland". Wo auf der einen Seite Menschen ihre Heimat verlassen wegen Arbeit werden auf der anderen Seite Menschen aus ihren Wohnungen und Stadtteilen verdrängt.

    Es muss verstärkt Raumordnungspolitik gemacht werden. Insbesondere müssen Arbeitsplätze in der Fläche geschaffen werde.

    • @Rudolf Fissner:

      In der zentralen Planwirtschaft wurden Arbeitsplätze "geschaffen". Im Kapitalismus entstehen sie dort, wo sie für das Kapital am profitablesten sind. Sie scheinen ja ein echter Ossi zu sein, wenn Sie das noch nicht verstanden haben...

      • @El-ahrairah:

        Na ja, nicht wirklich. Im Kapitalismus westdeutscher Prägung entstanden da Arbeitsplätze, wo Infrastruktur nicht vollständig - Maschinen, Hochöfen, Lokomotiven, selbst Eisenbahngleise - nach Russland verschifft wurde.

        Sie entstanden dort, wo amerikanische Waffen schützten und nicht russische drohten.

        Da, wo die Dresdner Bank plötzlich in Frankfurt war, wo Siemens auf einmal nach München zog.

        Die Gnade, auf der richtigen Seite des Zaunes geboren zu sein: nicht mehr als das.

        • @TurboPorter:

          Audi und AEG haben auch rübergemacht.

      • @El-ahrairah:

        Eben sie haben sooowaaas von recht! Nur nichts verstanden.

        Der Staat kann vermehrt große Behörden aufs Land verlegen. Kann Wirtschaftsförderung betreiben. Infrastruktur (Internet!) bereitstellen. Gewerbesteuern in überlastetetn Regionen erhöhen. Und vieles mehr. Schon wirds profitabel.

        • @Rudolf Fissner:

          Das tut "der Staat" bereits, z.B. mit den Standorten Schleife und Nossen in Sachsen. Aber da ist trotzdem laut Aussagen dort in der Provinz Beschäftigter tote Hose. Da geben sie eher das WG-Zimmer für Mo-Do wieder auf und pendeln jeden Tag von den größeren Städten.

          Schleife:



          www.bafza.de/aufga...okratie-leben.html



          de.wikipedia.org/wiki/Schleife_(Ort)

          Nossen - schön, direkt am Autobahndreieck:



          de.wikipedia.org/wiki/Nossen



          "2012 wurde ein neuer Gebäudekomplex mit sechs Häusern (Baukosten 6m5 Millionen Euro) eingeweiht.[48]"

          "Öffentliche Einrichtungen



          Nossen hatte seinerzeit zwei Kinos („Sachsenhof“ und „Astoria“), die lange geschlossen sind. Ausflugsrestaurants in der näheren Umgebung der Stadt waren das Zollhaus Bieberstein (geschlossen), das Huthaus (abgebrannt) und das Dreierhaus in Marbach (geschlossen)."

          • @Hanne:

            Sag ich doch! Der Staat hat nicht genug getutet. Wenn die Einwohner in den engen Metropolen ihre Jobs finden müssen, dann gehn se auch dort in die Ausflugslokale.

            • @Rudolf Fissner:

              Nein, in der leider toten "Provinz" gehen sie drei bis 4 Tage arbeiten und übernachten da bestenfalls ein paar Tage in der Woche und fahren dann wieder in die "Metropolen" und gehen in die Lokale und Kinos. Sind ja dazu derzeit fast alles auch meist nur befristete Stellen.

