Bildungsministerin unter Druck: Wie man die Wissenschaft beleidigt
Bettina Stark-Watzinger ist eine Fehlbesetzung. Ihr Umgang mit der Fördergeld-Affäre ist eine Belastung für die Wissenschaftsfreiheit.
W arum ist Bettina Stark-Watzinger immer noch im Amt? In dieser Woche musste sich die FDP-Bildungsministerin erstmals kritischen Fragen im Bundestag stellen. Doch statt sich zu entschuldigen, was angebracht gewesen wäre, wich sie aus, warf Nebelkerzen und gab vor, nicht gewusst zu haben, was in ihrem Ministerium vor sich geht. Das ist völlig unglaubwürdig und wäre an sich schon ein Grund, zurückzutreten. Selbst der Präsident des konservativen Hochschulverbands, Lambert Koch, sagte, die Fördergeld-Affäre sei für ihn damit noch „nicht abgeschlossen“.
Das ist höflich formuliert. Denn dass in ihrem Ministerium geprüft werden sollte, ob Wissenschaftlern, deren Meinung Stark-Watzinger missfiel, bereits zugesagte Fördergelder gestrichen werden könnten, ist ein Unding. Es bringt selbst Wissenschaftler, die ihr politisch nahe stehen, gegen sie auf. Fördergeld wird schließlich nach wissenschaftlichen Kriterien vergeben: Expertengremien beraten darüber; dafür gibt es klare Regeln. Es kann nicht einfach nach Gutsherrinnenart willkürlich entzogen werden, als Strafe für unbotmäßiges Verhalten.
Es wäre Stark-Watzingers Aufgabe, die Freiheit der Wissenschaft zu verteidigen. Darum war es schon ein absolutes No-Go, dass sie Wissenschaftlern, die im Mai einen offenen Brief für das Recht auf Protest an Hochschulen unterzeichnet hatten, unterstellt hatte, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen. Damit unterstützte Stark-Watzinger eine Kampagne der Bild-Zeitung gegen die Akademiker. Wenn jetzt mit Cornelia Woll von der Hertie School schon die dritte Berliner Uni-Präsidentin in Folge im Netz angegriffen wird, müsste sie sich eigentlich hinter sie stellen (auffällig oft werden Frauen attackiert). Stattdessen verteilt sie weiterhin Benimm-Noten für die vermeintlich richtige Gesinnung.
SPD und Grüne ganz sanft
Stark-Watzinger ist eine Fehlbesetzung. Über 3.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben einen zweiten offenen Brief unterzeichnet, der ihren Rücktritt fordert. Ein Gespräch mit ihren Kritikern sucht sie nicht. Stattdessen mauert sie sich ein und versucht, die Affäre auszusitzen. Das Problem geht dabei längst über ihren Umgang mit der Fördergeld-Affäre hinaus. Schon lange wird ihr vorgeworfen, Forschungsgelder nach FDP-Parteilinie zu verteilen. Lobby Control weist darauf hin, dass das BMBF mit der Ludwig-Erhard-Stiftung eine Organisation fördert, in der Stark-Watzinger selbst Mitglied ist.
Stark-Watzinger wäre viel stärker unter Druck, wenn Grüne und SPD in der Opposition wären. Aber weil sie in der Ampel schon genug Ärger mit der FDP haben, fassen sie die Bildungsministerin nicht so hart an. Auch das ist eine Art, die Wissenschaft zu missachten und zu beleidigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste