CSU-MinisterInnen stellen Flugtaxi vor: Der erste Testflug ist geschafft
Verkehrsminister Scheuer und Digitalministerin Bär präsentieren in Ingolstadt den „CityAirbus“. Ab 2025 sollen Flugtaxis zum Einsatz kommen.
Andreas Scheuer (CSU) hätte alles möglich zu tun – jedenfalls alles andere als so einen Termin wie am heutigen Montag, könnte man denken: Heute stellt er in Ingolstadt ein Flugtaxi vor, einen „CityAirbus“. Mit von der Partie: Parteifreundin und Digitalministerin Dorothee Bär, verantwortlich für den schleppenden Internetausbau. Unvergessen ist der Hohn und Spott, der über sie ausgeschüttet wurde, weil sie im ZDF-Interview zum Amtsantritt von „Flugtaxis“ als Vision sprach.
„Flugtaxi“, das klingt nach Größenwahn oder nach Science-Fiction. Tatsächlich ist die Vorstellung von fliegenden Autos eine Utopie – aber eine sehr konkrete. Und sie könnte dazu beitragen, die Verkehrskrise zu überwinden.
Davon jedenfalls ist Daniel Guffarth von der Unternehmensberatung Horváth & Partners überzeugt. „Wir rechnen in den nächsten sechs Jahren mit einem endkundenreifen Produkt“, sagt Mobilitätsexperte Guffarth, der eine Studie zur „Urban Air Mobility“ („Städtische Luft-Mobilität“) geleitet hat.
„Endkundenreif“ bedeutet: Für Interessierte nutzbar. „Zwischen 2025 und 2035 werden auf festgelegten Routen die ersten Vehikel zum Einsatz kommen“, sagt er. Vielleicht sollte man sich vom dem Begriff Flugtaxi verabschieden. Denn die Luftfahrzeuge, über die heute gesprochen wird, werden sich auf festen Routen bewegen – und nicht wie in der populären Kinderserie Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt frei im Raum.
São Paulo, Mexiko Stadt, Stuttgart
Den ersten fliegenden Nahverkehr wird es voraussichtlich in Mega-Metropolen geben, in denen wie in São Paulo oder Mexico Stadt heute schon Helicopter zum Einsatz kommen. In Deutschland könnten die fliegenden Autos in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet oder Berlin überfüllte Straßen entlasten. Wegen seiner extremen Kessellage ist auch Stuttgart ein geeigneter Einsatzort, sagt Guffarth.
Der rechtliche Rahmen und die technischen Voraussetzungen müssen erst noch geschaffen, unzählige Details geklärt werden. Die Flugsicherung etwa spielt eine wichtige Rolle. „Es muss darüber entschieden werden, wie andere Flugobjekte integriert werden, zum Beispiel Drohnen“, sagt Guffarth. Es gäbe „erste Tendenzen, Lösungen zu finden“, sagt der Experte verhalten. An einem Punkt jedoch laufen die Vorbereitungen bereits auf vollen Touren: der Entwicklung der Flugtaxis selbst.
Im Wochentakt melden Firmen erfolgreiche Pilotflüge, sagt Guffarth. Autobauer wie Audi, Daimler oder Toyota, aber auch Flugzeughersteller wie Boeing entwickeln fliegende Vehikel. Das „Urban Air Vehicle“ des US-amerikanischen Flugzeugherstellers Boeing hat einen ersten Testflug hinter sich. Daimler ist am Pionier-Startup Volocopter beteiligt.
Der CityAirbus, den Scheuer und Bär am Montag auf dem Marktplatz von Ingolstadt vorstellen, ist noch kein Prototyp, stellt Airbus-Sprecher Gregor von Kursell klar: „Der CityAirbus ist ein Demonstrator, kein Prototyp.“ Das heißt: Er wird getestet, die Ergebnisse fließen in die Entwicklung des Prototypen ein, der einem späteren Serienprodukt schon sehr nahe kommt.
Zu Beginn mit Notfallpilot
Der Gattungsbegriff für dieses Produkt ist bei Airbus „elektrisches Luftfahrzeug“. „Es soll bis zu vier Passagiere in Großstädten auf festen Routen zu wichtigen Zielen bringen, beispielsweise von der Stadtmitte zum Flughafen“, sagt Kursell. Seit 2015 laufen Studien zum Flugtaxis, seit Anfang 2017 die Arbeiten am CityAirbus.
Empfohlener externer Inhalt
Dorothee Bär und das Flugtaxi
In den kommenden Monaten werden Testflüge auf dem Flugfeld Donauwörth, danach auf dem Testgelände in Manching bei Ingolstadt stattfinden. „Im kommerziellen Einsatz soll zunächst ein Pilot an Bord sein, der im Notfall eingreifen könnte“, sagt der Sprecher.
Auf den Piloten oder die Pilotin soll verzichtet werden, wenn die neue Technologie allgemein akzeptiert ist. „Wann dies der Fall sein wird, lässt sich heute nicht sagen“, sagt der Sprecher. Auch wenn vieles im Ungewissen liegt und diese Projekte erst langfristig realisiert werden, fest steht: Die Weichen für diese Fortbewegung werden bald gestellt.
Die Industrie arbeitet daran, dass das in ihrem Sinne erfolgt. Airbus ist nach Angaben des Sprechers bereits im Gespräch mit den Behörden, damit die Grundlagen für den Einsatz geschaffen werden können. „Wir gehen davon aus, dass gesetzliche Grundlagen nicht vor der zweiten Hälfte der kommenden Dekade vorliegen werden“, sagt Kursell.
Flugtaxi per App?
Dem Flugzeugbauer schwebt ein ineinander greifendes Transportsystem von der Haustür bis zum Reiseziel vor. Die Idee: Per App buchen Reisende eine Fahrt mit dem Lufttaxi zum Flughafen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder einem konventionellen Taxi fahren sie zum Abflugpunkt, checken ein und geben das Gepäck ab. Dort könnten auch Sicherheitskontrollen stattfinden.
„Für den kommerziellen Betrieb sind alle möglichen Modelle denkbar, von städtischen Verkehrsbetrieben über existierende private Transport- und Logistikunternehmen bis hin zu neu auf den Markt kommenden Anbietern“, sagt der Sprecher.
Wie der CityAirbus arbeiten die meisten Flugtaxis mit E-Motoren. „Bei Reichweiten bis 50 Kilometer macht nur ein elektronischer Antrieb Sinn“, sagt Branchenbeobachter Guffarth. Anders ist die Lage bei Vehikeln mit Reichweiten von einigen Hundert Kilometern. Sie verfügen über einen zusätzlichen Antrieb, schon aus Sicherheitsgründen.
Preise wie bei heutigen Taxis
Doch das sind Ausnahmen. Das eigentliche Flugtaxi ist für den Nahverkehr gedacht. „Der Preis soll so hoch sein wie bei heutigen Taxis“, sagt er.
Das Flugtaxi hat allerdings nicht nur Fans. Wenig übrig für solche Projekte hat Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland. „Das ist Humbug“, sagt er. „Mit solchen Geschichten will Minister Scheuer von den wirklichen Problemen im verkehr ablenken.“
Das sind seiner Meinung nach die Bahn und die Frage, wie mehr Menschen vom Auto auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. „Die Lösung ist nicht, das Problem in die Luft zu verlagern“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid