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Debatte Abbiegeunfälle von LKWLastwagen raus aus den Städten!

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Wenn Lastwagen Kinder töten, müssen nicht die Kinder von der Straße verschwinden – sondern die Laster. Auf dem Weg zur lasterlosen Stadt.

Insgesamt kamen im letzten Jahr 38 Radfahrer durch rechts abbiegende Lastwagen zu Tode Foto: dpa

E s sind Nachrichten, die nicht nur diejenigen erschaudern lassen, die selbst Kinder haben: In Berlin wurde ein achtjähriger Junge, der mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Schule war, vor den Augen seiner Mutter von einem abbiegenden Lastwagen überrollt und getötet. In Köln starb ein Siebenjähriger, der mit seinem Vater unterwegs war, durch ein abbiegendes Müllauto, in München wurde ein neunjähriges Mädchen von einem Kipplaster überrollt, in Hannover starb ein Elfjähriger unter einem Sattelzug.

Alle diese Unfälle fanden innerhalb von sechs Wochen statt. Alle Kinder verhielten sich vorschriftsmäßig. Alle hatten keine Chance gegen die tonnenschweren Monster, die sie überrollten. Insgesamt kamen im letzten Jahr 38 Radfahrer durch rechts abbiegende Lastwagen zu Tode.

Die Betroffenheit ist bei jedem dieser tragischen Unfälle groß. Und manche Eltern reagieren darauf, indem sie ihre Kinder nicht mehr mit dem Fahrrad auf die Straße lassen. Das mag individuell verständlich sein, gesellschaftlich ist es aber die falsche Konsequenz. Wenn Lastwagen Kinder töten, müssen nicht die Kinder von der Straße verschwinden – sondern die Laster.

Doch während bei anderen Themen ein einzelner Todesfall hektische politische Konsequenzen auslösen kann, wird bei den Lastwagen nicht einmal darüber diskutiert, das Problem ernsthaft anzugehen. Hier gilt es schon als revolutionär, getrennte Ampelphasen für Autos und Fahrräder zu fordern, oder an die EU zu appellieren, die Voraussetzungen zur Einführung eines elektronischen Abbiegeassistenten zu schaffen, der die Lkw-Fahrer vor Zusammenstößen akustisch warnt.

Es könnte Verteilzentren geben

Das mag daran liegen, dass es auf den ersten Blick wenig realistisch erscheint, Laster aus den Städten zu verbannen. Irgendwie, so höre ich schon die KritikerInnen, müssen die Güter, die wir alle täglich brauchen, doch in die Städte kommen. Das müssen sie ohne Frage – aber weder in 40-Tonnern noch in 7,5-Tonnern, die offensichtlich nicht dazu geeignet sind, die engen Straßen in der Stadt so mit FußgängerInnen und Radfahre­rInnen zu teilen, dass es keine Toten gibt.

Stattdessen könnten die Schwerlaster ihre Waren zu Verteilzentren am Stadtrand transportieren, wo diese in kleine Transporter umgeladen werden. Das löst natürlich nicht alle Probleme, denn auch Pkw und Kleintransporter könnten Unfälle verursachen. Die Statistik zeigt aber, dass die tödliche Gefahr bei Lastwagen weitaus größer ist – durch ihr gewaltiges Gewicht, den größeren Abbiegeradius und den „toten Winkel“, mit dem viele Unfälle begründet werden, obwohl es sie bei korrekt installierten und eingestellten Spiegeln eigentlich nicht mehr geben dürfte.

Und natürlich führt es – auch wenn der Durchgangsverkehr entfällt und direktere Wege gefahren werden können – insgesamt zu mehr Fahrten, wenn die gleiche Menge Güter mit kleineren Fahrzeugen in die Stadt transportiert wird. Dafür wären die Verteilfahrzeuge natürlich komplett elektrisch unterwegs, so dass Lärm und Abgase in den Städten trotz der höheren Fahrzeugzahl abnehmen würden. Und wenn die Verteilzentren neben einem Straßen- auch einen Schienenanschluss haben, steigt durch ein solches Verkehrssystem zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn.

Auch dass eine solche Lösung nicht ganz billig wäre, darf kein Gegenargument sein. Im Verkehrssektor werden ohnehin ständig große Summen investiert. Die Städte sparen zudem viel Reparaturkosten, wenn keine Schwerlaster über ihre Straßen rollen. Wenn Transportkosten ein bisschen steigen, geht die Welt nicht unter. Und überhaupt gilt hier: Lebensqualität – und erst recht Leben! – ist schwer in Geld aufzuwiegen.

Nicht wirklich zu entkräften ist hingegen das Argument, dass auch mit noch so viel politischem Willen und noch so guter Planung nicht alle Lkw-Fahrten in der Stadt vermieden werden können. Solange Müll produziert wird und Häuser gebaut werden, wird es auf den Straßen Müllautos und Betonmischer geben. Manche Transportgüter sind zudem schlicht zu groß, um in kleinere Fahrzeuge umgeladen zu werden. Und Reisebusse, die in vieler Hinsicht ähnliche Probleme machen wie Lastwagen, wird man auch nicht aus den Städten verbannen können.

Sinkt die Zahl der Lkw, steigt die Sicherheit gewaltig

Dass es Ausnahmen geben müssen wird, spricht aber nicht gegen ein grundsätzliches Laster-Verbot. Auch wenn die Lkw in den Städten nicht völlig verschwinden, sondern ihre Zahl nur deutlich sinkt, steigt die Sicherheit schließlich schon gewaltig. Und die verbliebenen Fahrzeuge müssten dann eben durch Auflagen so sicher wie möglich gemacht werden.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Da kommen dann wieder die eingangs erwähnten Abbiegeassistenten ins Spiel – die aber natürlich nicht nur warnen sollten, sondern den Lkw tatsächlich stoppen müssen, wenn eine Kollision droht. Die Politik verweist darauf, dass diese Geräte nur mit Zustimmung der EU vorgeschrieben werden können. Doch dass die Kommunen noch nicht einmal ihre eigenen Fahrzeuge (Stichwort: Müllwagen!) damit ausgerüstet haben, zeigt, wie wenig ernst die Politik das Problem bisher genommen hat.

Daneben – oder bis dahin – könnte das Laster-Risiko mit vielen weiteren Maßnahmen sofort verringert werden: ein durchgängiges Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde für alle Lastwagen und Busse in der Stadt – standardmäßig kontrolliert per Fahrtenschreiber. Eine Beifahrer-Pflicht für Fahrzeuge, die über keinen elektronischen Abbiegeassistenten verfügen. Ein Rechts-abbiege-Verbot an allen gefährlichen Kreuzungen (dreimal links abbiegen führt auch ans Ziel).

Doch abgesehen von den absolut unvermeidbaren Fahrten dürfen diese Maßnahmen nur Zwischenschritte zur lasterlosen Stadt sein. Dass dafür derzeit die Rechtsgrundlagen fehlen, darf kein Hinderungsgrund sein – dann muss man sie eben schaffen. Das Recht der Kinder auf Leben muss einfach höher wiegen als das Recht der Lkw-Fahrer auf europaweite Freizügigkeit. Wer das anders sieht, sollte es nach dem nächsten Unfall den trauernden Eltern bitte direkt ins Gesicht sagen.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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39 Kommentare

 / 
  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Nicht alle Lastwagen sind gefährlich, man darf nicht von wenigen Einzelfällen auf alle schliessen. "Lastwagen raus!" ist eine Scheinlösung, die man ohnehin in der Praxis nicht umsetzen könnte. Da braucht es eine europäische Lösung.

  • Das hier die Sicherheit verbessert werden muss ist klar. Die Idee mit den verteilzentren dürfte sowohl die finanziell, als auch zeitlich unrealistischer Lösung sein.

    Was bedeutet dies konkret:

    Flächen für diese Zentren, verlademöglichkeit für die verschieden güter (t.b. tanklaster mit brennstoffen) (genehmigungungen?).; Bau kleinerer tankladter

    • @Demokrat:

      Solche Ideen sollten vor Veröffentlichung doch besser mit logistikexpertinnen besprochen werden. So hat dies einen unseriösen Touch.

  • Nach meinem Informationsstand sind die verbesserten Spiegelsysteme, die den toten Winkel zu annähernd 100% vermeiden, allein aus dem Grund noch nicht flächendeckend in allen LKW installiert, weil die Speditionsfirmen für diese Umrüstungen zu hohe Kosten geltend machen. Aus dem selben Grund sind LKW bis heute von der Winterreifenpflicht befreit, was regelmäßig zu katastrophalen Unfällen und entsprechden Staus auf winterlichen Autobahnen führt.

     

    Unabhängig davon gibt es tatsächlich noch Genehmigungen für die sogenannten "Kiesbomber", also im Akkord fahrende LKW mit Aushub, Bauschutt, Kies und Sand, im Umfeld von Großbaustellen, die sich prinzipiell nicht ansatzweise an die Geschwindigkeitsregelungen halten und obendrein oft überladen sind und die Ladung auch nicht adäquat sichern, obwohl die Vorrichtungen wie Planen und Ladeklappen an den Fahrzeugen vorhanden sind.

     

    Natürlich ist es wohlfeil, immer zu sagen, dass der arme Fahrer ja nichts dazu kann, dass er von seinem Chef zu diesem kriminellen Verhalten quasi genötigt wurde und dass jetzt womöglich einige Fahrer ihren Job verlieren, aber es nützt ja nichts…

     

    In vielen Städten gibt es als ersten Schritt verpflichtende LKW-Routen, meist auf entsprechend breiten und mit speziellen Ampelsteuerungen gesicherten Straßen. Wenn so etwas konsequent überwacht wird, kann das Gefahren- und Belästigungspotential schon zu einem großen Teil eingedämmt werden.

     

    Leider wurden in den letzten Jahren in vielen Städten Gewerbegebiete und große Logistikzentren an verkehrstechnisch völlig ungünstigen Stellen genehmigt und realisiert (ob man da wohl spätere lukrative Straßen- oder Autobahnbauprojekte im Sinn hatte?), weswegen es dort jetzt unmäßigen LKW-Verkehr gibt.

     

    Genau da liegt die Crux der Utopien von privilegierten Bewohnern der gentrifizierten Innenstadtbezirke oder von Leuten, die mal Urlaub auf einer autofreien Insel gemacht haben: Im Auto- und Logistikland Deutschland wird nichts so viel Widerstand hervorrufen wie Autoverbote.

  • Immer die gleiche windige Holzhammerargumentation. “Wer das anders sieht, sollte es nach dem nächsten Unfall den trauernden Eltern bitte direkt ins Gesicht sagen.” Wie irre ist das denn? Es geht hier um eine rational zu führende Debatte über Infrastrukturnetze, bei der sich notwendig humanitäre, ökologische und ökonomische Aspekte verbinden. Eine Debatte, in der man durchaus mit guten Argumenten unterschiedliche Standpunkte vertreten lassen. Dass “trauernde Eltern” verständlicherweise eher wenig geneigt sein dürften, sich hier auf irgendwelche kontroversen Diskussionen einzulassen, dürfte einigermaßen einsichtig sein. Anstatt auf dieses wirklich unglaublich dumme Pseudoargument zu verzichten, setzt der Autor es gezielt ein, um mögliche Widerrede im Keim zu ersticken. Schönes Beispiel für eine Art der Debattenführung, der es nicht zuletzt darum geht, sich durch möglichst triefendes Pathos gegen jegliche Kritik zu immunisieren.

  • Für viele der LKW-Unfälle sind die Städte bzw. deren Bau-, Verkehrs- und Straßenbehörden verantwortlich. Ampeln sind gut sichtbar für alle Verkehrsteilnehmer dort anzubringen, dass man beim Abbiegen weder Fußgänger noch Radfahrer umnieten kann. Parken vor Ampeln mit Radwegen sollte grundsätzlich verboten werden, da parkende Autos die Sicht versperren. Für Rechtsabbieger muss es getrennte Ampelphasen geben, damit Fußgänger und Radfahrer, die geradeaus gehen/fahren, nicht von Rechtsabbiegern umgenietet werden. Bei der Gelegenheit wird auch Stau auf Rechtsabbiegerspuren vermieden, die in Städten wie Berlin an der Tagesordnung stehen.

  • Das Wichtigste ist, Busspiegel an allen LKW unbeachtet einer Längenbeschränkung typzuzulassen - spätestens nach der ersten TÜV-Abnahme an allen baugleichen Fahrerkabinen. Das kann mit einem Federstrich erledigt werden!

  • „... denn auch Pkw und Kleintransporter könnten Unfälle verursachen.“

     

    „Könnten“ !!!!??. In 7z% aller Unfälle sin PKWs involviert. In 10% LKWs. Von „könnten kann also keine Rede sein. Im Straßenverkehr werden Kinder also vor allem durch PKWs getötet, hier müssen vordringlich Lösungen gefunden werden.

     

    Nichtsdestotrotz sollten paralell natürlich auch neue, bessere Konzepte für den LKW Verkehr erdacht werden.

    • @Rudolf Fissner:

      76% nicht 7z%

  • Verteilung per Drohne fehlt noch.

  • Das sind natürlich alles nur folgenlose Gedankenspiele, die so allgemein niemals umgesetzt werden können, zumal keiner so richtig weiß, welche Probleme sich da vielleicht auftun. Wenn man das politisch richtig angehen wollte, müsste man Folgendes tun:

     

    1. Konzepte für möglichst Auto- und LKW-lose Stadtteile unter Berücksichtigung der notwendigen und sicherzustellenden Transportleistung erarbeiten.

     

    2. Städten oder Stadtteilen in verschiedenen Bundesländern die Möglichkeit geben, sich für Modellprojekte in dieser Hinsicht zu bewerben, mit finanzieller Unterstützung und wissenschaftlicher und medialer Begleitung für, sagen wir mal, 10 davon.

     

    3. Diese Projekte für einen begrenzten Zeitraum (vielleicht 4 Jahre) durchführen und anschließend eine breite Evaluation durchführen, einschließlich einer Befragung der Anwohner und Geschäftsleute in diesem Viertel.

     

    4. Bei positivem Ausgang das Projekt verlängern und auf weitere Städte ausweiten. Bei sich ergebenden Problemen die Ursachen erforschen und die gelernten Lektionen bei den Nachfolgeprojekten anwenden.

     

    Das kann man aber nicht in einer Zeitung machen, das müsste politisch gewollt und unterstützt werden. Andererseits wäre das recht einfach und mit überschaubaren Kosten machbar.

     

    Leider haben gerade alle nur noch "Ausländer" als Problem im Kopf, für alles andere ist da kein Platz mehr.

  • "Das Recht der Kinder auf Leben muss einfach höher wiegen als das Recht der Lkw-Fahrer auf europaweite Freizügigkeit."

     

    Ja, ich sehe das anders. Es ist wohl nicht des LKW- Fahrers Wille, sich mit dem riesigen Teil durch die Gassen zu winden. Auf diese Freizügigkeit würde er wohl gern verzichten und die Fracht vor der Stadt loswerden. Also Freizügigkeit Kind gegen die von Spediteur, Preisdrücker- Handel Billigkunde und Innenstadt- Bauwütigen aufwiegen, aber bitte nicht den Fahrer als Feindbild aufbauen. Der kann es sich nämlich nicht aussuchen, außer er schmeißt seinen Job.

    • @lions:

      Gute Idee. Man sollte in Hamburg, München und Berlin mit einem Baustopp anfangen. Keine weiteren Verdichtungen durch Wohnungsbau und Gewerbe. Mehr Wirtschaftsförderung für ländliche Gegenden!

  • Noch ein Nachtrag: Wer angesichts der vielen Möglichkeiten tatsächlich etwas für die Sicherheit zu tun, nur eine Maximalforderung aufstellt, hat Mitschuld daran, dass eben nichts passiert. Daher folgende Prioritäten:

    a) Beinahe-Unfälle ahnden

    b) Bodenschwellen an kritischen Kreuzungen anbringen

    c) Spiegel kontrollieren

    d) Schulung der Fahrer*innen verbessern

    e) Einfahrt nur noch von LKW mit Direct-Vision

    f) Abbiegeassistenten

    g) LKW aus der Innenstadt aussperren

     

    Zudem sollten wir das Victim-Blaming in Zeitungen und Aufkleber-Aktionen ächten. LKW mit der Aufschrift "Ich will Dich nicht sehen und will Deine Vorfahrt missachten" sollten sofort stillgelegt werden. Es ist ungefähr genauso wie wenn jemand schreiben würde: "Achtung: Fahrer*in ist farbenblind. Lassen Sie mich durch, auch wenn Sie grün haben."

