piwik no script img

Corona-Impfungen im Herbst 2023Schutz für Selbstzahler

Kommentar von Frederic Valin

Einst zahlte der Staat Unsummen, um die Leute zur Impfung zu bewegen. Heute bekommt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung die Spritze umsonst. Absurd!

Für jederman kostenfrei war mal: die Covid-19-Impfung Foto: Sven Hoppe/dpa

G ar nicht so leicht, in Deutschland gesund zu bleiben. Nachdem so gut wie alle Schutzmaßnahmen weggefallen sind, wackelt jetzt auch noch die Impfung. Die Ständige Impfkommission (Stiko) konnte sich nicht dazu durchringen, den Booster für alle zu empfehlen. Jetzt sind es nur bestimmte, eng definierte Risikogruppen, die problemlos bei den Haus­ärz­t*in­nen immunisiert werden dürfen. Der Rest hat erstens die Diskussion am Hals, warum sie oder er sich überhaupt impfen lassen will.

Und weil sich die Krankenkassen hinter der Stiko-Empfehlung verstecken, darf man dann zweitens die Impfung auch noch selbst bezahlen. Zu Kosten von vermutlich knapp unter 50 Euro pro Stich. Das ist schon mit Blick auf die Impfkampagnen „Ärmel hoch“ (2021) und „Impfen hilft“ völlig absurd. Die ließ sich das Bundesgesundheitsministerium einmal 287 und einmal 38 Millionen Euro kosten. Das Motto für 2023 wäre dann eher: „Schau mer mal, dann sehn mer schon.“

In den USA empfiehlt die staatliche Gesundheitsbehörde CDC die Impfung für alle Menschen ab sechs Monaten. Von Beginn der Pandemie an hat die Stiko äußerst zögerlich agiert und damit zur allgemeinen Verunsicherung beigetragen. Sie ist damit mitverantwortlich dafür, dass in Deutschland der Kreis der Impf­skep­ti­ke­r*in­nen wächst. Dabei hat sie erklärtermaßen den Auftrag, „schwere Verläufe und Langzeitfolgen von Covid-19 zu verhindern“.

Ziel ist also nicht, Ansteckungen zu verhindern, sondern nur die Effekte der Durchseuchung zu reduzieren. Menschen, die die Stiko nicht zur Risikogruppe zählt, sollen sich dementsprechend infizieren. Dabei sind die Folgen einer Erkrankung längst nicht klar. Diese Endemie ist aber kein Freiluftexperiment und hat in den vergangenen Jahren zögerliches Handeln hart bestraft. Das absolut Mindeste wäre, jenen, die sich selbst schützen wollen, nicht auch noch Steine in den Weg zu legen.

Allerorten wurde im weiteren Umgang mit Covid Eigenverantwortung propagiert, und jetzt verhindert man sie auch noch aktiv. Das ist unverantwortlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Ich lasse mich boostern. Weiterhin überwiegt statistisch das Risiko eine Infektion dem einer Impfung. Zur Not zahle ich das auch. Ob ich Lust habe, für weitere vermeidbare Covidfälle mitzubezahlen, fragt anscheinend keiner. Aber Ketterauchen ist ja auch noch immer erlaubt...

  • Immer dieses Gemecker. :)

    Wenn sich jemand außerhalb der Risikogruppen impfen lässt, ist das zwar sein Recht, aber eben auch sein Privatvergnügen. Der Kosten/Nutzenfaktor dürfte eh überschaubar sein, aufgrund der Grundimmunität und des Restrisikos der Impfung. Warum also sollte die Allgemeinheit für etwas zahlen, was aller Voraussicht nach überflüssig ist?

  • Die neue Corona-Variante heißt Eris? Wie passend.... :o)

  • solch eine ungeordnete Sache wie eine Pandemie passt irgendwie nicht so in das dt Weltbild, "Es kann doch nicht sein, dass irgendetwas ungeregelt abläuft und sich nicht durch bedächtige und doppelgeprüfte kleine Stellschrauben ins Lot bringen lässt!", einfach mit der Kanone drauf schießen, das geht nicht, da werden möglicherweise Menschen geimpft die das gar nicht benötigen (lieber erstmal schaun und hinterher evidenzbasiert dann wissen wer geimpft hatte werden müssen, um die LongCovid`er kümmert sich dann eine Kommission, so läuft das in D, von der blöden Natur lassen wir uns nicht in die Suppe spucken!)



    Es läuft wie bei allem in D , die Angst und sei es noch so gering verhindert gleich überhaupt aktiv zu werden. Maßnahmen werden so weit runtergebrochen, dass sie im Ganzen gesehen nur noch minimal wirksam sind, im Einzelfall, auf die Gesamtheit bezogen aber nicht, das wäre mit viel zu viel Nebeneffekten verbunden, die allesamt nicht gerechtfertigt wären, viel zu unkontrolliert.



    Das ist (ja das sind jetzt ganz andere Themen! Ich weiß.) Hartz4 so, beim Mindestlohn, bei den Waffenlieferungen an die Ukraine, bei der Kindergundsicherung, bei der Energiewende, alles grundverschiedene Themen, aber das Reaktionsmuster auf Herausforderungen ist in D immer gleich, auf keinen Fall den großen Bogen, auf keinen Fall offensichtliche Wirksamkeit von Maßnahmen, denn das bedeutete ja, das es viele unberechtigte Nutznießer gäbe und ein unberechtiger Nebeneffekt ist schlimmer als eine Wirksamkeit im Ganzen. So etwas fliegt jedem Politiker in D um die Ohren.



    Die Stiko in ihrer Bräsigkeit und selbstreferenziellen Art ist ein Extrakt dieser dt. Mentalität.

    • @nutzer:

      Können Sie das vielleicht etwas genauer ausführen, was genau Sie an der STIKO-Empfehlung kritisieren?



      Vielleicht auch möglichst präzise, an welchem Punkt in der Analyse der 79 im Literaturverzeichnis angegebenen Studien Sie zu einem anderen Ergebnis kommen?



      Zum Nachlesen:



      www.rki.de/DE/Cont...ob=publicationFile

      Das Bashing der STIKO ist nicht nur unbegründet, sondern tatsächlich hochgefährlich.



      Ihnen geht es darum mehr zu impfen. Gut.



      Je mehr wir aber an der Fachkunde der STIKO zweifeln, je mehr also der "Ruf" der STIKO sinkt - umso mehr sind die Menschen auch bei anderen Impfungen abgeneigt, den Empfehlungen der STIKO zu folgen.



      Und das heißt dann leider: weniger Impfen.

      Was ich tatsächlich unerträglich finde: Ohne selbst jegliche Fachkompetenz zu haben, einem Gremium aus Wissenschaftlern, die sich sehr sorgfältig der Datenanalyse widmen, rundheraus (Bräsigkeit, Selbstreferenziell) die Fachkompetenz abzusprechen.

      Wir können uns in Deutschland sehr, sehr glücklich schätzen, überhaupt so eine Institution zu haben!

      • @Ringsle:

        na klar ist mein Bezug auf die Stiko polemisch, und wissenschaftlich arbeitet sie durchaus akurat, aber eben auch nicht wertfrei, so wie alles was Menschen tun.



        Meine Kritik bezieht sich darauf, dass große Probleme und sich überstürzende Ereignisse sich eben nicht buchhalterisch in der Retrospektive beantworten lassen, man kann nicht die Welt impfen lassen und dann entscheiden, ok die anderen sind jetzt nicht wie die Fliegen umgefallen, dann können wir auch. Einmal von der Zweifelhaftigkeit dieser Handlungsweise (auf politisches Handeln bezogen) abgesehen, kann dieses Verhalten viele Opfer kosten.



        Die Stiko arbeitet nicht falsch, sie ist aber keine Organisation akute Notlagen zu managen und ich meine wir sind immer noch in einer Notlage, Long Covid ist ein Problem, die vielen gleichzeitigen Krankheitsfälle ebenso, selbst bei harmlosen Verläufen ist es in der Gänze ein gesellschaftliches Problem.



        Sich eben da auf den Einzelnen zu fokussieren ist falsch. Es ist ja nicht so dass alle in Strömen zum impfen kämen, wäre die Stiko nicht so zögerlich, diese Gefahr besteht gar nicht. Aber es wäre ein Signal, dass es um`s Ganze geht. Bei der Grippe ist man ganz anders sehr darauf bedacht, möglichst viele zu impfen und mein Arzt impft mich auch, wenn ich nicht zur Hochriskogruppe gehöre , es ist die Einstellung. Bei Corona wird beschwichtigt, bei Grippe das ganze Gegenteil.



        Und das liegt meiner Meinung nach an der Einstellung bei neuen Ereignissen Panik zu unterstellen und dann besonders bedächtig zu sein. Das ist ein dt Reaktionsmuster auf neue Ereignisse.



        Fachlich auf das Individuum bezogen ist die Stikoempfehlung vertretbar aber eben gesamtgesellschaftl. eher weniger.



        Es ist keine buchhalterische Entscheidung, ob wir gesamtgesellschaftlich die Folgen eindämmen wollen, es ist eine politische.



        Und es verstecken sich eben sehr viele hinter der Stiko und damit ist die Stikoempfehlung nicht wissenschaftlich sondern politisch.

        • @nutzer:

          Danke für die Antwort. Tatsächlich ist die Empfehlung vielleicht für das ein oder andere Individuum nicht optimal, aber dafür gesamtgesellschaftlich sehr wohl.

          Aufgabe der Stiko ist es gerade, eine Empfehlung zu treffen, die den meisten Nutzen für die öffentliche Gesundheit bringt! Nicht für das Individuum.

          Zur akuten Notsituation: 2020, 2021 - volle Zustimmung!



          Damals wurde auch eine politische Entscheidung getroffen - die die STIKO mit einem Spagat gestützt hat. Also genau das, was Sie fordern.

          2023 sieht die Lage komplett anders aus. Zwar hat Corona nach wie vor einen relevanten impact auf die globale öffentliche Gesundheit - ABER: wir haben jetzt Daten, und zwar massenhaft - insbesondere auch dazu, was die Impfungen betrifft.



          Es handelt sich also durchaus nicht um eine akute Notsituation. Umso wichtiger ist eine fundierte Abwägung und Empfehlung.

          Nehmen Sie sich die Zeit und gucken Sie in das oben verlinkte Dokument. Sie werden sehen, dass sehr wohl alle Themen (Long COVID natürlich auch!) ausführlich behandelt und abgewogen werden.

          Sie werden auch sehen, dass der von Ihnen erhoffte Effekt - Impfung großer Massen um das gesellschaftliche Infektionsgeschehen zu limitieren - nicht mehr erreichbar ist. Diesen Effekt gab es (Gott sei Dank) 2021, selbst da nur für ein paar Wochen, weil "vergessen" wurde, die Alten rechtzeitig nachzuimpfen...

          Ich würde die Stiko auch keineswegs als buchhalterisch bezeichnen, das ist fast schon verleumdend. Es ist eine hoch anspruchs- und verantwortungsvolle wissenschaftliche Tätigkeit, die sich auch nicht in Social-Media-Formaten vermitteln lässt.

          Auch sollten wir nicht den Fehler machen, wissenschaftliche Bewertungen abzulehnen, weil sie vermeintlich von den Falschen ins Feld geführt werden. Natürlich krähen die ganzen Querdenker jetzt, sie hätten es schon immer gewusst. Das war so oder so zu erwarten und ist natürlich maximal geframed. Daher sollte das auch kein Argument sein, dass sich die Falschen dahinter verstecken.

  • Spätestens jetzt zeigt sich, dass unsere grottenschlechte Regierung das Leben jedes Einzelnen beeinträchtigt.

    Nicht nur durch mangelhafte Klimapolitik (einer einst "grünen" Partei)



    oder das Versagen bei der Armutsbekämpfung (gerade bei Kindern)



    oder das Versagen bei Mietenbremse und Preisexplosion.

    Nein, jetzt geht es ans Eingemachte, an die Gesundheit jedes Einzelnen.

    Und das auch noch just zu einem Zeitpunkt, an dem die Studien zu Covid-Langzeitfolgen in vollem Gange sind, aber Ergebnisse noch nicht fundiert vorliegen.

    • @Bolzkopf:

      In Deutschland können sich alle „glücklich schätzen“, die Impfungen gar nicht bezahlen können!

      Elitärer Polit-Lobbyismus, noch nie gehört?