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Xis Warnung an MoskauEine schlechte Nachricht für Putin

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Mit Pekings Warnung, Atombomben einzusetzen, distanziert sich Xi erstmals von Russland und dem Angriffskrieg. Scholz kann das als Erfolg verbuchen.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Begrüßung durch Präsident Xi Jinping in Peking Foto: Kay Nietfeld/dpa

A ls sich im September Russland, China, Indien und andere nichtwestliche Staaten der Shanghai Cooperation Organization trafen, gab es einen interessanten Moment. Indiens Premier Modi warnte, höflich, aber klar, neben Waldimir Putin stehend vor einer Eskalation des Ukrainekriegs. Genauso bemerkenswert war die Reaktion Chinas: keine. Eisernes Schweigen. Keine Kritik an Russland.

Nun hat Xi Jinping die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen verurteilt. Und damit genau das kritisiert, was Putin seit acht Monaten immer wieder tut. Das mag keine namentlich adressierte Mahnung sein. Aber dies ist die erste kristallklare Warnung von Peking an Moskau: Macht das bloß nicht. Das folgt wohlverstandenem Eigeninteresse. Wenn Putin wirklich ernst machen würde, das Tabu des Atomwaffeneinsatzes fallen sollte – es wäre für Asien mit den konkurrierenden Atommächten Indien, Pakistan und China eine besonders gefährliche Entwicklung.

Kanzler Scholz kann diesen diplomatischen Erfolg auf seinem Konto verbuchen. Der Kanzler bemüht sich zu Recht seit Monaten darum, Staaten, die beim Ukrainekrieg zwischen dem Westen und Putin stehen, günstig zu stimmen. Die Ansage aus Peking an Putin ist in dieser Strategie ein echter Erfolg. Denn sichtbar ist nun ein feiner Riss in dem bislang engen chinesisch-russischen Bündnis.

Für Putin ist das eine schlechte Nachricht. Denn seine atomare Erpressungstaktik verliert an Glaubwürdigkeit. Jetzt ist für alle der Preis sichtbar, den ihn eine nukleare Eskalation kosten würde: der mögliche Bruch mit Xi Jinping. Den braucht Putin aber als Machtstütze unbedingt – und mehr als umgekehrt.

Alles gut also? Trotz des Erfolges von Scholz’ Reise kann davon keine Rede sein. Die hochkomplexe Arbeit beginnt erst. Berlin muss die guten Beziehungen der Vergangenheit zu Peking bewahren und gleichzeitig zügig aus den einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten aussteigen. Klar ist: Auch das gelingt nur realpolitisch und pragmatisch – nicht mit den selbstgefälligen moralischen Appellen, wie sie ständig von den Grünen kommen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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11 Kommentare

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  • "Jetzt ist für alle der Preis sichtbar, den ihn eine nukleare Eskalation kosten würde: der mögliche Bruch mit Xi Jinping."

    Wenn der Preismacher so vertrauenswürdig ist, dann geht das okay.

  • "Auch das gelingt nur realpolitisch und pragmatisch – nicht mit den selbstgefälligen moralischen Appellen, wie sie ständig von den Grünen kommen."

    Wow, und das in der taz. Da hat Stefan Reinecke direkt mal einige Punkte gemacht bei mir. Dachte lange, es gibt in der taz niemanden mehr, der die Grünen kritisieren kann.

    Vollkommen richtig an der Betrachtung im Artikel finde ich, dass es absolut nicht funktonieren wird, auf der Basis herbeifantasierter moralischer Überlegenheit irgendwelche Forderungen an andere Länder zu stellen. Es gibt dermaßen viel zweierlei Maß im Wertewesten, dass eine Klartext-Diskussion der Kontrahenten zeigen würde, dass sie sich nicht viel nehmen. Als da wären:

    - das international koordinierte Verbrechen an Assange



    - Flüchtlinge, die im Mittelmeer absaufen



    - der Kotau vor der Türkei



    - Gaseinkauf in Katar



    - Waffenlieferungen an Saudi-Arabien



    - vollständige Überwachung der europäischen Internetteilnehmer durch US-Konzerne inkl Zugriff der US-Behörden auf alles, was sie haben wollen



    - Guantanamo



    - keinerlei Ahndung der im Irak und in Afghanistan durch den Westen verübten Kriegsverbrechen

    Unvollständige Liste für den Anfang, als Diskussionsgrundlage.

