Chemikalienbelastung in Gewässern: Ackergift im Wasserglas
TFA steht im Verdacht, unfruchtbar zu machen. In Europa haben Umweltschützer Flüsse untersucht – und die Chemikalie fast flächendeckend gefunden.
TFA ist ein Abbauprodukt bestimmter PFAS; diese als Ewigkeitschemikalien bekannte Stoffgruppe umfasst etwa 10.000 Chemikalien. 2.000 davon gelten als Ausgangsstoffe für TFA. PFAS sind schon lange im Visier von Umweltschützern, die Europäische Chemikalienagentur Echa und das deutsche Umweltbundesamt (UBA) wollen ein Verbot. Dagegen formiert sich im EU-Parlament unter konservativen Abgeordneten derzeit allerdings Widerstand.
Zudem ist die Echa mit ihrer Rechtsgrundlage Reach nicht für Pestizide zuständig, die unterliegen einem anderen Gesetz. Die Pestizidrichtlinie ist so verfasst, dass Hersteller möglichst effizient und unbürokratisch Zulassungen für ihre Produkte auf dem europäischen Markt beantragen können. Dies führe dazu, dass die deutschen Behörden „an das Fachurteil des erstbewertenden Mitgliedstaates gebunden“ seien, „auch dann, wenn dieser erkennbar gegen Bewertungsleitlinien verstoßen habe oder seine Bewertung aus heutiger Sicht fehlerhaft sei“, kritisierte das UBA schon vor zwei Jahren in ungewohnter Schärfe.
Gefahrenpotential noch nicht ganz klar
Problematisch ist das vor allem, weil die hohe Belastung von Gewässern mit TFA vor allem aus der Landwirtschaft stammt. So basiert zum Beispiel das Mittel „Artist“ des Chemiekonzerns Bayer auf dem Wirkstoff Flufenacet. Landwirte spritzen „Artist“ auf ihre Spargel-, Kartoffel-, und Sojabohnenfelder, um dort bestimmte Gräser, Franzosenkraut oder schwarzen Nachtschatten abzutöten. In der Umwelt wird Flufenacet zu TFA abgebaut. Der Wirkstoff werde „in Europa seit über 25 Jahren sicher verwendet“, teilt Bayer Crop Science auf Anfrage mit. Alle von Bayer angebotenen Produkte seien „sicher für Mensch und Umwelt, wenn sie entsprechend der Anwendungshinweise verwendet werden“, so der Konzern, und weiter: Nach den Ergebnissen der jüngsten wissenschaftlichen Studien zu TFA „ist es wichtig, zu sagen, dass es keine Hinweise auf ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder für die Umwelt gibt“.
Den Behörden ist Trifluoracetat trotzdem unheimlich, weil die Säure extrem stabil und sehr mobil ist. Das heißt, sie wird nur sehr langsam abgebaut und gelangt in Böden und Pflanzen. Die kommunalen Wasserwerke können sie mit der zurzeit verfügbaren Technik nicht aus dem Trinkwasser herausfiltern. Ob TFA schädlich ist, ist dabei noch nicht ganz klar. Allerdings hält die Bundesstelle für Chemikalien die Studienlage für ausreichend, um eine Einstufung von TFA als „reproduktionstoxisch“ vorzuschlagen.
Das heißt, die Chemikalie könnte unfruchtbar machen oder den Nachwuchs von Menschen und Tieren schädigen. In den nächsten Tagen will die Bundesstelle das entsprechende Einstufungsdossier offiziell einreichen. „Wir sind uns sicher, dass die zurzeit vorliegenden Erkenntnisse eine EU-Regulierung rechtfertigen“, sagt ein Mitarbeiter der Bundesstelle.
Susanne Smolka vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) fordert ob der Untersuchungsergebnisse, auch Pestizidprodukte auf Basis von PFAS zügig zu verbieten. Es sei nicht zu erklären, dass gerade PFAS-Chemikalien, die direkt in die Landschaft ausgebracht würden, weniger streng reguliert werden sollten als Industrieprodukte. Außerdem müsse das Beschränkungsverfahren im Rahmen des EU-Chemikalienrechts Reach schnell zum Abschluss gebracht und TFA in der Umwelt von den Behörden strenger überwacht werden. „Wir kämpfen heute noch mit den Altlasten, etwa mit DDT“, sagt Smolka, „wir sollten einen Stoff, der überall ist und dessen Gefahrenpotenzial wir noch nicht einschätzen können, nicht einfach in die Landschaft freisetzen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?