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Boom bei FleischersatzproduktenSchön viel Schweinfrei

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Die Erzeugung von Fleischersatzprodukten ist 2023 stark gestiegen. Bauern sollten sich anpassen!

Besonders gut scharf angebraten: Fleischersatz-Burger aus Erbsenprotein Foto: Michael Bihlmayer/www.imago-images.de

D as ist doch mal eine gute Nachricht: 2023 wurden in Deutschland laut Statistischem Bundesamt fast 17 Prozent mehr Fleischersatzprodukte wie vegetarische Wurst, Sojabratlinge oder Tofu als im Vorjahr erzeugt, während der Fleischkonsum weiter fiel. Unkenrufe von interessierter Seite, dass der Boom der Fleischalternativen zu Ende sei, haben sich also als falsch herausgestellt.

Der Trend hilft dem Klimaschutz. Denn fast 70 Prozent der Treibhausgas­emissionen der Landwirtschaft und rund 5 Prozent des gesamten Ausstoßes Deutschlands sind dem Umweltbundesamt zufolge direkt auf die Tierhaltung zurückzuführen. Für die Produktion von 1 Kilogramm Fleischersatz auf Sojabasis werden demnach 2,8 Kilogramm Treibhausgase ausgestoßen. Für Schweinefleisch betrage der Ausstoß 4,1, für Geflügel 4,3 und für Rindfleisch sogar 30,5 Kilo.

Dazu kommt, dass für die Produktion von Fleisch mehr Fläche in Anspruch genommen wird, was sich negativ auf die Artenvielfalt auswirkt. Ganz abgesehen von dem Leid der Tiere, die nach einem kurzen, oft qualvollen Leben getötet werden, um sie zu essen. Dass Fleischersatzprodukte automatisch teurer seien, stimmt auch nicht (mehr). Die Stiftung Warentest stellte fest: Veggie-Schnitzel der Eigenmarken etwa von Discountern sind teils billiger als die entsprechenden Fleischprodukte.

Falsch ist auch die Kritik, Fleischersatzprodukte allgemein seien ungesund. Zwar sind bei Marktchecks von Verbraucherzentralen Alternativprodukte häufig mit viel Salz und Zusatzstoffen aufgefallen. Aber das gilt lange nicht für alle dieser Lebensmittel. Pflanzliche Wurstalternativen etwa hatten im direkten Vergleich mit den Originalen weniger Gesamtfett sowie teilweise deutlich weniger gesättigte Fettsäuren, wie das staatliche Bundeszentrum für Ernährung berichtet. Und nach anfänglicher Kritik an den Rezepturen bessern viele Hersteller nach.

Die Tierhaltung muss schrumpfen

Wirtschaft und Politik sollten sich darauf einstellen, dass der Markt für Fleisch weiter schrumpft. Mehr Bauern müssen die Zahl der Tiere reduzieren – und auf die Produkte von morgen setzen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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21 Kommentare

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  • Leider hat der Autor "vergessen" auch absolute Zahlen anzugeben. Der Anteil dieser Ersatzprodukte liegt bei 1,x %.



    Aufgrund dieses wahnsinnigen Bedarfes fordert er die Bauern sollen sich anpassen.



    Nachfrage ist eine Kette an der man zieht, die kann man nicht schieben. In die deutliche Mehrheit ist zwar weniger aber immer noch Fleisch

  • Sün (d) these



    The synthetic coffee revolution: are ground date seeds really as delicious as the real thing?



    www.theguardian.co...-as-the-real-thing



    Do: read



    Don't: do



    Yummy ...

  • "Dazu kommt, dass für die Produktion von Fleisch mehr Fläche in Anspruch genommen wird, was sich negativ auf die Artenvielfalt auswirkt."

    Wenn ich eine Artenreiche Weidelandschaft für Rinder/Schafe/Ziegen nehme (teilweise sehr hohe Artenvielfalt und sehr Schützenswert) und durch eine Monokultur für z.b. Soja ersetzen würde, dann wirkt sich das ebenfalls negativ auf die Artenvielfalt aus, also vorsicht mit solch pauschalisierenden Sätzen! Bei Tierhaltung muss immer noch unterschieden werden zwischen Massentierhaltung oder kleiner Weidehaltung!

  • Das „Fleischersatz“-Wording scheint ein Problem zu sein. Nicht, dass ich was Besseres wüsste, aber vielleicht sollte man sich von der Idee verabschieden, dass Fleisch eine Zutatengruppe ist, die um ihrer selbst willen wertvoll ist oder als Tottierprodukte zusammengehört.



