CDU-Kandidat Friedrich Merz: Der Lautsprecher der CDU
Friedrich Merz ist ein brillanter Redner. Geld und Politik kann er allerdings kaum voneinander trennen, Details vernachlässigt er.
Vor 4.000 Christdemokratinnen und Christdemokraten will der 63-Jährige hier erklären, warum er und nicht Annegret Kramp-Karrenbauer oder Jens Spahn der Beste für die Nachfolge Angela Merkels ist – zunächst als Parteichef. Vielleicht auch als Kanzler? Darüber spricht Merz noch nicht.
Doch niemand, der ihn kennt, kann sich vorstellen, das er nicht nach der ganzen Macht greifen will. „Der CDU-Chef muss stets den Anspruch haben, Kanzler werden zu wollen“, sagt ein führender Christdemokrat dazu.
Die Messehalle 9 ist schmucklos: Der Boden grau, die Stühle schwarz, Tageslicht gibt es nicht. Alles konzentriert sich auf Merz, Kramp-Karrenbauer und Spahn. Geht es nach dem Applaus, steht der Sieger des Abends schon nach dem Eingangsstatement fest: Friedrich Merz. Die Hälfte des überwiegend grauhaarigen Publikums feiert ihn schon nach wenigen Minuten mit Standing Ovations.
Merz, der Weltläufige
Merz ist ein brillanter Redner, noch immer. Seine Sätze sind kurz, knapp, prägnant. Der Anwalt aus Arnsberg im Sauerland, der in den letzten zehn Jahren für nationale und internationale Konzerne unterwegs war, betont seine Weltläufigkeit. Merz redet über Russland und die Ukraine, über den Nahen Osten, den miserablen Zustand der Bundeswehr, und fordert eine bessere betriebliche Altersvorsage und optimale Mobilfunkverbindungen auf dem Land.
„Mein Favorit ist Merz“, sagt Oliver Allesch aus Essen. „Er ist der Einzige, der strukturiert Probleme benennt, der Lösungen präsentiert“, findet der 41-Jährige. „Frau Kramp-Karrenbauer möchte uns alle in einen Stuhlkreis setzen und reden, reden, reden“, meint seine Begleiterin. „Und Spahn versucht, Merz in Witzig zu sein.“
Reinhard Odoj, CDU-Politiker
„Merz muss es machen“, sagt auch der Chemiker Reinhard Odoj, der 30 Jahre lang die CDU-Fraktion der Gemeinde Hürtgenwald geführt hat. „Merz ist durchsetzungsstark“, findert Odoj. „Kramp-Karrenbauer ist mir einfach zu merkelig und Spahn zu jung.“
Merz, der Grünen-Schreck
Merz bedient in Düsseldorf das Bild des schneidigen Machers: „Die Grünen müssen ihr Verhältnis zur Gewalt klären“, donnert er. Merz redet über den 70 Kilometer entfernten Hambacher Forst. Den hatte Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul für den Braunkohleverstromer RWE im September räumen lassen.
Es gab Blockaden, die Grünen verlegten einen kleinen Landesparteitag an den Rand des RWE-Tagesbaus Hambach. Und ja, vereinzelt kippten Waldbesetzer Fäkalien aus großer Höhe in Richtung Polizei. Für getroffene Beamte ist das sicher erniedrigend und eklig. Aber: Was haben die Grünen damit zu tun?
Merz, der versprochen hat, die AfD zu „halbieren“, scheint den politischen Hauptgegner weniger in den Rechtsnationalisten als in den erstarkten Grünen zu sehen. Die liegen in aktuellen Umfragen irgendwo zwischen 22 und 23 Prozent – ziemlich nah an der Union. Die Grünen vor der CDU – ein Alptraum für jeden Christdemokraten.
Merz, der Emissions-Mathematiker
Klimaschutz und Kohleausstieg, so Merz in Düsseldorf, „das können wir nicht so einfach machen wie die Grünen – wir haben eine größere soziale Verantwortung“. Zwar bekennt er leicht widerstrebend, die „Verpflichtung zum Klimaschutz“ und die Arbeitsplätze „miteinander verbinden“ zu wollen – doch seine Vorstellung geht so: Jedes Jahr stiegen die Emissionen Chinas stärker als die rund 900 Millionen Tonnen CO2, die Deutschland insgesamt ausstoße.
