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Boris Pistorius in den USANeue Waffen will das Land

Deutschland fragt die USA nach dem Abschusssystem für weitreichende Tomahawk-Marschflugkörper. Die Waffengattung hat schon mal für Diskussionen gesorgt.

Einst für Nuklearwaffen entwickelt, bald aber vielleicht auch im Deutsch Arsenal zu finden: die Tomahawk Cruise Missile Foto: piemags/imago

Berlin taz | Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) brachte seinem US-Amtskollegen gleich mehrere Gastgeschenke nach Washington mit. Da war einmal das Bierglas, mit dem der SPD-Politiker am Montag Pete Hegseth die Aufwartung machte. Der Humpen aus dem bayerischen Grafenwöhr sollte den US-Verteidigungsminister wohl an seine Verbundenheit mit Deutschland erinnern – hier war Hegseth neben seinen Kampfeinsätzen im Irak und in Afghanistan kurzzeitig stationiert. Außerdem hatte Pistorius zwei milliardenschwere Ankündigungen für die US-Verteidigungsindustrie im Gepäck.

Einmal war da die bereits vor dem Besuch geäußerte Bereitschaft Pistorius’, dass Deutschland dafür bezahlen würde, zwei Patriot-Luftabwehrsysteme im Wert von etwa 2 Milliarden Euro aus den USA an die Ukraine zu liefern. Bei der Umsetzung gebe es noch letzte technische und auch finanzielle Details, die zu klären seien, sagte Pistorius im Anschluss an das Treffen mit Hegseth. Diese Frage erschien jedoch für beide Seiten lösbar, weshalb „leise und schnell“ an die Arbeit gegangen werden solle.

Später lancierte Pistorius in der ARD noch einen Appell an die Nato-Partner, den Waffeneinkauf für die Ukraine mitzufinanzieren. „Hier müssen alle gewissermaßen ihre Portemonnaies öffnen“, sagte Pistorius den „Tagesthemen“. „Es geht darum, schnell die Summen zusammenzukriegen, die zunächst vor allem gebraucht werden für die Luftverteidigung.“

Russland überzieht die Ukraine nach Angaben aus dem deutschen Verteidigungsministerium derzeit verstärkt mit flächendeckenden Luftangriffen. Pistorius sprach von 500 Flugkörpern pro Nacht, mit denen Russland die Ukraine angreife. „Also sind jetzt alle gefordert, hier Farbe zu bekennen“, sagte er.

Auch in einer weiteren Frage, die vergangenen Sommer für innenpolitische Diskussionen in Deutschland gesorgt hatte, wurde Pistorius bei den USA vorstellig. Der deutsche Verteidigungsminister kündigte an, dass Deutschland von den USA die Beschaffung von Abschussrampen für Tomahawk-Marschflugkörper erfragt habe. Bei diesem Startsystem des Typs Typhon handele es sich um eine Vorrichtung zur Verwendung unterschiedlicher Lenkflugkörper. „Die Reichweite dieser Waffensysteme ist deutlich größer als das, was wir bislang in Europa haben“, sagte Pistorius.

Bereits 2024 hatten der damaligen US-Präsident Biden und Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz vereinbart, dass die USA ab 2026 mehrere weitreichende landgestützte Waffensysteme zunächst temporär, schließlich dauerhaft in Deutschland stationieren sollen. Auch damals war die Rede vom Tomahawk-Marschflugkörper, der über eine Reichweite von mehr als 1.650 Kilometern verfügen soll. Für Diskussionen sorgte dabei die Frage, ob der Bundestag einer solchen Stationierung in Deutschland zustimmen müsste und wer für die Logistik sowie Infrastruktur der US-Waffen in Deutschland aufkommen müsste.

Pistorius bezeichnete die Frage nach der Abschussrampe, die neben dem Tomahawk-Marschflugkörper auch für die weitreichende Standard Missile 6 der USA verwendet werden kann, als ein Bemühen um eine „Brückentechnologie“. Die US-Systeme könnten laut Pistorius eingesetzt werden, bis Europa in „7 bis 10 Jahren“ eigene weitreichende Waffensysteme entwickelt habe. Der Verteidigungsminister betonte jedoch, dass mit dem Ersuchen noch längst kein Kaufvertrag unterschrieben sei.

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17 Kommentare

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  • Um schnell eine breite Verteidigungsbereitschaft herzustellen und das auch im Rahmen finanzierbar zu halten, wäre eine Festlegung auf "Weniger" Waffensysteme effektiver. Taurus, Tomahawk, Patriots usw verschlingen Unsummen von Geld, sind aber nicht überall sinnvoll. Ein Baukastensystem wäre von Vorteil. Auch in der Breite. Für alle Bereiche und Länder übergreifend. Egal ob Minidrohne oder Marschflugkörper.

  • Bedeutet die Aussage über die 7 -10 Jahre notwendiger Lieferungen aus den USA, dass auch dieser Krieg mindestens so lange weitergehen wird?



    Weitere Jahre, in denen man Raketen und Drohnen abfängt und in Angst lebt?



    Laut Militäranalysten verändern selbst Angriffe auf das Hinterland Rusdlands nicht grundlegend das Geschehen an der Front, abgesehen davon, dass Russland sicher auch darauf wieder eine Antwort findet.



    Offensichtlich fehlt mir für diese Strategie das Verständnis.



    Was bliebe übrig von der Ukraine und vorallem von ihrer Bevölkerung, wenn das unser Plan ist?

    • @Mark Menke:

      Das Eine sind die Patriots, die der Ukraine zur Verfügung gestellt werden sollten, damit die massiven Angriffe Putins so wenig Opfer wie möglich treffen.



      Das Typhoon System soll zur Verteidigung Deutschlands dienen.



      Der kalte Krieg ist vorbei - wir haben einen heißen Krieg in Europa.



      Es soll ein Abschreckungspotential geschaffen werden und/oder auch ganz praktisch Waffen verfügbar sein, die unsere Bündnispartner und uns Selbst, verteidigen können. Die Möglichkeit des Angriffs Putins auf Westeuropa ist ja keine bloße Theorie, wie angesichts täglicher Cyber-Attacken und der Zerstörung von Datenkabeln in der Ostsee deutlich wurde.



      Was die 7-10 Jahre betrifft, so geht es um die europäische Entwicklung von eigenen Waffensystemen, um in dieser Frage ein wenig Unabhängigkeit von den USA zu gewinnen.

  • "bis Europa in „7 bis 10 Jahren“ eigene weitreichende Waffensysteme entwickelt habe."



    Offensichtlich sieht die derzeitige Führung keinen Widerspruch zwischen "weitreichend" und essentiellen grundsätzlichen Erfordernissen zur Landesverteidigung, die ausgesprochene und begründete Reichweitenbeschränkung für Systeme, die der Ukraine zur Verfügung gestellt werden können -wie Taurus- sieht sie offenbar nicht als widersprüchlich.



    Mit dem Zirkel kann man Ziele "einkreisen".



    Die Strategie dahinter ist interessant, wenn Waffensysteme zu entwickeln, zu erwerben oder zu stationieren geplant ist.



    Vielleicht darf und sollte die Zivilbevölkerung hier mehr detaillierte Aufklärung verlangen.

    • @Martin Rees:

      Das derzeitige Bedrohungspotential geht von Putin aus, nicht von einem unserer Nachbarländer.



      Die Situation in der Ukraine ist eine Andere.



      Bei der Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr geht es natürlich auch darum, dem potentiellen Gegner Waffensysteme entgegen zu halten, die Ihm schaden könnten. So funktioniert Abschreckung. Im Ernstfall sollten Waffensysteme über Polen und die Ukraine hinaus wirksam sein.

      • @Philippo1000:

        Zu exorbitant demonstrativ oder unterkomplex reagierenden, risikofreudigen Akteuren und solchen mit vermeintlich situativ verringerter Zurechnungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, was der jetzigen Situation schon irgendwie nahe kommt, zumindest neuerdings auch wieder auf der anderen Seite des großen Teiches:



        kops.uni-konstanz....b82228b79a/content



        /



        Die Evidenz für die Wirksamkeit der Abschreckung ist im Konflikt um Kaschmir ernsthaft ein Thema als Dauerbrenner an der Schnittstelle von Atommächten: Wetten auf positive Wirkungen würde ich nicht eingehen, schon wegen der Fragen um das Wasser (als Quelle des Lebens) der großen Ströme und der ethnosoziologischen Differenzen nicht.

  • Haben jetzt unsere Minster alle von uns einen Freibrief - oder was ist da los ?



    www.mehr-demokratie.de

  • Ich würde gerne mal die Materialkosten einer Patriot-Battarie sehen.



    Was zur Hölle kostet denn da 1 Milliarde Euro? Das bisschen Blech und der LKW?

    Auch wenn die Software Unsummen kosten würde: Sind die Einkäufer in Koblenz alle blind?

    • @Dirk Osygus:

      Das bisschen Blech kostet ein paar Euro. Der Rest ist der Aufschlag den eben jene Staaten zu zahlen haben, die sowas selbst nicht bauen können.

    • @Dirk Osygus:

      In der Zeit, in der sie den Beitrag geschrieben haben, hätten sie auch z.b. auf Wikipedia nachschauen können. 1 Millarde ist noch eher günstig.



      Das Blech und der LKW liegen um die 10mio. Fast ebensoviel kostet EINE Rakete. Das System insgesamt besteht aus mehreren LKWs, Radaranlagen usw... Ohne Raketen um die 400Mio, mit Raketen dann auch mal 3.5 Millarden, wie fuer die Türkei 2018 genehmigt.



      de.m.wikipedia.org/wiki/MIM-104_Patriot

  • War nicht das Ziel, sich von den USA unabhängiger zu machen?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Europa arbeitet an eigenen Raketen aber braucht halt Zeit.

      • @Machiavelli:

        Und diese Zeit muss uns die Bevölkerung der Ukraine geben?

        • @Mark Menke:

          Jeder tote Russische Soldat kauft Europa Zeit.

  • Ballistische Raketen haben eine begrenzte Wirkung wenn man nur eine begrenzte Anzahl hat, Tomahawks machen durchaus Sinn für Deutschland um im Kriegsfall bspw. das russische Energienetz zu zerstören wo es für die Rüstungsindustrie relevant ist. Aber man muss ein konstantes Feuer aufrechterhalten d.h. Deutschland muss 100% der Tomahawk Produktion in Deutschland haben mit Kapazitäten von mind. 100-300 Stück im Ernstfall. Das gilt für alle Waffensysteme im Kriegsfall müssen 100% der Munition und Ersatzteile in Deutschland/EU produziert werden.

    • @Machiavelli:

      ^"mind. 100-300 Stück im Ernstfall. " pro Monat.

    • @Machiavelli:

      Wenn Waffensysteme dieser Art Sinn machen sollen, dann muss man sie selbst produzieren. Sollte der Erfinder der Technik ja hinbekommen.