Bundesaußenministerin Baerbock: Zwischen allen Stühlen
Die neue Außenministerin muss gleich mehrere Hürden zum Amtsantritt nehmen. EU-interne und globale Konflikte warten auf Annalena Baerbock.
A nnalena Baerbock ist um ihr neues Amt nicht zu beneiden. Als grüne Außenministerin hat sie sich den Kampf gegen die Klimakrise auf die Fahnen geschrieben. Eine aktive Klimadiplomatie soll ihr Markenzeichen werden. Doch nun muss sie sich zuerst mit Krieg und Frieden beschäftigen. Die gefährlichen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben schon Baerbocks Antrittsbesuche in Paris, Brüssel und Warschau überschattet.
Sie stehen auch beim Treffen der EU-Außenminister am kommenden Montag auf der Tagesordnung. Auf Baerbock wartet ein Realitätsschock. Die Lage ist nämlich völlig anders als erwartet. Mit „Dialog und Härte“ wolle sie agieren, kündigte Baerbock im taz-Interview an. Das klang, als werde sie einen harten Kurs gegen Russland fahren – mit Wirtschafts-Sanktionen und einem Stopp der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Doch Sanktionen sind im Moment gar nicht das Thema.
Sie waren vor allem zur Abschreckung gedacht, um Russland von einem möglichen Einmarsch in die Ukraine abzuhalten. Aktuell spricht jedoch wenig dafür, dass Kremlchef Wladimir Putin tatsächlich eine Invasion plant. Nach neuen westlichen Geheimdienst-Erkenntnissen will Putin mit seinem Militäraufmarsch vor allem eine Drohkulisse aufbauen, um Zugeständnisse bei der Nato-Osterweiterung zu bewirken. Es geht nicht um Krieg in der Ukraine, sondern um eine neue Friedensordnung für Europa.
Die große Frage ist nun, ob diese Friedensordnung über die Köpfe der Europäer hinweg entwickelt wird – oder mit ihnen. US-Präsident Joe Biden will sich seine Partner offenbar selbst aussuchen. Über das Schicksal Europas soll ein „Nato-Quintett“ entscheiden, nicht die EU. Kleineren EU-Staaten wie Polen oder den baltischen Ländern kann dies nicht passen.
Denn sie wären in diesem neuen Quintett der Großmächte nicht vertreten – nur mit Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien will Biden zusammenarbeiten, der Rest soll draußen bleiben. Für Baerbock wird es nun ungemütlich. Im Wahlkampf hat sie sich als überzeugte Transatlantikerin präsentiert und die Nähe zu den USA und der Nato gesucht. Im Koalitionsvertrag hat sie sich zur „europäischen Souveränität“ und zur engen Abstimmung mit den EU-Partnern verpflichtet.
Nun sitzt sie zwischen allen Stühlen – den selbstherrlich agierenden Amerikanern, den bedrohlichen Russen und den frustrierten Europäern, die in der Ukraine-Krise an den Katzentisch verbannt worden sind. Und Kanzler Olaf Scholz macht ihr auch noch Konkurrenz in der Außenpolitik. Nein, um ihr neues Amt ist sie wahrlich nicht zu beneiden.
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