Ein schnelles Ende der Braunkohle könne also „vielleicht unsere Seele streicheln und unser Gemüt beruhigen“ – ändere aber am Klimawandel „relativ wenig“. Ohne Grundlaststrom aus Braunkohle keine Aluminiumindustrie in Nordrhein-Westfalen, erklärt der Kandidat dann. „Die können sich keine Zehntelsekunde Stromunterbrechung leisten – dann sind die Anlagen zerstört.“ Dass Aluminiumhütten, die so viel Strom verbrauchen wie eine Großstadt, schon heute minutenweise abgeschaltet werden können, ist Merz kein Wort wert. Details, die das griffige Bild stören, sind nicht so wichtig.
Migrantinnen und Migranten, besonders Muslime, machen in Merz’ Reden dagegen vor allem – Probleme: „Es gibt kein Scharia-Recht auf deutschem Boden“, ruft er in Düsseldorf. Doch Merz’ flotte Behauptung, Deutschland sei „das einzige Land der Welt mit einem Individualrecht auf Asyl“, ist falsch. Das existiert in vielen Ländern. Das deutsche Asylrecht muss auch keineswegs beseitigt werden, wenn man eine gemeinsame europäische Lösung will. All das kann man auch wissen, wenn man kein Jurist ist, so wie Merz.
Ein Zuspitzer, der in Schlagzeilen spricht
Merz konnte schon immer zuspitzen, und hatte stets knallige Formeln zur Hand. Er forderte eine allgemein akzeptierte deutsche Leitkultur, skizzierte eine Steuererklärung, die auf einen Bierdeckel passt. Doch welche Ausnahmen im Steuerrecht fallen, welche bleiben sollten, blieb unklar.
Den Widerstand gegen Stuttgart21 verglich er mal mit der reaktionären Tea-Party-Bewegung. Er ist ein Mann der Überschriften. Die Details, eine Stärke der Kanzlerin, sind nicht das Feld, auf dem er glänzt. Was Merkel oft im Übermaß hat – das Abwägende, Abwartende, Taktierende –, hat Merz zu wenig. Merz, so ein Weggefährte, „kann zuhören, aber er hört meist nur das, was er schon weiß“.
Sein Image blieb trotzdem stark: Forsch, eloquent, durchsetzungsstark, effektiv. Und es ist erstaunlich haltbar. Vor fast fünfzehn Jahren verlor er seinen Job als Chef der Unionsfraktion, den er nur zweieinhalb Jahre innehatte. Doch diese knappe Zeit begründete den wetterfesten Ruf, ein entschlossener Macher zu sein, der nun die kriselnde Partei retten kann.
Was war damals so besonders herausragend an Merz? War er eine Leuchtfigur? Oder ist da viel milde, weichgezeichnete, retrospektive Verklärung im Spiel?
Friedrich Merz war als Oppositionsführer im Bundestag. Er gab damals Schröder & Fischer Kontra, als Redner begabt, in Talkshows schlagfertig. Doch der Blick von innen auf den Fraktionschef, der im Februar 2000 Wolfgang Schäuble abgelöst hatte, fällt etwas anders aus. Einer Studie von 2005 zufolge, die auf Interviews mit Unionspolitikern basiert, galt Merz vielen als stur, dogmatisch und eitel.
Merz, der Mann mit früher Karriere
Vor 18 Jahren war Merz ein Senkrechtstarter. Fraktionschef, erst 44, knappe sechs Jahre im Bundestag. Seine Blitzkarriere war nur in diesem Moment möglich: Die Union hatte nach 16 Jahren die Macht verloren, die Spendenaffäre erzeugte einen Sog, in dem fast alle verschwanden, die sich als Kohl-Nachfolger sahen. Plötzlich öffnete sich die Tür für zwei unbelastete Jüngere: Angela Merkel und Friedrich Merz.
Unionspolitiker erinnern sich zwar noch an Merz als Fraktionschef, möchten aber nicht namentlich zitiert werden. Im Nachhinein recht zu haben oder alte Rechnungen zu begleichen wirkt schnell wie ein Nachtreten.
