CDU-Landrat über Zusammenarbeit mit der AfD: „Krawallig, schrill, inkompetent“

Die AfD hat kommunalpolitisch wenig zu bieten, sagt der Eichsfelder CDU-Landrat Werner Henning. Die Frage nach der Brandmauer stellt sich ihm nicht.

Ein Mann steht vor einem Dorf

Werner Henning in Bornhagen, Landkreis Eichsfeld Foto: imago

taz: Herr Henning, steht die Brandmauer der CDU gegen die AfD noch?

Werner Henning: Da bin ich der falsche Ansprechpartner, weil ich nicht die CDU bin. Ich bin Mitglied der CDU, ich heiße Werner Henning, und ich bin Landrat im Landkreis Eichsfeld.

Friedrich Merz hat im Sommerinterview mit dem ZDF gesagt, dass auf kommunaler Ebene eine Zusammenarbeit mit der AfD möglich sein muss.

Ich würde Herrn Merz dergestalt verstehen, dass er eine Realität anerkannt hat, die es immer gegeben hat, und diese Realität heißt kommunale Selbstverwaltung: Ein Kreistag ist kein Parlament. Parteipolitik steht nicht im Vordergrund, sondern bestenfalls im Hintergrund. Im vergangenen Jahr haben sich die Parteien auf Bundesebene viel zu sehr mit der Frage befasst, für wen sie eine Brandmauer auf kommunaler Ebene aufbauen können. Das steht ihnen aber nicht zu. Das ist übergriffig. Herr Merz hat im Interview die kommunale Selbstverwaltung auf der Gemeindeebene unterstützt, und dafür danke ich ihm außerordentlich.

(CDU) wurde 1994 erstmals zum Landrat des Landkreises Eichsfeld in Thüringen gewählt und in den Jahren 2000, 2006, 2012 und 2018 in seinem Amt bestätigt.

Ein Kreistag ist kein Parlament – aber da sitzen doch Parteivertreter*innen?

Nein, da sitzen Personen, die Mitglieder von Parteien sind wie auch ich Mitglied der CDU bin. Aber ich bin zuerst dem Amt verpflichtet, dann erst der Partei.

Aber die AfD versucht sicherlich, ihre Themen einzubringen?

Wenn zum Beispiel der Herr Höcke, der sitzt auch in meinem Kreistag, anfängt mit Themen, die die Bundes- oder die Landespolitik berühren, untersage ich ihm förmlich die weitere Rede, weil das Themen sind, die außerhalb unseres Wirkungskreises liegen. Damit bin ich bisher immer gut gefahren.

Es gibt bei Ihnen keine Diskussionen um – beispielsweise – Flüchtlingsunterbringung?

Es gibt schon Fragen zu Flüchtlingen, die wir im Landkreis haben. Ich mache zuallererst deutlich, dass das nicht in der Kompetenz des Kreistages liegt, sondern in meiner. Da bin ich quasi Dienstleister für den Staat, der Staat ist mein Auftraggeber, und er befindet darüber, ob ich seinen Auftrag richtig oder falsch ausübe. De facto weiß ich aber, dass es ein nachvollziehbares allgemeines Interesse auch im Kreistag gibt, und ich antworte, so gut ich kann. Aber ich unterwerfe meine Berichterstattung nicht dem Votum des Kreistages.

Wie laufen Abstimmungen ab?

Zuerst einmal wird in den Ausschüssen und im Kreistag diskutiert. Da stellen sich Fragen: Wie finanziert man das? Wie geht man technisch damit um? Wenn diese Antworten alle erbringbar sind, dann freue ich mich als Vorsitzender des Kreistages, wenn alle im Kreistag einstimmig zustimmen, und dann lobe ich die AfD genauso und bedanke mich genauso für ihr positives Votum für diesen Vorschlag. Wenn jemand von der SPD einen Antrag einbringt oder die Linken oder eine der anderen Fraktionen, ist das total unproblematisch. In der Regel wird es problematisch, wenn die AfD etwas einbringt, auch wenn sie etwas Gutes einbringt, dann spüren Sie doch Ladehemmungen bei den übrigen Kreistagsmitgliedern.

Für Sie macht es keinen Unterschied, ob ein Antrag von der SPD oder der AfD kommt?

Sofern er anständig ist, nachvollziehbar und in der Zuständigkeit des Kreises liegt. Aber ich habe in meiner Zeit noch nicht gesehen, dass die AfD etwas in unserer Zuständigkeit Liegendes mit hoher Kompetenz eingebracht hätte. Die AfD kommt immer mit Themen, die uns nichts angehen. Es ist mir meistens zu krawallig, zu inkompetent, zu schrill. Ich will Substanz haben, ich will humanistische Grundlagen erspüren, ich will ingenieurtechnische Sachkompetenz verspüren. Ich möchte nicht dieses billige Ideologisieren, egal von wem.

Sie hatten sich kürzlich in der taz bereits zum neuen AfD-Landrat in Sonneberg geäußert und eine Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen.

Was ist mit dieser „Zusammenarbeit“ denn gemeint, von der immer alle sprechen? Ich habe ein Verständnis dafür, wie Landräte miteinander zu kommunizieren haben. Ich nehme zur Kenntnis, dass es in der Gemeinde Kreis Sonneberg nun einen neuen Gemeindevorsteher gibt. Ich kritisiere, dass er sich schon am Abend seiner Wahl zu sehr in die Fänge einer Partei begeben hat und sich mit seiner Partei-Obrigkeit umgeben hat. Das ist ein Widerspruch zu seinem Amt als Landrat, und der Herr Sesselmann hat an dem Abend dem Amt einen bösen Dienst erwiesen.

Aus ihrer Sicht sollte es zumindest keinen Unterschied machen, ob der Landrat von der AfD oder von irgendeiner anderen Partei ist?

Es macht überhaupt keinen Unterschied! Natürlich werbe ich dafür, dass der Wähler möglichst jemanden wählen möge, der auf einer humanistischen Grundlage steht, die da heißt: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu. Wenn Herr Sesselmann für diese humanistische Grundlage steht und als Landrat in dem Sinne für seine Gemeinde eintreten will, dann muss er überlegen, ob er Mitglied der AfD sein kann.

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