  • Neben den Abbiegeassistenten gibt es vier einfache Dinge, die sehr schnell helfen würden:

    a) Direct Vision: Das half erwiesenermaßen in London. Die immer höheren Füherhäuser der LKW führen dazu, dass auch die Leute, neben den LKWs nicht mehr direkt gesehen werden. In London dürfen nur noch solche LKW in die Stadt, bei denen das Führerhaus tiefer ist oder die Fenster weiter runter gezogen sind. Nicht umsonst gibt es kaum Abbiegeunfälle mit Bussen, wo die Fahrer*innen tiefer sitzen.

    b) Fahrer*innen schulen und kontrollieren. Es gibt groteske Kampagnen, bei denen den Opfern die Schuld gegeben wird nach dem Motto "Pass auf, ich sehe Dich nicht". Fakt ist, den toten Winkel gibt es nicht mehr. Vielmehr gibt es eine Vielzahl von Spiegeln, diese werden jedoch häufig nicht richtig eingestellt und Fahrer*innen sind überfordert diese richtig zu nutzen. Damit wird das kriminelle nicht Schauen oder sich nicht um die Spiegel kümmern gerechtfertigt, statt endlich Konsequenzen zu ziehen. Schließlich werden bei den meisten Unfällen die Radfahrer*innen von schräg hinten erfasst - ein klares Indiz dafür, dass die hohen Führerhäuser und nicht risikantes rechts vorbei schleichen die Ursache sind.

    c) An kritischen Stellen kännen Schwellen für Rechtsabbieger montiert werden. Das bremst aus und führt dazu, dass sich die Fahrer*innen umsehen. Gerade die beschleunigten Rechtsabbiegespuren sind eine Gefahrenquelle. Schwellen sind ein bekanntes und bewährtes Mittel um an Stellen mit häufig missachteter Vorfahrt mehr Sicherheit zu schaffen.

    d) Beinahe Unfälle ahnden. Bislang wird ignoriert, wenn LKW-Fahrer*innen das Leben von Rafahrer*innen gefährden, in dem sie ihnen die Vorfahrt nehmen. Wenn aber nach dem Motto "es ist doch gut gegangen" dieses gefährliche Verhalten ignoriert wird, passiert dann beim nächsten Mal tatsächlich was.

    Es gibt also viele Möglichkeiten auf allen Ebenen sofort etwas zu tun!

  • “… Dafür wären die Verteilfahrzeuge natürlich komplett elektrisch unterwegs”

     

    In Ihrer Utopischen vorstellung meinen Sie? Realistisch ist es davon auszugehen, dass diese Transporte auf die günstigste, zur Verfügung stehende Art und Weise durchgeführt werden. Sollte das irgendwann mal ein Elekotroauto sein dann können Sie sich ja bei Elon Musk und den andern Kapitalisten bedanken, die das möglich gemacht haben.

     

    “Im Verkehrssektor werden ohnehin ständig große Summen investiert.”

     

    Wenn man LKW in Innenstädten verbietet dann müssen diese Investitionen aber von Unternehmen gemacht werden, nicht vom Staat. Dieser Schritt würde vor allem Transportunternehmen betreffen und ob die von diesen verordneten Investitionen so begeistert wären wage ich mal zu bezweifeln.

     

    “ein durchgängiges Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde für alle Lastwagen und Busse in der Stadt”

     

    Ist Ihnen klar das ein solches Limit für die Umwelt nur negative Folgen hat? Diese Fahrzeuge sind nicht darauf ausgelegt permanent mit 30 durch die Gegend zu juckeln. Außerdam macht man den öffentlichen Nahverkehr mit einer Begrenezung auf 30km/h noch unattraktiver als er es ohnehin schon ist.

     

    “Lebensqualität – und erst recht Leben! – ist schwer in Geld aufzuwiegen.”

     

    Ja da haben Sie allerdings recht. Denn offensichtlich ist das Thema des LKW-Verbots eines das politisch motiviert ist und nichts mit der Zahl der Toten zu tun hat.

    Wer Leben retten will der kann viel besser bei der Ernährung, Fitness, Alkoholismus, psychischer Gesundheit im Allgemeinen,… ansetzen. Das sind alles Themen die weitaus mehr Menschen das Leben kosten aber doch seltener diskutiert werden. Liegt vermutlich daran das man bei diesen Themen von individueller Verantowrtung sprechen muss und sich nicht auf “die da Oben müssen was ändern!” herausjammern kann.

