Das Problem mit Plastikmüll: Was lässt sich gut recyceln?
Exxon Mobil wird verklagt, weil die Firma lange fälschlicherweise behauptet hat, man könne alles Plastik recyclen. Was heißt das für den Klimaschutz?
![Drei gelbe Säcke für Plastikmüll hängen an einem Jägerzaun Drei gelbe Säcke für Plastikmüll hängen an einem Jägerzaun](https://taz.de/picture/7263480/14/Exxon-Recycling-Kunststoff-1.jpeg)
W as für eine Nachricht: Der Ölgigant Exxon Mobil wird angeklagt – vom Staat Kalifornien. Noch ist nicht klar, um wie viele Milliarden es gehen soll, aber der Streitwert dürfte gigantisch sein. Denn Exxon wird vorgeworfen, „ein halbes Jahrhundert“ gelogen zu haben. Wider besseres Wissen habe der Konzern seit den 1970er Jahren behauptet, dass sich alles Plastik recyceln lasse. Stattdessen wurde es meist verbrannt oder aber in Flüsse und Ozeane geschwemmt.
Es klingt wie späte Gerechtigkeit, wenn endlich einmal ein Ölgigant zur Rechenschaft gezogen wird. Aber der Fall Exxon ist weit mehr als nur ein Disput zwischen Staat und Multi. Denn die kalifornische Staatsanwaltschaft hat zwei Jahre lang wissenschaftlich recherchiert, bevor sie nun ihre Anklage in San Francisco eingereicht hat.
Diese Akribie dürfte für die gesamte Chemiebranche unangenehm werden, weil sich zeigte, dass selbst das modernste Recycling nicht gut funktioniert. Auf dieses „chemische Recycling“ setzt aber auch die deutsche Chemieindustrie, um irgendwie klimaneutral zu werden. Denn bisher landen auch in Deutschland die meisten Kunststoffe in der Müllverbrennungsanlage, wo sie zwar Wärme und Strom erzeugen – aber auch ganz viel CO2.
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Doch von vorn: Exxon Mobil ist der weltgrößte Hersteller von Polymeren, aus denen dann Plastik entsteht. Auf seinen Produkten hat Exxon immer munter das universale Recyclingsymbol angebracht, obwohl bisher nur etwa fünf Prozent der Kunststoffe wiederverwendet werden. Zudem hat Exxon behauptet, es würde „fortschrittliches“ Recycling nutzen. Dahinter verbirgt sich die sogenannte Pyrolyse, die die Polymere in kleine chemische Einheiten aufbricht, sodass diese wieder zu neuen Kunststoffen zusammengesetzt werden können.
Pyrolyse klingt wie der perfekte Kreislauf, benötigt jedoch enorme Mengen an Energie. Es war daher immer ein Rätsel, wie Exxon eigentlich wirtschaftlich arbeiten will, wenn der Konzern gleichzeitig auf chemisches Recycling setzt. Die Lösung hat jetzt die kalifornische Staatsanwaltschaft geliefert: Exxon betreibt fast gar keine Pyrolyse – sondern redet nur davon.
Klimaschutz und Chemieindustrie gehen nicht zusammen
Die Klage gegen Exxon ist richtig, Lügen müssen bestraft werden. Trotzdem wäre Häme falsch. Denn Exxon hat nicht nur geschummelt, um billig große Gewinne einzufahren. Der Konzern war auch ratlos, wie er ehrlich Klimaschutz betreiben soll, weil das umfassende Recycling von Kunststoffen technisch an Grenzen stößt und ökonomisch nicht rentabel sein kann.
Die Konsequenz ist eindeutig: Klimaschutz wird nur funktionieren, wenn wir uns von großen Teilen der Chemieindustrie verabschieden. Für Deutschland ist das keine frohe Botschaft, denn hierzulande arbeiten etwa 480.000 Menschen in der Chemie- und Pharmabranche. Standorte wie Ludwigshafen oder Leverkusen lassen grüßen.
Immerhin: Die Klage gegen Exxon könnte dazu führen, dass mehr Ehrlichkeit in die Debatte kommt – auch in Deutschland. Schließlich klebt auch hier auf jedem Kunststoff das Recycling-Symbol und stehen überall gelbe Tonnen, deren Inhalt allzu oft auf dem Weg in die Müllverbrennung ist.
Wiederverwertung ist schwierig, aber es gibt eine Ausnahme: diese Kolumne. Sie muss leider eine längere Pause machen, weil bei mir andere Projekte drängen und nicht mehr ignoriert werden können. Aber „Cash & Crash“ ist ein so schöner Titel, dass er bestimmt recycelt wird. Nur der Zeitpunkt ist noch offen.
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