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Blaue Linie auf der UniformSchmaler Grat zum rechten Rand

Hamburg beschäftigt eine private Security-Firma, deren Mit­ar­bei­te­r*in­nen martialisch auftreten und ein bei US-Rechten beliebtes Symbol nutzen.

Sehen aus wie Cops: Mit­ar­bei­te­r*in­nen eines privaten Unternehmens in städtischem Auftrag Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Hamburg taz | Wenn ein privates Sicherheitsunternehmen als vermummte, uniformierte und bewaffnete Gang in geordneter Formation aufmarschiert, werden sich die meisten drumherum Stehenden eher unsicher fühlen. So etwa bei der Schlüsselübergabe des indischen Restaurants „Maharaja“ am Neuen Pferdemarkt in Hamburg Ende März.

Obwohl die Restaurantbetreiberin nach einem erfolglosen Rechtsstreit ihren Schlüssel widerstandslos übergab, marschierte der Sicherheitsdienst S. P. U. Solutions GmbH in martialischem Outfit zur Schlüsselübergabe auf. Zahlreiche Beschwerden gingen deswegen bei der städtischen Liegenschaftsverwaltung Sprinkenhof AG ein, die den Dienstleister beauftragt hatte.

Allerdings ist das martialische Auftreten nicht der einzige problematische Aspekt an dem Unternehmen. Der Hamburger Ermittlungsausschuss, der Betroffene von staatlicher Repression berät, wies zuerst darauf hin, dass S. P. U. Solutions sich zur „Thin Blue Line“ bekennt. Diese schmalen blaue Linie steht für die autoritäre Annahme, dass nur eine dünne Linie in Gestalt von Po­li­zis­t*in­nen die Gesellschaft vom absoluten Chaos trennt.

Das Symbol ist vor allem in den USA populär, wo es von Trump-Fans und anderen Rechten und White Supremacists genutzt wird. Dort entstand 2014 sogar eine entsprechende Bewegung: „Blue Lives Matter“ für die Interessen von Po­li­zis­t*in­nen und als Gegenmodell zu „Black Lives Matter“. Auf seiner Facebook-Seite verschlagwortet S. P. U. Solutions seine Beiträge mit den Hashtags #thinblueline und ­#privateblueline. Die Mit­ar­bei­te­r*in­nen tragen außerdem Patches mit der blauen Linie auf ihrer Uniform.

Das Problem war nicht bekannt

Die Stadt beschäftigt das Unternehmen erst seit Kurzem. Die Sprinkenhof AG habe nicht mal davon gewusst, sagt deren Sprecher Lars Vieten, sondern wie immer den „Security Service Schwarzenbek“ beauftragt, der den Job allerdings weitergab. „Davon waren wir überrascht und fanden den Aufmarsch auch nicht angemessen, sondern total daneben“, sagt Vieten. Man werde zukünftig in vergleichbaren Situationen ein besonderes Augenmerk auf den Dienstleister legen.

Seit Anfang Februar ist S. P. U. auch für die Hamburg Port Authority (HPA) im Dienst und überwacht an Wochenenden die Eingänge des Alten Elbtunnels hinsichtlich zu hohen Besucher*innenaufkommens. Auch dort hatten Pas­san­t*in­nen das Auftreten der Security kritisch kommentiert. HPA-Sprecher Ulrich Kerz gibt auf Nachfrage an, bis vor Kurzem nichts von der möglicherweise problematischen Ausrichtung des Sicherheitsdienstes gewusst zu haben.

Allerdings seien die aktuellen Hinweise zu dünn, um sich von dem Vertragspartner zu trennen. „Wenn das Unternehmen rechte Tendenzen hat, würden wir uns davon verabschieden, aber momentan liegen uns keine solchen Erkenntnisse vor“, sagt Kerz. Die Hafenbehörde sei jetzt aber sensibilisiert und werde den Dienstleister scharf im Auge haben.