  • In dem Thema steckt m.E. noch deutlich mehr Potential. Wie wäre es denn z.B., wenn die angesprochenen Verteilzentren an einem Güterbahnhof liegen würden? Das könnte dann ein erster Schritt sein, den Güterverkehr endlich wieder mehr auf die Schiene zu verlagern, wo er m.E. hingehört.

    • @1Mj3tI39F:

      Noch besserer Vorschlag: Wie wäre es, wenn die Verteilzentren gleich Einkaufszentren auf der grünen Wiese wären? Erspart konsequent jede Menge LKW-Transporte in die Innenstädte. Dagegen kann doch wirklich niemand etwas haben!

      • @TheBox:

        Das dürfte den Individualverkehr durch die Stadt zur grünen Wiese erheblich steigern. Die Ware muss zum Kunden, nicht umgekehrt.

        Zwangsläufig muss das Problem Innenstadt auch dort logistisch gelöst werden. An Lade-Effizienz ist der LKW erst mal nicht zu überbieten. Nur an den Fahrzeugen selbst kann man etwas machen, wie niedriges Führerhaus, techn. Assistenten. Dabei wäre es sogar denkbar, einen Beifahrer für die Innenstadt vorzuschreiben, ähnlich dem Lotsen, der bei Einfahrt in den Hafen ab einer bestimmten Größe zugegen sein muss.

        • @lions:

          Bitte Ironiedetektor neu justieren... ;-)

    • @1Mj3tI39F:

      Ja,schön wär´s.Aber dafür müsste zuallerersteinmal anders gewählt werden.Der Letzte Verkehrsminister,der die grenzenlos freie Fahrt und Vorfahrt auf der Strasse vor der Schiene festgeschrieben hat war der CSU Verkehrsminister Ramsauer.

      Seitdem hat es nur CSU Verkehrsminister gegeben und der aktuelle CSU Verkehrsminister Scheuer hat gerade wieder erklärt,dass die CSU dafür stehe,dass es bestimmte Wirtschaftsbereiche vor den schnöden Interessen der Bevölkerung schützen werde.

  • Aldi baut bestimmt Verteilzentren am Stadtrand von Städtchen, in denen es nur einen Aldi gibt. Klar. Eher verschwindet der Einzelhandel aus der Stadt an den Standrand.

    Viel sinnvoller wäre es, LKW endlich verkehrssicher zu machen, das ist heute kein Problem mehr, wird aber nicht umgesetzt.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Ein erster Schritt in die richtige Richtung!

     

    Wir müssen immer bedenken, dass wir die LKW erst in den letzten Jahren in die Städte geholt haben. Wohlwissend, dass die Laster uns gefährden. Als ich ein kleiner Stöpsel war, hatten jeder Großmarkt und jede Fabrik Bahnanschluss. Die Waren mussten nur vom Bahnhof zum Endverbbraucher kommen - dazu reicht ein Lastenrad.

     

    Wir habens umgebaut und wundern uns jetzt.

  • Mein Eindruck ist, dass der Kraftverkehr für viele völlig alternativlos ist. Allein ein Gespräch darüber anzustoßen führt zu Reaktionen, als hätte man die Schwerkraft geleugnet.

    Dieser Autoglaube ist so tief in die Gesellschaft eingebrannt, dass es auch nicht so richtig interessiert, wenn die großen Autokonzerne offensichtlich betrügen und dafür vom Staat verhätschelt statt gegängelt werden.

    Solange diese LKW des Todes nicht von 'bösen' Geflüchteten gesteuert werden, entbrennt daraus keine Debatte.

    • @emanuel goldstein:

      Als Impfstoff gegen diesen (Un)Glauben hilft ein Kurzurlaub auf autofreien Nordseeinseln wie Spiekeroog oder Langeook. Dort gibt es massenhaft Touristen, Läden, Restaurants und Häuser, die versorgt und gewartet werden müssen und das geht ganz ohne Autos: Zu Fuss, mit dem Fahrrad, mit Fahrradanhängern und Lastenrädern und mit ein paar Elektrokarren. Die Autos der Bewohner und selbst die von Handwerkern und Dachdeckern stehen nicht nur vor der Stadt, sondern auf dem Festland, eine Fahrt mit der Fähre weit entfernt.

       

      Und das geht nicht nur, es geht sogar gut. Ich sehe absolut keinen Grund, weshalb genau dasselbe nicht in vielen kleineren Städten und in Stadtteilen von Großstädten auch funktionieren sollte.

       

      Man muss das nur mal probieren. Ich bin mir sicher, dass ein oder zwei Jahren kaum jemand mehr zurück wollte in die Autohölle...

      • @Mustardman:

        Leider nur ist diese Autofreiheit letztlich ein echter Luxus, teuer bezahlt von Touristen, die das Geld dafür in der (ökonomisch effizienteren) Autohölle verdienen und dann in den Urlaub mitbringen. Ohne die wäre die Autofreie Infrastruktur (bzw. der zusätzliche personelle Aufwand, den sie verursacht) wahrscheinlich nicht zu bezahlen.

         

        Es reicht nicht zu wissen, wie Alles schöner und besser und sicherer zu machen wäre. Die Wechselwirkungen zwischen der Utopie und der bösen Realität zählen auch. Eine Totschlagargumentation à la Kreutzfeldt, die die Utopie kurzerhand zum kategorischen Imperativ erklärt, kann sie nicht verschwinden lassen.

        • @Normalo:

          Deshalb sage ich ja: Man muss das ausprobieren in Projekten. Komplett autofrei geht es garantiert nicht, aber mit weniger Kollisionen zwischen Autos, LKW und Fußgängern/Radfahrern als heute geht sehr wahrscheinlich schon.

           

          Es geht nicht um wissen, es geht um ausprobieren und dazu muss man erst mal wollen, dass es anders wird. Das ist genauso wie mit den Fussgängerzonen früher: Die wollte erst auch keiner, aber dann wollte sie keiner mehr missen. Ging nämlich recht einfach und manche Innenstadt hat dramatisch gewonnen dadurch, auch wenn man nicht mehr mit dem Auto bis vor das Geschäft fahren konnte.

          • @Mustardman:

            Nicht Alles, was man mal probieren könnte, ist notwendigerweise auch einen Versuch wert. Die Effekte von Autofreiheit von einer Nordseeinsel (die keinen Transitverkehr, nur einen Zugangspunkt und selbst in der Hochsaison nicht mal ansatzweise die Bevölkerungsdichte einer Großstadt hat) erstmal pauschal für übertragbar zu erklären, bis jahrelange Versuche beweisen, dass das kompletter Quatsch ist, halte ich für einen Fall, der nach Zurückhaltung schreit...

             

            Davon abgesehen muss ich sagen, dass wir uns im Bereich der übertriebenen, kleinteiligen Endoptimierung befinden, wenn wir darüber reden, radikale Änderungen an den Verkehrskonzepten von Städten vorzunehmen, die Millionen von Menschen betreffen, um 38 Todesfälle pro Jahr zu verhindern. Wir haben WESENTLICH größere Probleme, die die Ressourcen besser gebrauchen könnten - Bildung zum Beispiel, meinetwegen auch Verkehrserziehung....

             

            Hat übrigens mal Jemand nachgeschaut, ob die 38 Toten wirklich im STADTverkehr umgekommen sind? Es gibt nämlich auch auf dem Land abertausende Kreuzungen, wo sich LKW und Fahrrad begegnen können (und die LKW-Fahrer im Zweifel weniger mit Radlern rechnen). Da sind 38 tödliche Unfälle auch schnell passiert...

      • @Mustardman:

        "Man muss das nur mal probieren. Ich bin mir sicher, dass ein oder zwei Jahren kaum jemand mehr zurück wollte in die Autohölle..."

         

        Das denke ich auch. Ich bin sehr autosozialisiert und habe bisher auch nach wie vor eines, obwohl ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre. Man muss es einüben, sich wirklich selber beibringen, dass mensch eigentlich überhaupt kein Auto braucht - und dann merkt man, wie gut das tut und wie wenig man das Auto überhaupt noch benutzt. Gleichzeitig fühle ich mich fast wie süchtig, weil es immer wieder eine Herausforderung ist, der Bequemlichkeit des Autos eine Absage zu erteilen. Man ändert sein Verhalten eben nicht einfach durch Einsicht, sondern v.a. durch das Einüben neuer Verhaltensweisen.

  • 8G
    89318 (Profil gelöscht)

    Ein schlechter Vorschlag.

    Statt eines LKWs sollen nun etliche Kleintransporter vor jedem Supermarkt stehen?

    Die Staus sind nicht mal das übelste Problem, sondern steigende Preise für alle.

    Und im Endeffekt sterben genausoviele(wenige) Menschen wie bisher da, durch die Transporterschwemme der Verkehr dicher und riskanter wird.

    Fahrradfahrer sollten auch aufpassen und nicht im toten Winkel eines LKWs fahren.

    Es MUSS Eigenverantwortung geben.

  • Typisch grün: lauter schnell zusammen getragene extrem schwer umzusetzende Auflagen, deren Umsetzung Milliarden kosten dürfte, für wie viele Opfer von Abbiege-Unfällen gibt es wirklich?

     

    Sobald die autonomen Autos da sind UND die entsprechenden Batterien für Elektrifizierung, kann man alle Verkehrsprobleme auf einen Schlag lösen.

     

    Der Wirtschafts-Redakteur kann man jetzt schonmal anfangen, sich Gedanken zu machen, wie man dann mit den resultierenden Millionen Arbeitslosen verfahren soll.

    • @notsocommon:

      na ja der Totwinkelwarner kostet in der Herstellung deutlich unter 50€... geschätzt 30. Müsste man ja keinen Gewinn mit machen.

  • Als Radfahrer und Fußgänger gilt halt schon immer:

    halte dich fern vom toten Winkel der Kraftfahrzege, kannst du den Fahrer sehen (im Spiegel), dann sieht er auch dich.

     

    Wer sich an der Kreuzung neben den LKW stellt ist selbst schuld.

    • @danny schneider:

      Genau, es ist natürlich nur das das ramboradelnde Oma Lieschen oder die Kleinkinder, die "selbstverschuldet" plattgewalzt werden, nachdem sie nicht "pflichtgemäß" sich beim Überholtwerden in Luft aufgelöst haben! Die LKW-Fahrer konnten ja garnicht anders, als am Fahrrad noch extra vorbeizufahren, bevor sie abbiegen!!!

       

      Außerdem haben Radfahrer an der grünen Ampel auf Rot zu warten, bevor sie fahren!!!!!°

    • @danny schneider:

      Und wer das nicht weiß und dann von den Zwillingsreifen zermatscht wird, ist auch selber schuld?

       

      Da kann auch gleich Sicherheitsgurte und Airbags in PKW verbieten und stattdessen einen langen Stahldorn in der Mitte des Lenkrads vorschreiben, der genau auf die Brust des Fahrers zielt: Wer nicht genug Abstand hält und irgendwo drauf fährt, ist selbst schuld.

      • @Mustardman:

        Im Prinzip... stimmt das genau.

  • Lastfahrräder und Kulis wären doch eine Lösung, wäre doch gelacht, wenn wir keine Vollbeschäftigung hinkriegen.

  • Herr Malte Kreuzfeld, sie sind ja ein guter Journalist. Sie haben sich sicher mehr gedanken gemacht als Sie in den Knappen Artikel schreiben konnten. Welche Annahmen hatten Sie denn? Wissen Sie wieviele Paletten und wieviel Zuladung auf einen LKW passen, und wieviele auf die Alternativen? Bei welcher Zuladung? Wie ist die Ausschöpfung der Zuladung bei Supermärkten. Was schwebt Ihnen denn als Alternaive zu LKWs vor? Sprinter? Wieviel mehr Sprinter würden denn da durch die Stadt fahren? Haben Sie denn berücksichtigt das es eine Knappheit an Fahrern gibt? Würde man nun mehr Fahrer benötigen, dann hätten die weniger Erfahrung.

     

    Die anderen Punkte scheinen schlüssig. Aber das Erste ist schlichweg Weltfremd. Sie können nicht wissen was am Produktmengen täglich in so ein Lidl/Aldi/Rewe geschoben werden und das ernsthaft vorschlagen.

  • Als ich vor etwa 18 Jahren in Japan gearbeitet habe, sagte, wenn ein LKW den Blinker gesetzt hatte, eine nette automatische Frauenstimme: "Ich biege rechts/links ab. Bitte Vorsicht." Das ersetzt kein Assistenzsystem, kann aber trotzdem Leben retten.