Bund-Länder-Gipfel zu Migration: Auf fruchtbaren Boden
Die rechte Propaganda zeigt Wirkung auch auf den Mainstream und die Ampel. Für Menschen in Not sind das keine guten Vorzeichen.
Z u den Charakterzügen von CDU-Chef Friedrich Merz gehört es bekanntermaßen, schnell beleidigt zu sein und das dann auch lange zu bleiben. Sein Verhalten nach der Bund-Länder-Konferenz (MPK) im Kanzleramt Montagnacht erklärt das aber nur zum Teil. Bei Pilzpfanne, Gulasch und Rotkohl berieten die Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz über das wohl heißeste Thema dieser Tage: die Migration – oder besser: Wie die unerwünschten Formen der Migration einzudämmen sind.
Merz hatte schon vor Monaten erklärt, dies sei „das größte Problem“ im Lande, und alle nickten fleißig. Merz, der Staatsmann, bot Scholz damals verantwortungsschwer an, bei dessen „Deutschlandpakt“ mitzuarbeiten, wenn es dabei auch gegen die Migration gehe. Seither aber verabschiedete die Ampel nur selbstgemachte Asylrechtsverschärfungen.
Bei der Bund-Länder-Runde sollte es nun um Reformen gehen, die auch die Unionsländer mittragen. Merz ist kein Ministerpräsident und war nicht dabei. Trotzdem setzten sich die Unions-Regierungschefs mit einigen Forderungen durch. Es soll nun doch keinen Familiennachzug für subsidiär schutzbedürftige Bürgerkriegsflüchtlinge geben und 3 Jahre statt bisher 18 Monate lang nur eingeschränkte Sozial- und Gesundheitsleistungen für Asylsuchende.
Echt sauer auf Scholz
Merz, der kürzlich sogar von Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner gerüffelt wurde, weil er sich über Zahnbehandlungen für Flüchtlinge aufregte, müsste das gefallen haben. Tatsächlich war er so wütend, dass er nicht mehr mit Scholz reden wollte. Zu viel, so fand er wohl, war in Sachen Flüchtlingsabwehr an ihm vorbeigelaufen. „Damit ist das Thema Deutschlandpakt zum Thema Migration aus meiner Sicht erledigt“, sagte er beleidigt.
Dass Merz’ Geltungsdrang es nicht verträgt, wenn Scholz MPK-Beschlüsse, bei denen er selbst nicht mitgeredet hatte, als „historisch“ verkauft, ist eine Sache. Eine andere ist, dass die Union das Migrationsthema zu immer größerer Dramatik hochkocht, um das angebliche Versagen der Ampel als umso existenzieller hinstellen zu können. Gleichzeitig will man sich nicht dafür verantwortlich machen lassen müssen, wenn es doch nicht läuft.
„Am Ende werden wir für einen Deutschlandpakt Migration mitverhaftet, weil wir Regeln mittragen, die aus unserer Sicht nicht ausreichen – und die die Zahlen im Frühjahr 2024 eben nicht wirklich nach unten bringen“, sagte ein CDU-Bundesvorstandsmitglied der dpa. Im Frühjahr 2024 sind EU-Wahlen. Das ist die strategische Seite von Merz’ Bockigkeit.
Wie sehr der Kampf gegen die Migration, die das Land ja eigentlich dringend bräuchte, von rechts aufgeladen wird, zeigt auch die Wortwahl der Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast: „Merz verabschiedet sich vom nationalen Konsens. Er will keine Verantwortung für Deutschland übernehmen.“ Abschottung als „nationaler Konsens“ und Merz als Windei, das in der Stunde der Not dem Vaterland nicht zu Seite steht – mit solchen Sozialdemokraten braucht es keine Rechtspopulisten mehr.
Allenfalls jedeR Vierte
Natürlich reicht das, was die Ampel tut, um die Flüchtlinge draußen zu halten, der Union grundsätzlich nie. Also geht es immer weiter mit den Verschärfungen. Und die FDP macht mit. So forderte der schleswig-holsteinische FDP-Abgeordnete Maximilian Mordhorst ein politisches Betätigungsverbot für Nicht-EU-Ausländer. „Kein Wahlrecht, keine Mitbestimmung in Parteien oder anderen Gremien, keine Versammlungsfreiheit.“
Und schon am Morgen nach der MPK forderte Bundestags-Vize Wolfgang Kubicki, dass „ein Viertel einer Stadt nicht mehr als 25 Prozent Migrantenanteil haben darf, damit keine Parallelgesellschaften entstehen“. Der offenkundig unerfüllbare Vorstoß wird ohne Folgen bleiben – anders als der von der MPK an den Bund ergangene Auftrag zu prüfen, ob Asylverfahren in Drittstaaten möglich sind.
In Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen ist dies aufmerksam registriert worden. Die dänische Regierung war 2020 die erste, die mit dem Diplomaten Anders Tang Friborg einen „Migrationsbotschafter“ ernannt hatte. Seine Aufgabe: Ein afrikanisches Land finden, in das Dänemark alle Ankommenden Asylsuchenden bringen darf. Er antichambrierte unter anderem in Libyen, Ruanda, Tunesien, Marokko, Ägypten und Sudan – fast durchgängig Länder mit katastrophaler Menschenrechtsbilanz.
Friborg blitzte letztlich überall ab. Österreich und die Schweiz haben zwischenzeitlich signalisiert, dass auch sie dabei wären. Und Friborgs deutscher Amtskollege, der „Migrationsbeaufragte“ der Ampel, Joachim Stamp, machte schon früh klar, dass er die Verlegung von Asylverfahren nach Afrika prüfen will. Da verhandelt Friedrich Merz sicher gern mit.
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