Betrunkene Grüne zeigt Hitlergruß: Pegel halten für die Polit-Karriere
Eine Berliner Bezirkspolitikerin fuhr betrunken Auto und zeigte den Hitlergruß. Sie trat daraufhin zurück. Ihr Karriereende muss das nicht bedeuten.
E in bedauerliches Malheur ist der grünen Berliner Bezirkspolitikerin (Charlottenburg-Wilmersdorf) Jutta Boden unterlaufen. Als sie auf der A 115 vor den Toren Berlins wegen Verdachts auf Trunkenheit von der Polizei angehalten und kontrolliert wurde, wusste sie sich in ihrer Not nicht anders zu helfen, als den rechten Arm zu heben und diese Geste auch noch folgerichtig mit „Heil Hitler“ zu untermalen.
Später gab sie an, sie habe sich von den Beamten „unkorrekt behandelt“ gefühlt, was zwei Fragen aufwirft: Erstens: Was mag sie mit „unkorrekt“ meinen? Hierzu schweigen bislang die Quellen, sodass wir die der Spekulation anzapfen: Die Polizei hat sie gestoppt, obwohl sie in dem Moment gar nicht halten wollte, denn sie war gerade so schön im Flow. Das beschnitt ebenso ihre Freiheit wie die streng gehaltene Bitte, ins Polizeifahrzeug umzusteigen, um zum Autobahnrevier in Michendorf gebracht zu werden. Denn auch da wollte sie gar nicht hin.
Diese Gemengelage kann dann schon mal als faschistischer Akt bewertet werden, insbesondere, wenn einem dabei 1,34 Promille die Sinne und das analytische Vermögen schärfen.
Keine gute Idee: Ein Hitlergruß
Was jedoch direkt zu Frage Nummer zwei führt: Ist der Hitlergruß ein angemessenes Mittel, um eine vermeintliche oder tatsächliche Ungerechtigkeit zu kommentieren? Als ironische Antwort auf so empfundenes nazihaftes Verhalten des Gegners, im Einzelfall theoretisch durchaus denkbar, dürfte Boden damit in diesem Falle eher falschgelegen haben. Ein „Freundys, echt jetze, ich fühle mich von euch unkorrekt behandelt, eins, zwei hopp, und frei heraus die Dienstnümmerchen auf den Tisch“ wäre hier wohl angebrachter gewesen. Das sieht Boden nun offenbar selbst so, indem sie angibt, „unangemessen und inakzeptabel reagiert“ zu haben, und ihr Mandat niederlegt.
Aber das muss längst nicht das Ende der Karriere bedeuten. Denn einen tröstenden Lichtstreif am Horizont bietet in dieser für sie trüben Stunde die so lange wie langmütige Historie im Straßenverkehr einschlägig aufgefallener Politiker. Schneller als gedacht steigt so ein im Suff gefallener Rauschengel wieder auf wie Phönix aus der Flasche.
Bestes Beispiel für die Gnade des Herrn und seiner irdischen Gerichte war Otto Wiesheu: Herausragend in einer ohnehin schon spektakulären Serie der Trunkenheitsfahrten von CSU-Granden, hatte der damalige Generalsekretär der Partei im Jahr 1983 mit 1,99 Promille einen Menschen totgefahren und einen anderen schwer verletzt. Der erzwungene Rücktritt von diesem Amt eröffnete damals nur den Weg zum nächsten, und zwar dem des bayerischen Staatsministers für unter anderem Trunkenheit und Verkehr, wir korrigieren: Technologie und Verkehr. Knast ist doch für Schwarzfahrer, arme Schlucker ohne Auto. Später wurde er Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bahn AG.
Einfach weiterbrettern
Das und noch viel mehr (UN-Generalsekretärin, Bundeskanzlerin, Weinkönigin) kann Jutta Boden ebenfalls werden, wenn sie nur den wichtigsten konservativen Grundsatz beherzigt: Freiwillige (!) Rücktritte, Entschuldigungsgelaber, Einsicht und öffentlicher Kniefall, diese verdammte Demut der Schuldigen, eine Krankheit linker Politiker, ist dem Fortkommen bloß hinderlich. Jedes zusätzliche Promille kann eine weitere Stufe auf der politischen Karriereleiter bedeuten.
Auch mindestens Sach-, besser noch Personenschäden infolge der Trunkenheitsfahrt lassen die Täter schneidiger und entschlossener wirken. Das sind Eigenschaften, die bei vielen Wählenden gut ankommen, während am windelweichen Angehaltenwerden ohne Unfall der weibische Ruch von Waldorfschule, Weinschorle und warmen Wannenbädern hängt. Wer bei Gelb bremst, zeigt Wankelmut; Scholzomat, Tempomat, Schwachmat.
Besser lässt sich Frau Boden ihre Aussagen noch mal in aller Ruhe durch den Kopf gehen: Ihre frisch auf- und flugs gleich wieder untergetauchte Zwillingsschwester saß am Steuer; der Bluttest ist bis zur B-Probe vollkommen irrelevant; den rechten Arm hat sie gehoben, um sich am Kopf zu kratzen, also die Schwester, die hat immer so trockene Kopfhaut, und überhaupt war das alles nur ein Missverständnis: Sie hat gar nicht „Heil Hitler“ gesagt, sondern „zwei Liter“. Natürlich Mineralwasser.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste