Berüchtigte deutsche Polizeieinheit: Schwerverletzte pflastern ihren Weg

Die Polizeisondereinheit „Blumberg“ ist für brutale Übergriffe berüchtigt. Bundesländer, die sie riefen, müssen sich vor Gericht verantworten.

schwer bewaffnete Polizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag

Training für Anti-Terror-Einsatz: Die Spezialeinheit „Blumberg“ ist für ihre Brutalität berüchtigt Foto: dpa

Hamburg taz | Dem Hamburger Anwalt Dieter Magsam gruselt es, wenn er an Polizeigroßeinsätze denkt, bei denen berüchtigte Polizeieinheiten abgeschottet von unabhängigen Zeugen agieren können. „Da ergibt sich ein Dunkelfeld, vor dem man Angst haben muss“, sagt er. Vor allem dass weder Kriminalpolizeien noch Staatsanwaltschaften Zugriff auf richtige Ermittlungen hätten, ist ihm ein Dorn im Auge.

Mit entsprechender Materie hat Magsam gerade in einem Amtshaftungsverfahren gegen das Land Niedersachsen zu tun. Vor dem Oberlandesgericht Niedersachsen in Celle geht es um das Agieren der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) „Blumberg“ – einer Kampfeinheit der Bereitschaftspolizei der Bundespolizei bei Potsdam – bei einem Castortransport im Wendland.

Magsams Mandat Niels M. gehörte zu denjenigen, die am 9. November 2010 gegen den Castortransport nach Gorleben demonstrieren wollten. Damals hielt er sich mit seinen Freunden Jannik J. und Florian B. bei Laase im Landkreis Lüchow-Dannenberg auf. Als sie bemerkten, dass sie nicht an die polizeilich gesicherte Transportstrecke gelangen konnten, kletterten die Baumpfleger und geübten Kletterer Niels M. und Jannik J. mit Steigeisen eine Kiefer hinauf, um wenigstens ein Antiatom-Transparent anzubringen.

Dies wollten Bundespolizisten der BFE-Einheit „Blumberg“ nach Angaben der Atomkraftgegner offenbar verhindern: Ohne Vorwarnung schoss ein Beamter aus einem feuerlöscherähnlichen Pfefferspraygerät der Ausführung „RSG 4“ aus fünf Metern Entfernung auf Niels M., der das Reizgas in die Augen bekam, was ihn in einen Schock versetzte. M. fiel aus fünf Metern Höhe aus dem Baum. Anschließend attackierte der Beamte auch den noch im Baum befindlichen Jannik J. Ein Vorgang, der vom italienischen Fotojournalist Simone Z. aus nächster Nähe fotografiert wurde. Niels M. erlitt durch den Sturz auf den Rücken einen Brustwirbelbruch und musste monatelang ein Korsett tragen.

In Amtshaftung können die zuständige Polizeibehörde und das Land genommen werden, die die Federführung für einen Großeinsatz hatten, obwohl die Straftat von Beamten einer Einheit eines fremden Bundeslandes verübt worden ist. Dafür müssen die Einzeltäter strafrechtlich nicht überführt worden sein.

Die Abteilung Blumberg ist eine spezielle Bereitschaftspolizei-Einheit der Bundespolizei, die für sogenannte Großlagen und -einsätze zur Verstärkung der Länderbereitschaftspolizei eingesetzt werden kann. Sie versteht sich auch als Eliteeinheit, die lang anhaltende Terrorlagen bewältigen könne.

Obwohl es Augenzeugen und sogar Fotos vom Tathergang gibt, sind die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Polizisten von der Staatsanwaltschaft Lüneburg eingestellt worden. Der Polizeibeamte bestritt überhaupt, auf Niels M. geschossen zu haben. Alle Beamte geben an, überhaupt kein Pfefferspray eingesetzt zu haben. Es steht also Aussage gegen Aussagen – im Zweifel für den Angeklagten.

Bereits 2014 ging es im Prozess vor dem Landgericht Lüneburg um eine mögliche Amtshaftung, bei der das Land, das die BFE-Einheit angefordert hat, selbst für ihr Vorgehen zahlen müsste. In diesem Verfahren bestritt die Polizei, dass es sich bei den im Labor festgestellten Pfefferspray-Rückständen an der Kopfbedeckung von Niels M. um das von der Bundespolizei benutzte Pfefferspray gehandelt habe. In diesem Verfahren forderten M. und sein Anwalt ein Schmerzensgeld von mindestens 25.000 Euro und ein Aufkommen für den Verdienstausfall von 13.000 Euro.

Das Bestellerprinzip

Für das Lüneburger Landgericht gab es keinen Zweifel, dass Niels M. vom Pfefferspray der Einsatzkräfte getroffenen worden war. Der Richter ordnete den Einsatz allerdings einem anderen Beamten zu, der angeblich wesentlich weiter weg gestanden haben soll. Dadurch sei die Intensität des Strahls und der Wolke geringer gewesen – und nicht der Grund für den Sturz aus dem Baum, so urteilte das Gericht. Alternativ könne der Absturz auch durch einen Fehlgriff und ein Abrutschen von M. am Baum verursacht worden sein. Über diese der ersten Variante widersprechende Sichtweise muss nun in der Berufung am Donnerstag das Oberlandesgericht Celle entscheiden.

Eine weitere Klage gegen Beamten der BFE-Blumberg, bei der ebenfalls das Bundesland nach dem Bestellerprinzip aufkommen müsste, wird dieses Jahr vor dem Landgericht Hamburg gegen die Stadt Hamburg verhandelt werden. Auch hier fordert ein Betroffener 125.000 Euro Schmerzensgeld und eine monatliche Rente wegen eines Übergriffs von BFE-Beamten.

Beim Hamburger Schanzenfest war die BFE-Einheit „Blumberg“ in der Nacht zum 13. September 2009 eingesetzt worden. Bei der Räumung der Straße mit Wasserwerfern waren die Beamten in eine Nebenstraße gestürmt, in der sich Johannes M. mit einer Freundin aufhielt. Unvermittelt habe der damals 36-Jährige nach eigenen Angaben einen Schlag auf die Stirn kassiert, sei zusammengesackt und liegen gelassen worden. Die Diagnose nach einer Computertomografie ergab einen zweifachen offenen Bruch der Stirnschale und eine gefährliche Luftblase im Gehirn.

Die Ermittlungen des Dezernats interne Ermittlungen nach einer Strafanzeige Ms. verliefen im Sande, da niemand geschlagen oder etwas gesehen haben will. Ein Gutachten der Rechtsmedizin des Uniklinikums Eppendorf ergab, dass die Verletzung vorsätzlich mit einem Kampfstock „Tonfa“ verursacht worden sein muss. Dieser gehört zur Standardausrüstung der BFE-Einheit „Blumberg“. Radius und Durchmesser stimmten mit der Narbe überein. Der Vater ist seither Frührentner.

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