Die Hafenbehörde ist sensibilisiert und will ihren Security-Dienstleister scharf im Auge behalten

Bei der Auswahl, welches Sicherheitsunternehmen die HPA jeweils beauftrage, richte man sich streng nach dem Vergaberecht. „Alles andere bedarf einer politischen Entscheidung“, sagt Kerz in Richtung des Senats. So nutzt die Stadt etwa bei der Vergabe von Bau- oder Nutzungsaufträgen regelhaft eine Ausschlussklausel zum Schutz gegen die Scientology-Sekte. Der Senat ließ eine entsprechende taz-Anfrage dazu am Mittwoch unbeantwortet.

Mit Rechten will die Firma nichts am Hut haben

Das Unternehmen selbst grenzt sich auf Nachfrage von Rechten ab. „Wir nutzen ‚blueline‘ oder ‚privateblueline‘ in der Ursprungsform und verurteilen jegliche Verwendung dieses Symbols durch rechtsradikale Gruppierungen oder die AfD“, sagt S. P. U.-Sprecher Terje van der Leeden. Erstmalig sei die Linie 1952 als Symbol des Vertrauens zwischen Bevölkerung und Einsatzkräften verwendet worden.

Mit dem Patch auf der Uniform erkläre man sich solidarisch mit Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Polizei (blau) sowie Feuerwehr und Rettungsdienst (rot), die jeden Tag mit Anfeindungen aufgrund ihrer Berufsausübung konfrontiert seien. Eine Vereinnahmung durch Extremisten wie der „Blue Lives Matter“-Bewegung verstehe man als Missbrauch. Davon wolle man sich ebenso distanzieren wie von der Vereinnahmung für politische Zwecke im Sinne einer „rechts- oder linksradikalen Nutzung“.

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23 Kommentare

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  • Es wird eben das Martialische bezahlt. Deshalb gibt es diese martialischen Leute.



    Und so naiv ist kein Auftraggeber, dass er nicht genau weiss, welche Ausstrahlung die beauftragte Firma hat.



    Und einmal fest drauf ist wirkungsvoller als einmal "Bitte" sagen. Weiss man doch in Hamburg, näch?

  • Ich kann mich an Zeiten erinnern, die noch gar nicht so sehr lange her sind, da gab es keine 'Securities' in Supermärkten, Restaurants, ... und die meisten Leute hätten diese Idee wohl eher abwegig gefunden. Irgendwann tauchten dann die ersten Sicherheitsdienste im Alltag auf, vermutlich motiviert durch die nach 9/11 um sich greifende Terrorangst, wobei die professionellen Ladenhüter einem bewaffneten Terrorkommando im Ernstfall wohl kaum mehr entgegensetzen könnten als der durchschnittliche Supermarktkunde. Aber obwohl die 'hohe abstrakte Gefährdungslage' schon längst nicht mehr so hoch ist und auch die Zahl der Gewaltdelikte bereits seit 2007 kontinuierlich sinkt [1] sind die Securities nicht weniger geworden sondern Standard und weil sich viele offenbar an sie gewöhnt haben wurde Aufgerüstet. Eine Montur wie auf dem Bild sieht eben nicht aus "wie Cops", zumindest nicht wie gewöhnliche, sondern eher wie Special Forces. Und einmal ganz davon abgesehen, dass die Tätigkeit dieser Leute unproduktiv ist weil das Herumstehen in Läden eben noch keinen Mehrwert erzeugt, stellt sich schon die Frage was es mit der Gesellschaft macht wenn selbst so alltägliche Verrichtungen wie der Einkauf von Gemüse nur noch unter der Bewachung von Elite-Truppen (bzw. Mackern die sich dafür halten) und inzwischen allgegenwärtigen Videokameras möglich ist.



    [1] de.wikipedia.org/w...C3%A4t#Ausma%C3%9F

    • @Ingo Bernable:

      Ich denke, dass das Auftauchen der Wachleute im Einzelhandel eher etwas mit den verlängerten Öffnungszeiten zu tun hat. Die Geschäfte fahren gerade in der Zeit ab 20 Uhr ihre Personalstärke weit runter, so dass eine erhöhte Sorge um Überfälle und Ladendiebstahl nicht ganz unangebracht erscheint. Die Läden sind im Zweifel gegen sowas versichert, aber die Versicherungen stellen Bedingungen, und schwupps hat man eine allgemeine Praxis unabhängig vom tatsächlichen jeweiligen Risiko. In Bayern, wo die Welt noch in Ordnung ist, man nach 20 Uhr aber auch nirgends mehr einkaufen kann, suchen Sie solche Leute vergebens.

      • @Normalo:

        Schon schräg, dass es für die Läden ökonomisch rational sein kann die eigenen Angestellten, oft genug auf 450€-Basis, nach Hause zu schicken um dann einen externen Dienstleister Präsenz zeigen zu lassen.



        Und wenn es zur Abschreckung von Ladendieben einen Aufzug wie beim Einsatz hinter feindlichen Linien braucht ist doch irgendwo total die Relation verloren gegangen. Was kommt als nächstes? MG-Nester am Käseregal?

    • @Ingo Bernable:

      Ein Geschäft mit der Angst, welches man grundsätzlich noch von der Steuer "absetzen" kann. Manche halten das für Win-Win. 😉

  • Also, ich entnehme dem Artikel, das die Firma nicht nur ein rechtes Symbol verwendet, sondern zur Rechtfertigung auch auf neurechte Argumente zurückgreift (Hufeisentheorie).



    Während Kita-Leitungen in Hamburg nicht einmal Kita-Gutscheinanträge bearbeiten und weiterleiten dürfen, mit Verweis auf 'hoheitliche Aufgaben' und gegen den erklärten Willen aller Beteiligten müssen Eltern dafür zum Jugendamt, schickt die Verwaltung vermummte Söldner auf die Straßen, nachdem die Privatisierung von Sicherheitsaufgaben auf städtischem Gelände schon gescheitert ist und wieder rückgängig gemacht wurde (Gerhard-Hauptmann-Platz).



    Die Seeheimer Partei Deutschland ist ein korrupter Haufen von Chauvinisten, nicht nur, aber besonders sichtbar in Hamburg.

  • Staatliche bestellte Söldnertruppen ... interessant.

    Mal sehen wie das so weiter geht in unserer Republik.

  • Ich dachte immer Vermummung ist verboten. Bei G 20 hat die Polizei deswegen eine Demo aufgelöst und die Leute zusammengeprügelt. Alles etwas merkwürdig hier in Hamburg.

    • @Senza Parole:

      Hier wird ja auch die Wirtschaft "geschützt", da darf man scheinbar mit staatlichen Mitteln nicht viel machen. ;)

    • @Senza Parole:

      Vermummung ist nicht verboten, lediglich auf Demonstrationen. Privat/beruflich darfsf du dich vermummen wie es dir lieb ist :)

  • Komisch - wenn ich eine Firma beauftrage für mich zu arbeiten (z.B. in meinem Laden Regale einzuräumen) bestimme ich auch wie die rumlaufen ...und was die so für Symbole am Kittel haben ...

    • @Bolzkopf:

      Feiner Unterschied: Ich KANN es - vertraglich - bestimmen. Aber verbindlich ist das erst, wenn ich es auch tue (und im Zweifel die Kosten für die Umsetzung meiner Vorstellungen übernehme).

      Nun kann ein Vertrag aber zwangsläufig nicht jede Eventualität von vornherein einbeziehen. Versuchte man das, würden nur noch die Juristen am Geschäftsleben verdienen, und perfekt würde es ohnehin nie. Verträge sind daher häufig allgemeiner gehalten. Z. B. könnte in dem hier einschlägigen Vertrag stehen, dass die Sicherheitsleute Dienstkleidung zu tragen haben, die sie als solche erkennbar macht und sich an der Gestaltung von Polizeiuniformen orientieren darf, ohne diese exakt zu kopieren. Das wäre eine sinnvolle Regelung, die dem Dienstleister genug Freiheiten lässt, dass er nicht unmittelbar mit der Ausrüstungsrechnung beim Auftraggeber vorstellig wird. Dass auch der Einsatzanzug (also das auf dem Bild gezeigte "riot gear") eine Polizeiuniform ist, hätte sie allerdings nicht auf dem Schirm...

      Insofern kann man sich vorstellen, dass die Auftraggeber jetzt, nachdem sie darauf aufmerksam geworden sind, versuchen können, bei zukünftigen Einsätzen ihrer Sicherheitsdienstleister derart martialisches Auftreten ausdrücklich zu unterbinden. Nur wirkt das eben nicht zurück.

    • @Bolzkopf:

      Also bis jetzt habe ich beim aldi zb die security noch nie in einem aldi tshirt gesehen. Immer nur mit logo der sec. Firma

      • @KeinGott KeinStaat:

        Ja dann schauen Sie mal wie die Ordner bei diversen Festvals rumlaufen (als es noch Festivals gab)

  • Die angeblichen "täglichen Anfeindungen" gegen Feuerwehr und Rettungsdienste sind vor allem eine Behauptung von interessierten Polizei-Lobbyisten mit der sie (noch) mehr Kompetenzen durchgesetzt haben und versuchen die Polizei (fälschlich) als "Rettungspersonal" darzustellen.



    Es gibt für diese Behauptungen keinerlei wissenschaftliche Studien.



    Dieselben Polizeilobbyisten wehren sich seit Jahren hatnäckig gegen die Durchführung solcher wissenschaftlichen Studien.

    • @Wagenbär:

      Doch für diese Behauptung gibt es Statistiken. Und ja diese Menschen werden regelmäßig angegriffen.

      Ich glaube eher, sie haben einfach nicht recherchiert sondern per se eine Behauptung rausgehauen weil Hauptsache böse böse Polizei.

      www.feuerwehrmagaz...auf-angriffe-67641

      Einfach mal lesen, filterblase verlassen und recherchieren!

      • @KeinGott KeinStaat:

        Ein Blick in den von ihnen verlinkten Artikel zeigt, dass die Grundlage für die Behauptung die "polizeiliche Krminalstatistik" ist.



        Diese listet sog. "polizeiliche Verdachtsfälle" auf und ist in allen Fällen schon extrem fehlerbehaftet.



        Bei der Kategorie "Angriffe auf Polizeibeamte" liegt /zudem/ noch der Umstand vor, dass Polizeibeamte -und ausschließlich Polizeibeamte-(es gibt pratisch nie unabhängige Zeugen) Zahlen/Fälle in eigener Sache "ermitteln". Übrigens: Ich bin selber Feuerwehrmann und Rettungssanitäter.

    • @Wagenbär:

      "Dieselben Polizeilobbyisten wehren sich seit Jahren hatnäckig gegen die Durchführung solcher wissenschaftlichen Studien." Können Sie Beispiele nennen oder behaupten Sie das nur mal so?

    • @Wagenbär:

      Diese Anfeindungen von Rettungskräften sind keine Behauptungen, sondern tägliche Realität! Sie(!) müssen einfach mal mit offenen Augen und Ohren durch eine Stadt gehen und einen Feuerwehreinsatz oder den Einsatz von Rettungssanitätern in abendlichen Stunden beiwohnen. In nicht Corona-Zeiten bekommen Sie vor jeder Kneipe etc. das Schauspiel geboten. Und die vielen Berichte von betroffenen Leuten ignorieren Sie auch geflissentlich um Ihre VT zu untermauern, nicht wahr?

      • @Lars B.:

        Das Wagenbär in seinem ersten Kommentar im letzten Satz klar gemacht hat, das er Feuerwehr, Sanitäter und Co. zur Polizei abgrenzt, haben Sie anscheinend überlesen.

        • @Punk-Rock:

          Und Sie haben die grundsätzliche Aussage "Die angeblichen "täglichen Anfeindungen" gegen Feuerwehr und Rettungsdienste..." nicht verstanden, oder?

  • Danke

    „Schmaler Grat zum rechten Rand“ ist das Eine, militaristisch martialisch eskalierender Aufzug uniformiert Privater Security Dienste mit Anmutungen von Amtsanmaßung mit Einschüchterungspotenzial zu fremdem Zweck nach Inkassobüro Art das Eigentliche, während sich Polizei in Zivil über deeskalierendes Bürgernähe Konzepte öffentlich Gedanken macht

    • @Joachim Petrick:

      Na, dann hoffen wir mal, dass es nicht bald eine "Deutsche Polizei AG" gibt.