  • Verquere Gefühle haben auch Ostdeutsche untereinander. Ich bin aus der gleichen Generation Ost wie die Autorin, doch ich habe keine Phantomschmerzen. Natürlich habe ich meine Erinnerungen an meine Kindheit und Jugendzeit, statt Bonanzaräder fuhr ich Mififa und meinen Rucksack haben ich in Rumänien und nicht in Jugosslawien herumgetragen - habe ich deswegen einen anderen kulturellen Code? Den kulturellen Code habe ich eher bekommen, wenn das Regime mich in meiner Autonomie nicht mehr aushalten konnte - und auch bei den durchdiskutierten und durchgesoffenen Nächten in den Schwarzwohnungen Halles ;-) Mich nervt die Larmoyanz vieler Ostdeutscher, wenn sie auf Facebook die alten Bilder aus der DDR posten mit dem Kommentar, "war doch schön damals". Nein ich vemisse weder die Kloakenflüsse und Braunkohlenatmosphäre, noch Strammstehen beim Schul-Appell inclusive Anranzen, wenn man das Pionierhalstuch vergessen hatte, und Giftschränke in Bibliotheken. Und die, die heute Schlagesüsstafeln, Brigadefeiern und Camingurlauben an der Ostsee nachtrauern. haben das 1990 folgend aktiv erst einmal im Konsumrausch abgewählt, Milka gefressen und sind nach Spanien gefahren. Sehr speziell wird die Lamoryanz bei denen, die in der DDR immer noch das Bessere gesucht haben. Die Autorin war 1989 24 Jahre alt, ich 25. Wir leben mittlerweile mehr als die Hälfte unseres Lebens in einem veränderten Land mit all seinen Knirschen und Quietschen des Zusammenlebens. Wär es nicht einmal Zeit, wenigsten da anzukommen, dann kann man das immer noch kritisieren und verändern. Viele meiner Freunde haben die Zeit als ihre Chance begriffen - konnten endlich studieren, was sie wollten, ihre Reise um die Welt wagen, neue Wege einschlagen - und ja viel Scheitern war dabei. Aber sollen ich und meine Generation mir mein Leben immer noch von Phantomschmerzen bestimmen lassen, Frau Maier? Auch Sie haben doch ihren Weg in den letzten 28 Jahren gehen können, bis dahin Redakteurin einer angesehenen Zeitung zu sein.

  • Die eigene Herkunft und Geschichte definiert sich nicht darüber, ob dort ein Dax-Unternehmen vorhanden war.

  • 9G
    97546 (Profil gelöscht)

    "Und es fehlt diese Erzählfolie, deren Codes uns als Teil der identitätsstiftenden Mehrheit erkennbar machen würden. Jugoslawienurlaub, Bonanza-Rad, „Sie baden gerade Ihre Hände darin“ … das können wir beim besten Willen nicht mehr aufholen."

    Mädel, du bist Jahrgang 1965. Nicht wenige Westlern fehlt die Erzählfolie auch, weil zu wenig Geld.

    • @97546 (Profil gelöscht):

      Wir im Westen haben nicht alle so gelebt wie in der Werbung, Frai Maier. Da stimme ich @YENNIFER sehr zu.

      Ich musste zwar nie zum Appell oder irgendein Tüchlein tragen und die Schulwahl war recht frei - und wir als Jugendliche teils auch, aber Geld für Luxus und teure Freizeitaktivitäten hatten wir auch nicht.

  • Zwischen Migranten, Ostdeutschen gibt es emotional einen gravierenden Unterschied, während Migranten durchweg aufgrund von Krisen, Kriegen, Vermögensentzug durch Warlords, Zerstörung ihrer Wohnstätten, Vertreibung, Gefahr für Leib und Leben zu uns kommen, stehen Ostdeutsche wie Westdeutsche im gemeinsamen Erleben der Friedensstiftung durch den Fall der Berliner Mauer 9.11.1989 ohne dafür belastbare Begriffe globaler Politik auf dem Weg zur Verantwortungsgemeinschaft kollektiver Sicherheitssysteme, - Helsinki KSZE Prozess 1975 - , gemeinsam gestiftet zu haben,



    Die DDR war mit und ohne " " vornherein nach 1945 ein gesamtdeutsches Denkmodell im Westen als, im Osten als das "Neue, das Bessere Deutschland" in Köpfen Deutscher, Europäer, Kundschafter, Bote, Stifter des Friedens in Europa "Frieden schaffen ohne Waffen" ohne Streben nach Revanchismus in der Welt zu sein. Insofern ist das neue, das bessere Deutschland bis heute nicht vollendet. Inzwischen haben Ost- wie Westdeutsche seit 1989 gemeinsame Schuld auf sich geladen, die neue deutsche Einheit 1990 nicht durch einen Friedensvertrag mit ehemals 53 kriegführenden Staaten auf der Basis von Lastenausgleich, Entschädigung untermauert zu haben, statt sich in "Zwei plus Vier" Gespräche mit den Siegermächten zu flüchten. 1953 gelang der innere Lastenausgleich in Westdeutschland. DDR Geflüchtete konnten diesen bis 1989 beanspruchen. Warum geschah das nach 1990 nicht mehr, wie es Günter Grass u. a. forderten, geschweige im Fall ehemals kriegführender Länder, Millionen Zwangsarbeiter, die erst 1997 auf Druck von Sammelklagen in New York symbolisch entschädigt wurden. Warum hat Hans Modrow, Gründer der Treuhand, diesen Lastenausgleich nicht im Sinn gehabt, Westdeutschland empfohlen, einer demokratisch verfassten DDR beizutreten, denn Ostberlin hatte, anders als Bonn, seit 1958 einen Friedensvertrag mit allen osteuropäischen Ländern? Stattdessen jammert Rudolf Augstein 1990 im Spiegel "Bitte keinen Friedensvertrag"

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Es mangelt uns zudem an Weltläufigkeit und Bildungsbürgerlichkeit."

    Vielleicht sollten Sie sich mal in dieser Beziehung auf den sogenannten Minderwertigkeitskomplex befragen. Als im Westen Aufgewachsener bin immer wieder bass erstaunt, wenn ich sehe wie sehr es den Leuten heute noch - trotz penetranter Betonung des Gegenteils - an Weltläufigkeit und Bildungsbürgerlichkeit mangelt. Das sind in meinen Augen Postulate, die nur in gewissen Blasen als Fakt gelten und welche die westdeutschen Großschwätzer z.T. sehr erfolgreich an ihre Umgebung (wahrscheinlich besonders den Osten) abgesondert haben.

    Im Übrigen hat doch jeder Deutsche, der beim Fall der Mauer erwachsen war, sein damaliges Deutschland verloren. Ich fühle da manchmal auch eine gewisse Nostalgie, wenn ich mir das damals einfache Ruhrgebiet (das ich über Verwandtschaft gut kannte/kenne) und seine heutige Verwahrlosung vor Augen führe. In nicht so von Umbrüchen betroffenen Gebieten mag das ein wenig anders sein, aber es war einfach eine Zeit, in der man sich nicht groß Sorgen gemacht hat.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Die "Weltläufigkeit" zeigt sich auch darin, dass viele aus dem Westen bis heute noch nicht oder kaum im Gebiet der ehemaligen DDR waren.

      Zuletzt war ich wieder mit (West-)Deutschen Erwachsenen im nordeuropäischen Ausland und sie wunderten sich, dass es einige gewohnte Produkte im Supermarkt nicht gab. Fazit "Ich wusste gar nicht, dass so vieles typisch deutsch ist".

      Einige Touristenorte dort boten kostenlose Freizeitzeitungen an mit "100% Deutsch", damit auch ja kein Deutscher Informationen in seiner Sprache missen muss. Die wenigsten Touris dort kommen aus Ost-Deutschland - denn die fahren ja nach wie vor weiter an die Ost-Ostsee ;-)

      Ich denke auch nicht, dass die Unterschiede hinsichtlich der Sehnsucht nach vergangenen Zeiten so unterschiedlich sind, zumindest war es auch im Westen vor der Wende deutlich anders, als es jetzt ist.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Hanne:

        Habe mich schon immer gefragt, warum viele Westdeutsche eigentlich glauben, den Ostdeutschen überlegen zu sein. Die größere Klappe haben kann es ja allein nicht sein, oder vielleicht doch...?

        Das heutige Akademikerproletariat radebrecht Englisch und das isses dann in aller Regel auch (von wegen Zeitungen mit 100% Deutsch!). Hat man schon jemals eine größere Zahl von Deutschen sich mit der Sprache des Landes befassen sehen, wenn sie reisen? Sprechen die Deutschen etwa eher Holländisch/Dänisch/Polnisch/Spanisch/Italienisch als die Eingeborenen dieser Länder (zumal in den Touristenhochburgen) Deutsch?

        Es gibt natürlich immer Ausnahmen von der Regel (von wegen der Möglichkeiten, die heute bestehen, eher bei den Jüngeren), aber die Borniertheit, mit welcher der typische (West-)Deutsche seit jeher im Ausland aufgetreten ist, ist und war schon immer zum Fremdschämen.

        Nicht vorhandene Weltläufigkeit trotz exzessiven Reiseverhaltens ist daher, wenn schon, ein gesamtdeutsches Phänomen!

    • @849 (Profil gelöscht):

      "Im Übrigen hat doch jeder Deutsche, der beim Fall der Mauer erwachsen war, sein damaliges Deutschland verloren."

      Vor allem wenn man in West-Berlin lebte. Die Faszination West-Berlins ist futsch (ganz zu Schweigen von der Berlin-Zulage ;-))

  • „Was ist dein verdammtes Problem?“

    Gute Frage. Allerdings nur, wenn sie den Anfang eines Gesprächs markiert, nicht das Ende.

    Einen guten Teil meines eigenen „Phantomschmerzes“ dürfte darin bestanden haben, dass meine Gedanken nach dem Mauerfall genau so wenig erwünscht waren wie davor. Das Gefühl der Erleichterung über die gesamtgesellschaftliche Leistung („friedliche Wende“) wurde jedes mal konterkariert von einem Gefühl der Vergeblichkeit aller nachfolgenden privaten Anstrengungen, wenn vom Gesprächspartner nur ein genervtes: „Was ist eigentlich dein verdammtes Problem?“ kam. Das hat mir signalisiert: „Es wäre mir lieber, du würdest mich nicht belästigen. Ich habe mit mir genug zu tun. Und außerdem bin ich ja der, der alles besser weiß.

    Nein, Ostdeutsche waren keine Kinder nach der Wende. Sie haben bloß die neuen Spielregeln noch nicht alle beherrscht. Außerdem haben sie Regeln, die sie aus ihrem ersten Leben kannten, kritischer hinterfragt. Das ist den Etablierten zum Teil gehörig auf die „Ketten“ gegangen.

    Eine meiner überraschendsten Erfahrungen nach der Wende war das Gefühl, als ernsthafte Konkurrenz wahrgenommen zu werden. Dieses Gefühl war völlig neu für mich. Es hat eine ganze Weile gedauert, bevor ich das rituelle Haka-Gebrüll gelernter Wessis von echter Aggression unterscheiden konnte. (Ist ja nicht so, dass Wessis keine „verquere[n] Gefühle“ hätten, die sie – mitunter für mich völlig unerwartet – empfindlich reagieren lassen.) Inzwischen kann ich vieles besser einordnen. Je kleiner meine Unsicherheit wird, um so weniger „Phantomschmerzen“ empfinde ich. Mit vielen Themen bin ich einfach „durch“, nicht mehr gehört zu werden, ist nicht mehr so dramatisch.

    Es war keine „Identität“, die mir gefehlt hat. Es war die Möglichkeit zu entscheiden. Das „Ankommen“ in einem neuen Leben ist nicht leicht für den, der nicht entscheiden kann, weil er zu wenig weiß. Manchmal bleibt es auch später noch schwer. Dann allerdings für die früheren Platzhirsche.

  • Ich glaube ja mittlerweile Ost und West streiten um das Anrecht jammern zu dürfen. Ein bischen wie eine Familienfehde. Beide Seiten feinden sich lieber an anstatt auszulooten was schief gelaufen ist und woher die unterschiedliche Warhnehmung herkommt.



    Es ist eine Sollbruchstelle, die Menschen spalten soll und genährt wird. Ost-West reiht sich damit ein in eine Liste mit (unter anderem) Alt-Jung, Arm-Reich, Arbeiter-Hartz4 und Inländer-Migranten. Solange man Aufregerthemen hat (die man dann erregt mit zuvielen Satzzeichen kommentieren kann), kann man mit sich selbst zufrieden sein, weil man immer weiß das jemand anderes für alle Probleme verwantwortlich ist.

  • Ich halte mich derzeit n Thüringen auf, in Ilmenau hauptsächlich. Hier gibt es nur Straßen ohne Schlagloch, es gibt ein neues Freibad von feinsten, es gibt eine eishalle, es gibt ein Hallenbad und jetzt sollten sich alle aus NRW festhalten: es wird eine neue schwimmhalle gebaut, weil die alte schäbbig ist!!!!



    Die Häuser sind alte renovierte Villen oder moderne Neubauten, sieht alles Top aus und nicht nur in Ilmenau.



    Es gibt keine verfallenen fabrikgebäude, keine leerstehendes Geschäfte in großen und ganzen, keine alkis auf der Straße, keinen Müll auf der Straße, aber die Leute jammern immer noch, dass der westen ja alles kaputt gemacht hat.



    Wenn die schwiegerfamilie zu Besuch kommt, werden sie hoffentlich mal die Augen öffnen und sehen, wie gut es Ihnen geht und wie sehr die von Soli und Steuergeldern profitiert haben.

    • @siri nihil:

      Von Ilmenau Ost kommend wird man von einer gewaltigen Industrieruine begrüßt- ehemalig Porzellanwerk. Aber stimmt schon, Ilmenau ist schick, doch hinter den Fassaden wohnen nicht wenige arme Menschen, und die Freizeitangebote werden auch überregional genutzt. Es gibt in Ilmenau zuviel Arbeit zum Mindestlohn und jeder Monat ist auch hier ein langer. Fragen Sie bitte auch mal, wer da meckert. Wer nicht differenziert, dem unterstelle ich darin billiges Ostbashing.