    Erst wenn das alles rechtsstaatlich und völkerrechtlich korrekt geregelt wäre, gäbe es eine Grundlage, China wegen irgendwas anzupissen. Solange das nicht passiert - und es wird nicht passieren - ist das Moralgeschwätz nichts weiter als die Rechtfertigung für den Kolonialismus, den USA und Europa nach wie vor sehr gut beherrschen. Dieses Geschäftsmodell hat allerdings ausgedient.

    • @uvw:

      "selbstgefälligen moralischen Appellen"



      "auf der Basis herbeifantasierter moralischer Überlegenheit"



      Ach so. Das wäre mir aber neu, dass sowas nur von den Grünen kommt. Man zeige mir mal eine Partei, die sich NICHT für moralisch überlegen hält, und NICHTS dergleichen selbstgefällig kundtut.



      Den letzten Halbsatz hätte sich der Autor also sparen können.

      • @Tetra Mint:

        Der (gar nicht so feine) Unterschied ist, ob man reklamiert, der eigene Standpunkt sei moralisch "richtig" - das tut Jeder außer ein paar wenigen bekennenden Amoralisten -, oder ob man daraus eine Forderderung an ANDERE formuliert, gefälligst IHREN moralischen Kompass dem eigenen anzupassen. Letzteres lässt gewisse - auch moralisch zu verstehende - Defizite im Bereich "Respekt vor der Individualität des Anderen" durchblicken und ist darüber hinaus in der Diplomatie nur selten zielführend.

  • Danke für diesen Artikel.



    In einer Zeit, in der vor lauter Geschrei nach Waffen das gesprochene Wort untergeht, erkennt Jemand die Art der Diplomatie .



    Letztere funktioniert nicht, indem man/frau Andere anpöbelt, oder vor laufender Kamera Maximalforderungen stellt .



    Aber zu Diplomaten werden ja oft nicht die Schreihälse, sondern die Denker . Das schließt prinzipiell natürlich auch Frauen ein. Nur aktuelle Beispiele liegen nicht direkt auf der Hand . Auch "junge Staaten" verwechseln manchmal internationale Politik mit einem Fussballspiel. Möglichst laut wird ins Stadion gebrüllt.



    Ob das richtig ist, oder verhallt, weißt Du, wenn es knallt ( Grinsekatz)

  • Beruhigend dabei ist, dass man Xi soviel trauen kann wie Putin.

  • Ja, das wird sicherlich nicht einfach, den politischen Spagat zu schaffen, Chinas wirtschaftliche Abhängigkeit zu reduzieren und gleichzeitig das mächtige Land zu nutzen, um die gefährliche Lage zu entschärfen aber das ist nun mal (leider) so …LEIDER, weil hier wieder das Geschäft und die Wirtschaft als Hebel dienen. Eigentlich müsste dafür das menschliche in uns reichen aber damit ist längst vorbei, frühestens, seit dem der Mensch das Geld erfunden hat. Übrigens: Die gleiche Politik sollte man auch von den anderen Länder (FR, ITA, GB …) erwarten, schließlich sitzen wir alle in einem Boot!

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    "" .....realpolitisch und pragmatisch – nicht mit den selbstgefälligen moralischen Appellen, wie sie ständig von den Grünen kommen.""



    ==



    Was war denn am artistischen Kunststück Habecks, NS I innerhalb kürzester Zeit durch LNG vollständig abzuzusichern, ohne ein betriebsfertiges LNG GasTerminal in der Nordsee nutzen zu können, selbstgefällig und moralisch?

    Bin gespannt auf die Antwort.

    Darüber hinaus: Habecks Appell, 20% weniger Gas zu verbrauchen, war kein moralischer Appell, sondern der Macht des faktischen geschuldet. Statt 20% weniger wurden in der letzten Woche tatsächlich 30% weniger Gas verbraucht.

    Seit wann ist es verwerflich, wenn Bundesbürger das Richtige tun, nämlich Gas zu sparen, auch wenn sich Habeck ex-ante deutlich für Gaseinsparungen ausgesprochen hat?

    Darüber hinaus hat die grüne Außenministerin eine Reisewarnung in den Iran ausgesprochen. War das nun auch ein ständiger selbstgefälliger Appell?

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Danke, sehr gut zusammengefasst, wie immer..

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Wir hatten also einen der wärmsten Oktober seit Dekaden und es wurde weniger Gas verbraucht. Da schau her.

      • @Usch Bert:

        Nich nur wegen des warmen Oktobers, sondern auch wenn man diese Temperaturanomalie herausrechnet (die temperaturabhängigen Durchschnittsverbräuche der Vorjahre sind ja bekannt):



        www.t-online.de/fi...ich-reduziert.html