DFB-Pokal der Frauen: Erfolg ist weiblich und muss still sein
Der VfL Wolfsburg bezwingt den SC Sand 2:1. Doch der Vorstand verbietet dem Team, das zu feiern. Die Männer-Relegation sei wichtiger.
Weil die Männerabteilung des Klubs deutlich weniger triumphal durch die Saison marschiert ist als die der Frauen, sondern am Montag in Braunschweig zum entscheidenden Relegationsspiel um den Bundesligaverbleib antritt, erteilten die Vereinsoberen den frischgebackenen Meisterinnen Partyverbot. Noch bevor das Pokalfinale gegen die tapferen Herausforderinnen aus der Ortenau – wie im Vorjahr – 2:1 gewonnen war, strich die VfL-Spitze die sonntäglichen Feierlichkeiten am Wolfsburger Rathaus. Mit Rücksicht auf die prekäre Lage der Männer.
Weil der „gesamte VfL“ derzeit „natürlich komplett auf die Relegation fokussiert“ sei, so die offizielle Begründung von Geschäftsführer Tim Schumacher, müsse eine Feier unterbleiben. Anstatt die Freude über das Double vor dem Start in den Sommerurlaub voll auszukosten, sollen die Fußballerinnen sich erst vor dem Start in die neue Saison offiziell bejubeln lassen – „gebührend“, wie Schumacher hinzufügte.
„Verstehen muss man das nicht“, kommentierte Almuth Schult die schräge Vorgabe offenherzig – zog es anschließend aber vor, die verbale Handbremse zu ziehen. „Ich kann mich jetzt nur noch um Kopf und Kragen reden“, bat die Keeperin um Nachsicht. Dann nahm sie ihre unterdrückte Wut mit in die Kabine.
Vom Beschluss aus den Medien erfahren
Die verletzte Trainerseele ein wenig geöffnet hatte Ralf Kellermann am Tag vor dem Finale. Die Entscheidung habe ihn und seine Spielerinnen „hart getroffen“, betonte der 48-Jährige – und meinte damit vor allem, dass die Mannschaft von dem Beschluss zuerst aus den Medien erfuhr. „Das tut uns schon weh“, erklärte der Frauen-Coach, am Wochenende biss er sich bei dem Thema dann spürbar auf die Zunge. „Wir feiern schon noch ein bisschen im Hotel“, erwähnte Kellermann kurz, ehe er das neue Programm für die nächsten Tage ankündigte.
Gefeiert im Hotel wurde dann bis zum frühen Sonntagmorgen. Dass das zu Sanktionen führen könnte, ist nicht wahrscheinlich. Um 12 Uhr am Sonntag jedenfalls war Abfahrt aus Köln, für Montag planen Wolfsburgs Fußballerinnen nun einen gemeinsamen Fernsehabend in der Kabine. „Dann feuern wir die Männer an – und ich bin überzeugt, dass wir danach alle etwas feiern können“, sagte Kellermann, der sich nach neun Jahren in Doppelfunktion und neun Titeln ab der neuen Spielzeit auf den Job als Sportlicher Leiter bei den VfL-Frauen konzentrieren wird. „Wir freuen uns, dass wir ihm so einen Abschied verschafft haben. Am Ende war er zu Tränen gerührt, das wollten wir erreichen“, sagte Alexandra Popp.
Dieser emotionalen Reaktion von Coach Kellermann ging aber dessen harsches Urteil voraus, der die erste Halbzeit seiner Elf als „die schwächste seit Monaten“ bezeichnete. Das könnte aber auch an den Temperaturen und an Gegner Sand gelegen haben: Die Hitze verhinderte allzu häufige Sturmläufe, und Sand stand defensiv gut und verhinderte den Wolfsburger Spielaufbau. Das 1:0 verdankte sich einer Standardsituation: Die Dänin Pernille Harder konnte einen Eckball mit dem Kopf erwischen (66. Minute). Harders zweiter Kopfball, das 2:0 in der 75. Minute, sorgte nur scheinbar für die Entscheidung. Doch kurze Zeit später war es Nationalspielerin Alexandra Popp, die mit einem Platzverweis wegen Vogelzeigens gegen die Schiedsrichterin Wolfsburg unnötig in Gefahr brachte: Unmittelbar danach erzielte Sand – aus Wolfsburger Sicht sehr unglücklich – den 1:2-Anschlusstreffer (78.), und Sand versuchte mit einem Kraftakt, das Spiel zumindest zu einer möglichen Verlängerung zu drehen.
Die Männer weit weg
Für Kellermann war dieser Pokalsieg zwar schwer erkämpft, aber immerhin der Nachweis, dass seine Trainertätigkeit im Vergleich zu den Kollegen aus der Männerabteilung sehr erfolgreich dasteht.
Vor den Wolfsburger Stadtvätern dürfen Kellermann und seine Double-Gewinnerinnen dann in drei Monaten auflaufen, die neue Runde startet am 2. September. „Daran können wir sowieso nichts ändern. Dass ein paar Verantwortliche hier waren und uns unterstützt haben – darüber freuen wir uns“, seufzte Ballfängerin Schult in Köln etwas ratlos. Während sich ihre männlichen Vereinskollegen über das Wochenende in ein Kurztrainingslager ins beschauliche Harsewinkel im Münsterland zurückgezogen hatten. 235 Kilometer entfernt vom Wolfsburger Rathaus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?