Cell Broadcasting für Katastrophenschutz: Warnnachrichten plötzlich im Trend
Nach der Flutkatastrophe denkt die Regierung über automatische Warnmeldungen auf Mobiltelefone nach. Bisher war sie da eher skeptisch.
Bei dem sogenannten „Cell Broadcasting“-System (sehr frei übersetzt: Funkzellen-Versand) können Behörden Textnachrichten an alle Handys senden, die sich in einer oder mehreren bestimmten Funkzellen befinden. Die Nachricht erscheint als Push-Meldung auf dem Display, dazu ist ein spezieller Warnton möglich. Bilder können über das System nicht verschickt werden. Das hat aber auch Vorteile: Die Warnungen sind dadurch nicht nur mit Smartphones kompatibel, sondern auch mit alten oder einfachen Handys. Außerdem ist die Datenmenge dadurch gering. Auch bei stark ausgelastetem Mobilfunknetz können die Nachrichten durchkommen.
Etliche andere Staaten nutzen dieses jahrzehntealte System bereits. Die EU schreibt dessen Einführung in einer Richtlinie eigentlich auch vor, lässt aber ein Schlupfloch: Demnach können Mitgliedsstaaten statt des Cell Broadcasting auch andere Methoden mit der gleichen Effektivität nutzen. Deutschland beruft sich bislang darauf und führt unter anderem die Warn-Apps Nina und Katwarn an.
Diese Apps sind zwar tatsächlich nicht schlecht, müssen von den Handy-Nutzer*innen aber erst mal aktiv installiert werden. Das haben in Deutschland bisher nur ein paar Millionen Menschen getan. Über das Cell Broadcasting wären viel mehr Personen zu erreichen.
Kosten und Datenschutz
Warum wurde das System dann bisher nicht eingeführt? Auch wenn Seehofer jetzt Tempo macht: Bisher haben Behörden und Regierung keinen großen Elan gezeigt. Ein Grund sind die Kosten. Armin Schuster (CDU), Chef der Katastrophenschutzbehörde, sagte noch am Dienstag im Deutschlandfunk, die Einführung sei „extrem teuer“. Er nannte Einführungskosten von – eigentlich überschaubaren – 30 bis 40 Millionen Euro.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte zudem der Bild, bislang sei die Einführung auch am Datenschutz gescheitert. Datenschützer*innen haben allerdings gar kein Problem mit der Technik. Handynummern oder ähnliche Daten werden durch das Cell Broadcasting überhaupt nicht erfasst.
Alle Probleme könnten aber auch die Warnnachrichten nicht lösen. Zunächst mal müsste irgendjemand die Meldungen abschicken. Zuständig wären gemäß der aktuellen Aufgabenverteilung wohl in erster Linie Behörden der Länder oder Kommunen. Diese könnten im Einzelfall überfordert sein. Zu viele Nachrichten wären andererseits auch wieder ein Problem, weil sie schnell als Spam wahrgenommen und ignoriert werden könnten.
Kein Allheilmittel
Und: Menschen ohne Handy sind natürlich nicht übers Handy zu erreichen. Ist das Mobilfunknetz erst einmal komplett zusammengebrochen, kommen sowieso keine Nachrichten mehr durch. Andere Methoden wie Sirenen müssten daher bestenfalls das System ergänzen.
Sirenen wurden seit dem Ende des Kalten Kriegs aber vielerorts abgebaut und werden erst seit kurzem wieder in manchen Bundesländern installiert. Moderne Anlagen sind oft batteriebetrieben, sind also auch nach Stromausfällen noch nutzbar. Die Bevölkerung muss die Signale dann nur noch richtig interpretieren. Daran hapert es aber auch noch, wie eine weitere Aussage Horst Seehofers vom Mittwoch zeigte.
Beim Signal einer Sirene denke er an einen Feueralarm, sagte der für den Katastrophenschutz zuständige Innenminister. Ein neues, alternatives Signal sei nötig, um auch auf andere Gefahren hinzuweisen. Dieses Signal gibt es aber eigentlich längst: Ein einminütiger, auf- und abschwellender Ton weist auf eine Gefahr für die Bevölkerung hin und dient als Aufruf an die Bürger*innen, sich im Radio oder anderen Medien über den Anlass zu informieren.
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