    • @siri nihil:

      Die weit über zwei Billionen, die rübergepumpt wurden werden halt ebenso gerne vergessen, wie die Treuhand-Schweinereien im Westen kein Thema sind.

      Warum man Helmut Kohl usw. kein Bisschen dankbar sein sollte, erschließt sich mir allerdings nicht. Die damalige Führung der BRD hat eine Menge Kröten geschluckt, die BRD-Bürger haben sehr, sehr viel bezahlt.

      Meiner Meinung nach hätte die sog. Wiedervereinigung nicht stattfinden sollen, der einheitliche Deutsche Nationalstaat hätte ruhig ein nur die Jahre von 1871 bis 1945 bestehendes schreckliches Kuriosum der Geschichte bleiben können.

      • @Wurstprofessor:

        Und weil diese Wiedervereinigung nie hätte stattfinden dürfen, sollte man Kohl auch kein bisschen dankbar sein, sondern ihn verfluchen.



        Ebenso die DDR- und BRD-Bürger, die damals in nationaler Besoffenheit, die sich heute als doch gefährlicher Nationalismus entpuppt, die damals Kohl statt Lafontaine gewählt haben. Lafontaine hatte nämlich diese Entwicklung vorausgesehen und vor Währungsunion z.B. klar gewarnt.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @siri nihil:

      Soli und Steuern haben die Ex-DDR-Bürger auch gezahlt!

  • Danke für den wohltuenden Artikel.

    Zuhause streiten wir darüber nicht, da West und Ost in diesem Haushalt in dieser Sache einig sind.

    Es wurde der ehemaligen DDR das westliche System übergestülpt, sie wurde zugunsten von Westfirmen zumindest zum Teil geplündert und die einmalige Chance ein gemeinsames Deutschland zu schaffen wurde einfach mal verspielt.

    • @J_CGN:

      Ohhh, so einfach kann das Weltbild sein...

  • Ich gestehe, dass ich immer noch nicht in den neuen Bundesländern war. Mit Ausnahme eines einwöchigen Aufenthalts in Ostberlin 1994. Ein Freund aus dem Westen gab mir seinen Wohnungsschlüssel in einer Plattenbausiedlung Ostberlins.

  • Dort, wo wir geboren und aufgewachsen sind, ist unsere Heimat. Dort schlummert ein Teil unserer Seele.

    • @Karavanserai:

      So ist es, egal, ob das die DDR war, Jugoslawien oder Schweden. Überall ist es nicht mehr so, wie es 1965 bis 1989 war, auch nicht im ehemaligen West-Deutschland!

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        @Hanne:

        Ja, schade. Das hätte man auch anders haben können.

  • Danke für Ihren Artikel. So hätte ich ihn auch geschrieben. ;-)



    Sicher sind die Ostdeutschen finanziell nicht so gut aufgestellt wie die Westdeutschen. Aber wenn ich so in meinem Bekannten - und Verwandenkreis hinein schaue, muss ich sagen, dass es niemanden schlecht geht. Im Gegenteil! (bin aus Sachsen)

    Im Leben ist immer alles relativ.



    Mein Kumpel ist Schwabe. Wenn er in Stuttgart als Handwerker 2000 Netto verdient, gehen 1000 Euro fast für die Miete drauf. Ganz davon angesehen, sind viele Wohnungen in Stuttgart in einem erbärmlichen Zustand. Also so tolle ist das auch nicht!

    Als ich zu DDR Zeiten die Werbung im Westfernsehen sah, von diesem Badreiniger Meister Prober. Wo eine Frau, die in ihrem riesigen Bad mit herrlichen, dunkelblauen Fliesen, mit Putzlappen, Fönfrisur und Stöckelschuhen durch den Raum flog und alles war blitzesauber. "Meister Prober putzt so sauber, ......." Dachte ich jedes mal, so ein Bad musst du mal real sehen.



    Obwohl ich in Hunderten von Wohnungen war in Stuttgart, ist mir so ein Bad nie zu Gesicht gekommen. Eher Bäder aus den siebzigern. Dies nur als lustige Randnotiz.

    Ich möchte die DDR nicht zurück!



    Trotz schöner Kindheit.

  • TU
    Test User , Autor Moderator ,
    Die DDR ist Vergangenheit. Warum die eigene Erinnerung dennoch wertvoll ist, wenn es um die Beurteilung aller Ostler geht. [cms-article=5524143]