Als ganz so finster wie in der Studie beschrieben galt der damalige Fraktionsvorsitzende wohl doch nicht. Der ehrgeizige Chef war, so ein langjähriger Parteifreund, immer geradeheraus und nie hintenherum – in der Union keine Selbstverständlichkeit. Auch Merz’ Freundlichkeit wird lobend erwähnt.
Mit seinen Führungsqualitäten war es allerdings nicht zum Besten bestellt: Der schneidige CDU-Mann gebe zwar immer gern und klar die Richtung vor. Er führe selbstverständlich, so ein Altchristdemokrat, aber er schaue nicht immer, ob der Tross auch noch folgt.
Legende der kaltblütigen Merkel-Intrige
Diese flotte Art bescherte dem ambitionierten Fraktionschef einen rabenschwarzen Freitag. Der 14. Juli 2000 sollte Merz’ ersten Sieg gegen die angeschlagene rot-grüne Regierung markieren. Oskar Lafontaine war als Finanzminister zurückgetreten, der Kosovokrieg hatte die Grünen derangiert, die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat war auch weg. Die SPD setzte auf Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen. Der Spitzensteuersatz sollte auf 42 Prozent sinken.
Der Union, angeführt von dem Wirtschaftsliberalen Friedrich Merz, ging das längst nicht weit genug. Vor allem aber sollte das Nein der Unions-Mehrheit im Bundesrat zeigen, dass Rot-Grün am Ende war, abhängig vom Wohlwollen der Union. Auch Merkel, gerade ein paar Monate CDU-Chefin, sah diese Chance, trat intern aber auf die Bremse. Merz nicht. Am Freitag war das Debakel für ihn perfekt: Finanzielle Angebote von Kanzler Schröder stimmten fünf Nein-Länder mit CDU-Regierungsbeteiligung um – sie sprengten die Ablehnungsfront.Eine Blamage.
Auch die von Merz oft kolportierte Legende, dass er 2002 das Opfer einer kaltblütigen Intrige von Merkel wurde, stimmt so nicht. Beide rangelten von Beginn um die Führungsposition – und nahmen sich in diesem Machtkampf nichts. Beim Kampf um die Kanzlerkandidatur unterstützte Merz Stoiber – gegen Merkel. Die fügte sich geschickt in ihre Niederlage und arbeitete geduldig daran, Merz wenigstens den Job als Fraktionschef abzunehmen.
Allerdings: Vor der Wahl 2002 gingen sowieso fast alle davon aus, dass Stoiber Kanzler und Merz Finanzminister werden würde – und Merkel als Fraktionschefin machtpolitisch in der zweiten Reihe landen würde.
Es kam bekanntlich anders. Schwarz-Gelb fehlten 500.000 Stimmen. Merkel wurde als Partei- und Fraktionschefin das neue Machtzentrum. Merz nahm das sehr übel.
Merz und die Kanzlerin
Man wird sehen, was sein treuherziges Bekenntnis, als CDU-Chef harmonisch mit der Kanzlerin zusammenzuarbeiten, heute wert ist, falls Merz tatsächlich auf dem CDU-Parteitag am nächsten Wochenende zum neuen Parteichef gewählt wird.
Michael Spreng, damals Stoiber-Berater, urteilte schon vor zehn Jahren kühl: Merz’ schlecht verheilte Niederlage sei die „exemplarische Geschichte eines talentierten, aber überheblichen und eitlen Mannes, der eine listige, zielstrebige und uneitle Frau unterschätzte“. Und CSU-Chef Horst Seehofer, der sich auf diesem Gebiet auskennt, bescheinigte Merz damals schlicht „eine schwierige Persönlichkeitsstruktur“.
Merz weiß, dass er diesen Ruf hat. Der 62-Jährige versucht jetzt, sich als gereift zu präsentieren. „Ich war damals impulsiver als heute und, wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, manchmal auch rechthaberisch“, gab er in einem Interview zu Protokoll. Dieser zarte und seltene Anflug von Selbstkritik soll sein Image aufmöbeln.
Das ist nötig. Ob die CDU-Delegierten in Hamburg Merz zutrauen, wirklich konstruktiv mit Merkel zusammenzuarbeiten, kann entscheidend für seine Chancen sein. Falls es zwischen Merkel und Merz so knallt wie früher, rücken Neuwahlen näher. Und darauf haben die Delegierten, mit Blick auf die bescheidenen Umfragen, eher keine Lust.