    Es gibt z.B. ja viele Teile von toten Tieren, die man auch in Fleischprodukten für den menschlichen Konsum nicht oder nur selten findet. Außerdem ist ein Rehrücken schon etwas ganz Anderes als Hühnerfrikassee, denn letzteres erhält den größten Teil seines Geschmacks von den anderen Zutaten und das Fleisch dient eigentlich nur als Proteinträger und bringt etwas Abwechslung in der Konsistenz.



    Daneben ist es auch problematisch, einen einfachen Tofu, Seidentofu, Seitan, Räuchertofu einerseits und vegane Bratwurst oder veganes Cordon Bleu andererseits in einen Topf zu werfen. Die klassischen asiatischen „Fleischersatzprodukte“ können wie Huhn, Schwein oder Kalb eingesetzt werden, um eine andere Konsistenz und Proteine an ein Gemüsegericht zu bringen. Sie können aber auch ganz eigene Gerichte tragen und ein eigenes Aroma beisteuern, das gerade beim Räuchertofu selbst Schinken nicht gut hergibt. Ach ja, und im Vergleich selbst zu normalem Käse sind sie nun auch nicht besonders hoch verarbeitet, um wie vieles mehr unterscheiden sie sich von veganem Käseersatz.

  • Jetzt noch die Ausbeutung auf all den Ackern abstellen und es ist wirklich ein gutes Produkt.

    • @Mr Ambivalent:

      Sie meinen sicherlich die Ausbeutung der Landwirte, da kann ich mich nur anschließen.

  • Fast alles, was der Mensch in den Industrienationen zu sich nimmt, hat Schattenseiten, für Gesundheit, Natur und ausgebeutete Menschen.



    Der Anfang von bewusstem Essen bedarf der Wertschätzung der Erzeuger/Erzeugnisse, der Mengenbalance, der Abkehr von Verschwendung/Vernichtung und nicht zuletzt der Dankbarkeit. (Naturvölker bedanken sich bei jedem Lebewesen, das sie verspeisen).



    Eine massive Reduzierung von Fleischprodukten (und dann aus artgerechter Haltung mit entsprechenden Preisen) verlagert sich sinnvoll nicht auf hochindustriell hergestellte Ersatzprodukte, eher auf wertgeschätzte pflanzliche Produkte.



    Und bei allem sollte nicht die falsche Massenerzeugung stärker gefördert werden als die natur- und artgerechte (was leider noch immer nicht geschieht).



    Und schließlich sollten Menschen nicht gezwungen sein, (aufgrund horrender Wohnkostenexplosion) ausgerechnet bei der Ernährung nach Dumpingpreisen zu verlangen.

  • Wo ich einkaufen gehe, gibt es sehr wohl hochwertige Fleischersatzprodukte und die Zutatenliszen sind darum oft sehr kurz. Klar, mensch könnte auch ohne diese Produkte auskommen, aber in manchen Situationen sind sie eine gute Alternative. Ich bin überrascht über die vielen negativen Kommentare. Immerhin sinkt der Fleischkonsum!

  • Was mich seit jeher stört ist der Begriff "Fleischersatz". Das klingt wie Ersatzreligion. Und ein Ersatz ist es im besten Fall nur wegen der Form und Farbe.

    Entweder esse ich tierische Produkte oder zaubere aus Gemüse ein leckeres Essen. Aber Nachahmungen aus dehydriertem Erbsenprotein oder anderen hochverarbeitenden Grundstoffen können bleiben wo sie wollen. Denn sowohl ökologisch als auch geschmacklich sind das nur sehr begrenzte Alternativen.

  • Fleischersatz: vernübftig



    * Eiweißlieferanten einerseits, und die müssen üüüberhaupt nicht nach "Fleisch" schmecken oder aussehen (Ei, Milch, Käse, Erbsen, Bohnen, Soja ...)



    * Gemüse kochen mit Phantasie .... Da brauchts kein Fleisch. Und wenns denn fettig und gebraten, geschmort, gebacken sein soll: geht auch mit Aubergine, Tomate, Kartoffel, ...



    * Deren wahren Eigengeschmack werden wir demnächst noch mehr genießen, weil wir uns Öl mit Charakter und Aroma (Olive...) bald nicht mehr werden leisten können ...

  • Das mit den Ersatz Produkten hab ich bus heute nucht verstanden.



    Entweder ich verzichte auf den leckeren Geschmack von Fleisch oder ich esse das Original.



