DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik: Warten auf Lohn seit 34 Jahren
Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zubke fordert Entschädigungen für DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik. Die DDR behielt damals einen Teil des Lohns ein.
![DDR-Vertragsarbeiter demonstrieren vor Ministerium in Maputo DDR-Vertragsarbeiter demonstrieren vor Ministerium in Maputo](https://taz.de/picture/7276026/14/DDR-Vertragsarbeiter-1.jpeg)
Ab 1979 kamen insgesamt 17.000 Vertragsarbeiter aus dem afrikanischen Land in die DDR. Ihnen war eine Ausbildung versprochen worden, doch viele landeten auf Arbeitsplätzen, die sonst niemand haben wollte wie in der Braunkohle- oder Fleischindustrie. Die Betriebe zahlten ihnen nur einen Teil ihrer Löhne aus. Oberhalb eines Sockelbetrages von 350 Mark wurden bestimmte Prozente, die von Jahr zu Jahr unterschiedlich hoch waren – zum Schluss waren es 60 Prozent – von der DDR einbehalten. Den Vertragsarbeitern wurde mündlich und schriftlich zugesagt, sie würden diese Lohnteile nach ihrer Rückkehr nach Mosambik in der dortigen Landeswährung ausgezahlt bekommen. Tatsächlich floss das Geld aber in den Staatshaushalt der DDR und wurde mit den Staatsschulden Mosambiks bei der DDR verrechnet. Die Frauen und Männer mussten also mit ihrer Arbeit Schulden ihres Staates abbezahlen.
„Das ist Unrecht, das von deutschem Boden ausging“, so Zupke in der Bundespressekonferenz in Berlin am Montag. Sie fordert vom Bundestag eine Entschließung, die das Unrecht anerkennt und sich der historischen Verantwortung stellt. Zudem soll der Bundestag einen Entschädigungsfonds einrichten. Von den 17.000 ehemaligen Vertragsarbeitern leben heute rund 2.000 in Deutschland. Von den 15.000 nach Mosambik Zurückgekehrten sei nach Schätzung der sehr gut organisierten Betroffenen inzwischen jeder Dritte verstorben. Verantwortlich dafür seien die widrigen Lebensumstände, die fehlende Krankenversicherung sowie die Ausgrenzung, die die DDR-Rückkehrer in Mosambik erfahren, sagt David Macao, der im Tagebau Hoyerswerda Vertragsarbeiter war.
Unklar ist allerdings, warum die Initiative nur ehemalige Vertragsarbeiter aus Mosambik und nicht auch diejenigen aus Angola entschädigen möchte, denen es ähnlich erging. Aus diesem Staat arbeiteten lediglich rund 1.500 Vertragsarbeiter in der DDR. Auf dem taz lab im April stellte Augusto Jone Munjanga aus Eberswalde dar, dass auch den Angolanern ein Teil ihres Lohnes zur Begleichung von Staatsschulden ihres Landes abgezogen wurde. Allerdings ist die kleine Zahl der Angolaner wesentlich schlechter organisiert als die Mosambikaner, sie verschaffen sich kaum Gehör.
„Von beiden Ländern betrogen“
Auch vietnamesischen Vertragsarbeitern wurden Lohnteile von den DDR-Betrieben abgezogen. 12 Prozent ihres Bruttolohnes flossen als „Hilfe zum Wiederaufbau des Landes“ in die vietnamesische Staatskasse. Da das aber von Anfang an korrekt kommuniziert wurde, gibt es bis heute keinerlei Forderungen von Vietnamesen nach Rückzahlung dieser Gelder. Vietnam hat im Vergleich zu Mosambik zudem einen Wirtschaftsaufschwung hingelegt, sodass die sozialen Probleme der Betroffenen nicht vergleichbar sind.
Zur Wahrheit gehört aber, dass die Bundesregierung 1993 dem mosambikanischen Staat rund 75 Millionen Mark an Entwicklungszusammenarbeitsgeldern überwies, die für die ehemaligen Vertragsarbeiter vorgesehen waren. Das Geld versackte allerdings größtenteils in korrupten Strukturen und kam nur bei ganz wenigen Betroffenen an. Wegen der gezahlten Leistungen sieht die Bundesregierung heute keinen Handlungsbedarf mehr.
Entsprechend verwundert es nicht, dass der ehemalige mosambikanische Vertragsarbeiter David Macao sagt: „Ich fühle mich bis heute von beiden Ländern betrogen.“
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