Merz und das Geld
Forsch, eloquent, angriffslustig ist Merz, wenn es um andere, um seine Gegner geht. Als er am 7. November vor einer Sitzung des Landesvorstands der NRW-CDU auf die Durchsuchung des Finanz-Großinvestors Blackrock wegen des Verdachts auf Kapitalertragsteuer-Betrug angesprochen wird, verspannt er sich sichtbar: Merz ist Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Ablegers dieser größten Fondsgesellschaft der Welt.
Blackrock verwaltet 6,4 Billionen Dollar. Die Firma hält Anteile an allen Dax-Konzernen, hat allein so 59 Milliarden Euro investiert. Erst im Juli hat Blackrock seinen Anteil an RWE leicht aufgestockt – an dem Braunkohleverstromer, dessen Interessen Merz so wortreich verteidigt.
Mit Blackrocks möglichem Steuerbetrug aber könne er gar nichts zu tun haben, versichert der Wirtschaftsanwalt. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beträfen „den Zeitraum 2007 bis 2011“, und oberster Kontrolleur von Blackrock Deutschland sei er erst seit 2016.
Im Thema ist Merz allerdings auf jeden Fall: Er sitzt auch im Aufsichtsrat der Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkaus, die laut Abschlussbericht eines Bundestagsuntersuchungsausschusses in sogenannte Cum-Ex-Geschäfte um Kapitalertragsteuer-Betrug verwickelt ist. Und die Anwaltskanzlei Mayer Brown, für die er ebenfalls arbeitet, wirbt auf ihrer Website um Kunden, die „wachsende Rechtsrisiken aus Cum-Ex-Geschäften“ fürchten.
Seine Heimat repräsentiert soliden Mittelstand
Kabarettreif war das Kunststück des Vermögensmillionärs, sich im Bild-Interview zur „gehobenen Mittelschicht“ zu zählen. Allein seine beiden Flugzeuge, deren Kennzeichen beide auf FM wie Friedrich Merz enden, haben einen Neupreis von zusammen etwa 4 Millionen Euro. Das Median-Vermögen, also die exakte Mitte zwischen Überschuldeten und den zusammen etwa 30 Milliarden schweren Erben der Familie Albrecht und anderen, liegt in Deutschland bei 31.000 Euro, so das Forschungsinstitut der Schweizer Bank Credit Suisse.
Wer Merz’ Ideenwelt verstehen will, muss ins sauerländische Arnsberg fahren. Hier ist seine Frau Charlotte Amtsgerichtsdirektorin, hier lebt er im Ortsteil Niedereimer, hier hält er beim Ausfall des Bürgermeisters beim Schützenfest auch schon mal spontan das Grußwort.
Ein Villenviertel ist Niedereimer nicht: Manche Häuser repräsentieren tatsächlich soliden Mittelstand, andere wirken kleinbürgerlich. Am Ortsrand bietet der Gasthof „Zum grünen Haus“ Bratkartoffeln für 6 Euro oder Wildschweingulasch für 18 Euro 50.
Das knapp 1.900 Einwohner zählende Niedereimer ist typisch für Arnsberg: Insgesamt leben hier knapp 74.000 Menschen – doch die 15 oft dörflich wirkenden Stadtteile ziehen sich wie an einer Kette kilometerlang durch das obere Ruhrtal. Über der Altstadt thront das Gebäude der Bezirksregierung, in Neheim dominierte dagegen lange die Leuchtenindustrie. Deshalb ist das katholische Arnsberg auch nicht tiefschwarz: Der im Februar gewählte neue Bürgermeister Ralf Paul Bittner ist SPD-Mitglied.
Merz, der Mann aus Niedereimer
Bittners Stellvertreter Peter Blume ist einer der wenigen Christdemokraten, der über Friedrich Merz redet und sich danach zitieren lässt. Er sei „Anhänger von Angela Merkel“, sagt der Vorsitzende des Arnsberger CDU-Stadtverbands. Deshalb sei ihm „Frau Kramp-Karrenbauer ausgesprochen sympathisch“, sagt der Bauingenieur, der in seiner 17 Mann starken Baufirma einen Geflüchteten aus Eritrea beschäftigt.
Andererseits: Angesichts des Niedergangs der Volksparteien würde ein Mann mit „Konturen“ wie Friedrich Merz für Profilierung sorgen – und so nicht nur der CDU, sondern auch der SPD guttun, glaubt der 56-Jährige. „Die AfD dagegen wird Schwierigkeiten bekommen, und die FDP natürlich“, hofft Blume.
Peter Blume, CDU-olitiker
Und natürlich ist der Arnsberger CDU-Chef stolz, einen solchen Mann mit „wahnsinnig schneller Auffassungsgabe“ an Bord zu haben: Im Hochsauerland hat ein CDU-Kreisparteitag Merz nicht nur einstimmig als Kandidat für den Bundesvorsitz nominiert. Merz darf auch als Delegierter zum Hamburger Bundesparteitag reisen und sich also selbst wählen.
Blackrock, kein Thema bei der Basis
Zu Blackrock und Merz’ Aufsichtsratsmandaten sagt Blume dagegen: „Hier vor Ort ist das kein Thema.“ Im Sauerland, wo der Spruch „Glaube, Sitte, Heimat“ in jeder Schützenhalle prangt, ist Loyalität extrem wichtig. Auch bei den Regionalkonferenzen spielte Merz’ Verquickung mit der Finanzindustrie erstaunlicherweise keine Rolle.
Für linke Politologen und Publizisten wie Peter Grottian und Werner Rügemer ist Blackrock dagegen das Herz der Finsternis des internationalen Finanzkapitalismus. Laut Rügemer verfügt der Konzern über ein dichtes Netz von Briefkastenfirmen, handelt munter auf unregulierten Märkten. Riskante Blackrock-Finanzdeals waren eine Ursache der Finanzkrise 2008.
Und natürlich ist die Firma an deutschen Immobilienkonzernen beteiligt. Blackrock hat enormen Einfluss. Ein führender Ex-Blackrock-Mann als Bundeskanzler – das hätte mehr als nur einen Beigeschmack. Auch wenn Merz seine mannigfachen Wirtschaftsjobs natürlich als CDU-Chef aufgeben will.
Dabei wäre ein CDU-Vorsitzender Merz nicht der Erste, der von der Wirtschaft in die Politik gewechselt ist. Kurt Biedenkopf verließ 1973 den Vorstand des Henkel-Konzerns und wurde CDU-Generalsekretär. Jetzt hat Biedenkopf Merz aufgefordert, seine Aufsichtsratsposten schon vor dem Parteitag ruhen zu lassen. Merz sieht dazu keine Veranlassung.
Aber wie wahrscheinlich ist es, dass Merz seine Rollen als Wirtschaftslobbyist und Spitzenpolitiker wirklich nicht trennscharf auseinanderhalten könnte? Ist das nicht bloß linke Verdachtsrhetorik? Nicht ganz.
„Studienabbrecher-Parlament“
Merz will, so erklärte er in der Welt am Sonntag, mit steuerlichen Anreizen dafür sorgen, dass mehr Aktien für die Rente gekauft werden. „Arbeitnehmer müssen stärker an den Kapitalmärkten beteiligt werden“, sagte er. In der Finanzindustrie dürften Merz’ Idee, Aktienkäufe attraktiver zu machen, auf Beifall stoßen.
Als Bundestagsabgeordneter saß Merz schon 2006 in acht Aufsichts- und Verwaltungsräten und arbeitete zusätzlich als Anwalt. Das Manager Magazin schätzte seine Nebeneinkünfte damals auf 250.000 Euro im Jahr.
Parlamentarier müssen angeben, für welche Unternehmen sie arbeiten und wie viel Geld sie dort in etwa verdienen. Für Merz war das entschieden zu viel Transparenz. Er klagte dagegen in Karlsruhe und schoss einmal mehr scharf: Wenn Abgeordnete offenlegen müssten, für welche Unternehmen sie arbeiten, werde der Bundestag zum „Studienabbrecher-Parlament“.
Dass die Vermischung von Wirtschaftsinteressen und Politik problematisch sein könnte, das kommt in Merz’ Weltbild nicht vor. Oder nur als Einbildung von linken Studienabbrechern, die von Geld keine Ahnung haben.
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