    Und dann muss es immer den Namen des Fleisch und sogar Fischprodukt haben. Aber gut das ist fast so wie mit Veganer Milch nur die kann man wenigstens selbst machen.



    Lässt sich ja mit gutem Gewissen kaufen es stehen ja nur die pülverchen in der Zutatenliste, das diese Zutaten in Pulverform nicht Selten trotzdem in der Herstellung mit hilfe tierischer Produkte gewonnen wird; geschenkt.

    • @pablo:

      "Entweder ich verzichte auf den leckeren Geschmack von Fleisch oder ich esse das Original."

      Ich verstehe bis heute nicht, wie man sich für solche absichtliche Ignoranz selbst feiern kann.

      Wenn man aus ethischen Gründen auf etwas verzichtet, was man vom Geschmack her sehr mag - warum soll man sich dann nicht eine geschmackliche und meinetwegen auch optische Alternative suchen? Es geht hier ja nicht um Selbstkasteiung. Ansonsten ist es auch schlicht Interesse der Lebensmittelindustrie, der Kundschaft den "Wechsel" so leicht wie möglich zu machen.

    • @pablo:

      Was ich bis heute nicht verstehe:



      Wenn etwas aussieht wie Fleisch und schmeckt wie Fleisch, aber es muss kein Tier dafür streben (und bis dahin leiden), es wird weniger Fläche und Wasser verbraucht und weniger Treibhausgase emottiert…



      Wie muss man dann drauf sein, um trotzdem noch Fleisch zu kaufen?

      • @MichaelK:

        8 kg Fleisch im Jahr sind mir genug. Dafür leidet kein Tier, sterben muss es leider schon.



        Die Fläche, auf der es gehalten wurde, profitiert in hohem Maße davon, aber man muss sich eingehend damit beschäftigen, um es zu verstehen.



        Fleisch von hier gegen Soja und andere aus Südamerika - darüber könnte man diskutieren.

  • Wenn man sich die Zutatenliste der meisten dieser Produkte durchliest, dann kann man auch fertige Curry-Wurst für 0,99 € aus den Kühlregal essen. Junkfood bleibet Junkfood auch wenn der Müll rein pflanzlich ist.

    Hochwertig ist teuer, egal ob mit Fleisch, ovo-lakto-vegetarisch, rein vegetarisch oder religiös-vegetarisch vlg. vegan.

  • Fleischersatzprodukte sind nicht die Lösung. Sie schaffen nur neue Probleme.

    Wenn es um Klimaschutz geht, ist Freilandhaltung, regionale Produktion und Züchtung die bessere Lösung.

    Die Zahlen was die CO2-Einsparung anlangt, die die Vegan-Lobby verbreitet, sind allesamt veraltet und zu optimistisch. Damit kompensiert man nicht die Flugreise nach Mallorca. abgesehen von den hochproblematischen Ersatzstoffen und der Produktionsweise von Fleischersatz, die das Protein vollkommen danaturiert, um es dann wieder zusammenzubauen.

    Wir sind da schon sehr nahe bei Soylent Green.

    • @rakader:

      Nur dass Soylent Green ein Gemüseersatz aus (sehr spezifischem) Fleisch ist ...

      • @Tetra Mint:

        Ja klar - nicht spoilern. Noch ekliger

  • Das ist doch mal wieder typisch: Selbst in der verlinkten Originalquelle steht für die Fleischersatzprodukte ein Angabe in Tonnen:



    Rund 121 600 Tonnen Fleischersatzprodukte wurden 2023 produziert, im Jahr zuvor waren es noch 104 300 Tonnen.



    ABER für die Fleischprodukte steht da keine Menge!

    Wenn in einer Stadt 2022 ein Mensch ermordet wurde und in 2023 zwei Menschen, dann titelt die BLÖD-Zeitung auch gern: 100% mehr Morde!

  • Wie hat sich die Fleisch"produktion" entwickelt und für welche Absatzmärkte?

  • Die meisten Menschen müssten ihre Ernährungsgewohnheiten ändern, also sich anpassen.



    Auch pflanzliche Nahrung muss erst mal erzeugt werden - sogar dann, wenn sie entsorgt statt konsumiert wird. Die Erzeugung geschieht immer mehr auf sehr bedenkliche Art und Weise



    Und wer meint, seinen Gaumen und damit sich selbst mit hochverarbeiteten Fleisch"ersatz"produkten betrügen zu müssen, sollte unbedingt das Kleingedruckte lesen und verstehen.